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Die Macht der Elemente und ein Brief, der nie ankam

01.07.2015 - 12:13 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
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The Criterion Collection
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Die große Community-Blogaktion blog me if you can geht in die sechste Runde und dieses Mal lautet das Thema passend zur sommerlichen Hitze, die gestern für 31°C in meiner Wohnung sorgte, "Naturgewalt".

Auch ihr, liebe Leser, könnt bei dem Projekt mitmachen und euch jederzeit dem aktuellen Monatsthema widmen. Wie das funktioniert, erfahrt ihr in den FAQ. Alle weiteren Texte zum Thema "Naturgewalt" findet ihr am Ende dieses Blogartikels.

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Die Frage nach der Interpretation des Begriffs "Naturgewalt" war natürlich zugleich auch die Suche nach einem passenden Film. Ich wollte ein wenig vom altbekannten Konflikt Mensch vs. Natur integrieren, fühlte mich aber auch direkt zu konkreten Naturkatastrophen hingezogen. Zugleich war es mir wichtig, dass sich die geballte Kraft der Natur in mehr als nur einer Facette äußert.

Da kommt mir das 1959 gedrehte, russische Abenteuer-Drama Ein Brief, der nicht ankam von Michail Kalatosov gerade recht, das vier Geologen in den unausweichlichen Kampf gegen die unerbittliche Natur schickt.

Hier ist die Welt noch in Ordnung.


Der Film ist die Geschichte eines Geologenteams, das nach Sibirien geschickt wird, um ein Diamantenvorkommen ausfindig zu machen. So weit, so schön, denn nicht nur wird die Aufgabe motiviert angegangen, nein, Sibirien im Sommer ist sogar recht idyllisch. Sieht man die Anfangsszenen, scheint es kaum vorstellbar, dass eine Stunde später die raue Natur ihren Tribut in Form von Menschenleben fordert.

Auf die psychologischen Spannungen, die sich aus der Dynamik der vier Menschen ergeben, wäre vermutlich einen eigenen Artikel wert, denn allein dafür würde sich der Film bereits lohnen. Doch das Herzstück von Kalatosovs Arbeit ist die visuelle, bildgewaltige Macht, die er entfaltet, wenn sich die Menschen den Elementen stellen müssen. Wetter und Gelände erschweren die Expedition erheblich. Hat man anfangs mit brütender Hitze zu kämpfen, die das unaufhörliche, fast schon verzweifelte Graben im Erdreich zur Tortur macht, geht es schon bald ins kalte Nass der Regenfluten.

Links: Sonnenschein | Rechts: Strömender Regen


Die Konflikte der Gruppendynamik werden durch die Unannehmlichkeiten der Natur förmlich katalysiert und die Situation ist mehr als angespannt, doch ein Diamantenfund lässt alles vergessen und wird zum euphorischen Höhepunkt. Dieser letzte Moment der Freude währt nicht lange, denn jetzt geht es erst so richtig los. Der Rückweg wird lang, beschwerlich und - für manche - tödlich: Ein Waldbrand bricht aus. Wenn Kalatosov seine typischerweise ambitionierte Kameraarbeit mit seinem wunderschön destruktiv in Brand gesetzten Drehort vereint, ergibt sich daraus vielleicht eine der intensivsten Darstellungen von Mensch vs. Feuer in der Filmgeschichte.

Links: Den nahenden Tod im Blick | Rechts.: Flucht vor den Flammen


Interessant ist hierbei, dass sich nicht nur die Figuren den Widrigkeiten unterordnen müssen, sondern auch die Filmcrew selbst. Kalatosov verzichtet auf entgegenkommende Anordnungen in der Bildkomposition, sondern lässt die Kamera sich nur dort bewegen, wo es die Natur zulässt. Vorbei geht es an Ästen und Flammen, ganz so, wie sich die vierköpfige Truppe einen Weg durch die Katastrophe bahnen muss. Teilweise nahmen sogar die Schauspieler selbst die Kamera in die Hand und richteten sie für beklemmende Nahaufnahmen auf sich selbst, weil in all dem Gestrüpp und Unterholz für den Kameramann nicht immer optimaler Platz vorhanden war.

Wasser, Wind, Feuer und Eis


Wenngleich der große Waldbrand die prominenteste Äußerung von Naturgewalt in Ein Brief, der nicht ankam ist, müssen sich die Protagonisten dennoch durch alle möglichen Gegebenheiten der Wildnis kämpfen. Verletzte im Boot durch seichtes Gewässer ziehen, sich dem brausenden Sturm entgegenwerfen und in eisiger Kälte dem Tod durch Erfrieren trotzen. Kalatosov zeichnet eine gnadenlose Natur, in der Menschen keine Bedeutung haben. Letztlich ist die Kontrolle nur eine Illusion, um sich nicht eingestehen zu müssen, dass man im Zweifelsfall nichts weiter als ein Spielball urgewaltiger Mächte ist. Darin steckt dann auch ein wenig Horror, mindestens aber Ehrfurcht. Man muss die Gedanken nicht weit kreisen lassen, um unsere Insignifikanz im Universum festzustellen; eine Begegnung mit unserem Planeten von Angesicht zu Angesicht reicht völlig aus. Und wenn einer das in eindrucksvollen Bildern auf die Leinwand gebannt hat, dann Michail Kalatosov mit seinem ultimativen Abenteuerfilm.

Ein Brief, der nicht ankam

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