Die Ratte, das Schwein, Stronghold & Ich

24.03.2015 - 10:00 Uhr
Stronghold HD
Firefly Studios
Stronghold HD
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Der König ist tot, lang lebe der König! In Stronghold habe ich damals versucht, den Thron gegen vier hinterlistige Rivalen zu verteidigen. Warum ihr das Spiel auf jeden Fall gespielt haben solltet, erfahrt ihr in meinem Herz für Klassiker.

Es gibt einige Videospiele, die mir vor allem wegen ihres Soundtracks im Gedächtnis geblieben sind. So bekomme ich beim Menü-Gedudel eines RollerCoaster Tycoon  selbst heute noch Gänsehaut und das Theme von World of Warcraft: Wrath of the Lich King  sorgt dafür, dass ich am liebsten die Zeit zurückdrehen würde. Auch die Musik der Burgensimulation Stronghold  hat sich in meinen Kopf gebrannt, was keine Überraschung ist: Der Titel hat meine Kindheit in puncto Videospielen geprägt wie kaum ein anderer.

Schon im Intro wurde mir damals mit einem Augenzwinkern klargemacht, dass das Mittelalter kein Kinderspielplatz ist. Die Bevölkerung hungert, auf dem Marktplatz hängt eine arme Seele am Pranger und wird mit Tomaten beworfen; das volle Programm Mittelalter eben. Zum Abschluss des kurzen, für damalige Verhältnisse sehr schicken, Videos wird dem Protagonisten dann sogar heißer Teer über den Helm gegossen – eine sehr nützliche Methode, um Gegner abzuwehren, wie ich später selbst lernen sollte.

Angefangen hat alles mit einer Demo, die damals auf einer CD der Gamestar zu finden war. Die Testversion – ja, so etwas gab es damals noch – hat mir gerade einmal zwei Szenarien zur Verfügung gestellt. In einem musste ich meine bereits fertige Burg gegen mehrere Wellen Gegner verteidigen, in dem anderen durfte ich friedlich bauen. Na ja, zumindest, bis die Wölfe im Wald bemerkt haben, dass jemand eine Siedlung in ihrem Hoheitsgebiet errichtet. Der Soundtrack, der stimmige Look und die richtige Prise Komplexität haben schnell dazu geführt, dass ich mich nach wenigen Spielminuten in Stronghold verliebt habe.

Wo baue ich die Holzfällerhütten? An welchem Punkt ist der Abstand zwischen Lagerhaus und Holzfällerhütte genauso lang wie der Abstand zwischen der Holzfällerhütte und dem Wald, der abgeholzt werden soll? Wo werden meine Holzfäller am ehesten von Wildtieren verschont? Fragen über Fragen, die ich mir während des Spielens ständig stellen muss, um eine erfolgreiche Burg samt glücklichen Einwohnern mein Eigen nennen zu können. Dabei fiel mir sofort die Liebe zum Detail auf, mit der die Firefly Studios Stronghold umsetzten. Jeder Bewohner meines Dorfes, sei es ein einfacher Bauer oder ein Bäcker, hat einen eigenen Namen und teilt mir stets mit, was er von mir und meiner Politik hält.

Beim Bau der Burg spielt Terrain eine wichtige Rolle

Erwin Apfelbaum zum Beispiel findet, dass meine Steuermaßnahmen unmenschlich sind, also erhöhe ich die Essensrationen. Mit vollem Bauch ist meckern nämlich bekanntlich nicht so einfach. Schnell merke ich dann jedoch, dass mein Kornspeicher mit besorgniserregender Geschwindigkeit immer leerer wird. Also runter mit den Steuern, auch wenn es wehtut. Der Bevölkerung gefällt es, Erwin gibt zum Besten:

Keine Steuern sind gute Steuern, so lautet meine Devise.

Ach, Erwin.

Dieses System mag zunächst sehr rudimentär wirken, zusammen mit dem Management von Rohstoffen – jedes Endprodukt entsteht durch mehrstufige Arbeitsketten – und später auch Militär-Einheiten hatte Stronghold einen Schwierigkeitsgrad, der für mich genau richtig geraten war. Außerdem konnte meine Burg jederzeit von der Pest heimgesucht werden. Wenn dann auch noch eine Rattenplage dazu kam, wurde aus meiner erfolgreichen Siedlung schnell ein chaotisches Durcheinander, in dem ich als Burgherr einen kühlen Kopf bewahren musste.

Das war vor allem in der Militärkampagne nötig, in der es deutlich ruppiger zuging als im Pendant, das den Schwerpunkt auf ein funktionierendes Wirtschaftssystem legte. Die Handlung wurde dabei von vier mehr oder weniger witzigen Gestalten angetrieben: vier Burgherren, die allesamt nach Tieren benannt waren und mir ans Leder wollten.

Die Ratte stellte die geringste Bedrohung dar, war sie doch meist nur ein sehr gutes Beispiel für einen großmäuligen Proleten, der den Schwanz einzieht, sobald es ernst wird.

Das Schwein wurde seinem Namen stets gerecht und trat in den nett animierten Cutscenes immer essend auf. Außerdem hatte es die Angewohnheit, regelmäßig grunzende Geräusche von sich zu geben, was es nicht gerade sympathischer machte.

Die Schlange war etwas gewiefter als die beiden zugegebenermaßen tollpatschigen vorigen Beispiele; hier war deutlich mehr Taktik gefragt.

Letztlich musste ich es mit dem Wolf aufnehmen, dem wohl meist gefürchteten Anwärter auf den Königsthron.

Hinter all den Auseinandersetzungen mit den feindlichen Herrschern steckte eine realistische Geschichte: Der Vater des Protagonisten von Stronghold wurde übers Ohr gehauen, im Land bricht daraufhin Chaos und Bürgerkrieg aus. Um den Vater zu rächen, gilt es, alle einzelnen Gebiete, Grafschaften genannt, zurückzuerobern und wieder Ruhe und Ordnung einkehren zu lassen.

Während der Gefechte mit den gegnerischen Truppen hat das Kampfsystem des Spiels wunderbar funktioniert. Jede Einheit, ob Bogenschütze, Schwertkämpfer oder Pikenier, hat seine Vor- und Nachteile. Darum musste ich auch hier stets überlegen, welchen Einheitentyp ich in welcher Zahl wo platziere. Hinzu kamen etliche historisch mehr oder weniger korrekte Gadgets wie entflammbare Pechgräben und Steine, die Gegner direkt unter meinen Burgmauern ins Jenseits beförderten. Zudem gab es die Möglichkeit, Katapulte und Trebuchets zu bemannen, erstere waren sogar in der Lage, tote Kühe auf die Feinde zu werfen. Eklig, aber für die Atmosphäre von Stronghold sehr förderlich.

Neben den beiden Kampagnen hat mich das Spiel auch mit einem Leveleditor versorgt, der mich, ähnlich wie in Empire Earth und Age of Empires, etliche Stunden beschäftigte. Hier konnte ich meine Burg so gestalten, wie ich es mir vorstellte, ohne wirklich auf Ressourcen achten zu müssen. Außerdem lag es hier an mir, die Anzahl der Feinde festzulegen und die Umgebungen zu formen. Das sorgte nicht nur jede Menge neue Inhalte, sondern auch dafür, dass Stronghold nach und nach eine Community bildete, die echte Burgen faktentreu nachgebaut hat.

So sah eine klassische Belagerung aus

Ich kann den Titel auch heute noch jedem wärmstens empfehlen, der auch nur im entferntesten Sinne etwas mit Strategie und Simulationen anfangen kann. Seit einigen Jahren ist der Titel in einer HD-Variante auf Steam zu finden, das gleiche gilt für den fantastischen Nachfolger Stronghold Crusader  (NICHT Stronghold Crusader Extreme ), in dem das düstere Mittelalter Europas durch Wüstenlandschaften und Burgherren durch Kalifen und Sultane ersetzt wurden.

Stronghold Crusader  hat mir damals ebenfalls viel Freude bereitet, leider haben die Firefly Studios das mit der Komplexität etwas zu ernst genommen und ein wahres Monstrum erschaffen, das nur schwer zu kontrollieren war. Stronghold Legends  behielt die Mechaniken bei, überführte sie allerdings in ein mythisches Szenario rund um Artus und die Ritter der Tafelrunde. Entgegen der gängigen Meinungen finde ich, dass auch dieser Ableger wirklich gelungen war.

Das gilt leider nicht für Stronghold 3, die aktuellste Installation des Franchises. Das war leider großer Mist. Vielleicht habe ich ja Glück und die Reihe feiert ihre baldige Rückkehr, bis dahin habe ich dann hoffentlich auch die Frage nach der Platzierung der Holzfällerhütten beantwortet.

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