Die therapeutische Wirkung von Modern Family

08.11.2011 - 08:50 Uhr
Modern Family - Der Name ist Programm
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Modern Family - Der Name ist Programm
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Es kann multiple Gründe geben, warum wir unser Herz an eine Serie verlieren. Bei Modern Family liegt es in meinem Fall an einem therapeutischen Prozess der Selbsterkenntnis.

Das erste Mal, dass ich Modern Family sah, war auf der Rückreise eines Familienurlaubs. Vielleicht hat es mich gerade deshalb so gepackt, weil ich schon während der gesamten Reise den Eindruck gehabt hatte, über solch einen abgedrehten Haufen wie meine Verwandtschaft ließe sich auch ein guter Film machen. Ich hatte allerdings eher an schwerere Kost gedacht, an einen tragisch-komischen und dialoglastigen Independentfilm, der all die unterschwelligen Aggressionen auszudrücken vermochte, die ich in den drei Wochen Urlaub angesammelt hatte. Interessanterweise kam Modern Family ganz ohne Aggressionen aus und ich begann zu vermuten, dass diese Serie einen therapeutischen Effekt haben könnte.

Was macht die moderne Familie aus?
Ich denke, dass ich aus einer modernen Familie komme und das obwohl ich keinen schwulen Bruder habe, der mit seinem Lebenspartner ein vietnamesisches Baby adoptiert hat, so wie es in Modern Family der Fall ist. Aber durch Scheidungen, Wiederheirat und Auswanderungen hat sich doch ein buntes Potpourri ergeben, das nicht immer nur durch Harmonie besticht. Vielleicht ist es gerade das, was eine moderne Familie ausmacht: Es muss nicht immer ruhig zugehen. Konflikte dürfen ausgesprochen werden, Vater und Mutter müssen nicht immer einer Meinung sein und über den richtigen Partner für die heranwachsende Tochter wird nicht entschieden, sondern verhandelt. Nun gut, wenn Dillon (Reid Ewing), der Verehrer von Teenager Hayley (Sarah Hyland), in Modern Family vor der versammelten Familie ein Lied mit dem Refrain „Ich will Dich einfach nur vögeln“ (frei übersetzt) zum Besten gibt, sind auch hier die Erziehungsberechtigten nicht mehr unbedingt gesprächsbereit. Auch in meiner Familie gibt es Fälle, in denen mein Großvater sich als Oberhaupt berufen fühlt, eine Entscheidung widerspruchslos durchzusetzen. Meistens dürfen wir uns aber streiten. Vielleicht ist das ja wirklich ein Geschenk und keine Strafe.

Chaos und Happy End sind keine Widersprüche
In jeder Folge von Modern Family gibt es Chaos. Anders geht es auch gar nicht. Denn neben dem erwähnten homosexuellen Paar, das auch heutzutage (leider) noch jenseits von alltäglich ist, hat Vater Jay (Ed O’Neill in einem großartigen Comeback) die Kolumbianerin Gloria (Sofía Vergara) geheiratet, die mit seiner Tochter Claire (Julie Bowen) nicht nur Interessen, sondern auch das Alter teilt. Genug Zündstoff für endlose Streitereien, insbesondere da Schwiegersohn Phil (Ty Burrell) seine Augen selten von der rassigen Gloria lassen kann. Die Zerwürfnisse amüsieren uns als Zuschauer, während wir sie im wahren Leben lieber vermeiden. Vielleicht ist ein wenig Katharsis darin, wenn wir darüber lachen, wie Claire ihren Mann davon abhalten muss, seine Schwiegermutter bei jeder Gelegenheit zu berühren. Ich spreche aus Erfahrung, wenn ich sage, dass Situationen dieser Art gar nicht so absurd sind, wie sie scheinen. Doch statt ein riesiges Fass aufzumachen und aus der Situation einen „tragisch-komischen und dialoglastigen Independentfilm“ zu stricken, belässt es Modern Family bei einer Slapstick-Einlage und beruhigt unsere Nerven mit einem Happy End. Das gefällt vielleicht nicht jedem, aber meiner Meinung nach ist dieses Happy End der genial konstruierte Gegenpol zum pseudo-dokumentarischen Stil der Serie.

Was ich aus Modern Family gelernt habe
Mir hat mal jemand gesagt, ich sei harmoniesüchtig und es sei für mich wichtig, einmal zu erleben, wie ein Konflikt nicht nur entsteht, sondern auch bereinigt wird. Vielleicht schaue ich deshalb so gerne Modern Family. Vielleicht hat die Serie in der Tat einen therapeutischen Effekt auf mich und bringt mir bei, dass es absolut in Ordnung ist, sich über seine Familie aufzuregen. Denn ja, die gesellschaftlichen Weiterentwicklungen haben dazu geführt, dass wir uns manchmal in Situationen wiederfinden, die sich absurd anfühlen. Aber das Schöne an Familie ist ja, dass wir auch im größten Streit irgendwie immer ein bisschen miteinander verbunden bleiben. Modern Family leistet meiner Meinung nach einen Beitrag dazu, dass wir mit Ironie auf unsere eigene Verwandtschaft schauen können. Wenn wir uns selbst in den Figuren der Serie wieder finden und darüber lachen können, reagieren wir auf das nächste Familientreffen vielleicht nicht mehr mit Aggression, sondern mit einem Schmunzeln. Denn wie chaotisch es auch sein mag, am Ende wird doch alles gut. Irgendwie.

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