TV-Quoten-Lüge vergrößert sich durchs Internet

13.04.2013 - 08:50 UhrVor 11 Jahren aktualisiert
Deutsche Fernsehanstalten und die Internetquoten
Twentieth Century Fox/moviepilot
Deutsche Fernsehanstalten und die Internetquoten
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Aufreger entstehen nicht selten dort, wo der gesunde Menschenverstand der deutschen Fernseharistokratie endet. Deren neueste Erkenntnis: “Millionen Zuschauer schauen TV über das Netz, ohne von den Quoten erfasst zu werden.” Is nich’ wahr?

Deutschland sieht fern. Das sagen uns zumindest die Quoten, auch wenn es heutzutage beinahe “en vogue” zu sein scheint, dies abzustreiten. Dass um die Erhebung der Quoten zeitlebens eifrig debattiert wird, ist in der deutschen Fernsehbranche eine tief verankerte Tradition. Doch in regelmäßigen Abständen glänzt die GfK – Gesellschaft für Konsumforschung, Deutschlands größtes Marktforschungsinstitut, das im Auftrag der TV-Anstalten die Einschaltquoten erhebt – mit messerscharfer Kombinationsgabe und Anpassungsfähigkeit. Die neuste Erkenntnis der GfK: Fast jeder dritte Deutsche benutzt das Internet um online zu fernsehen…

Unser Aufreger der Woche befasst sich mit der deutschen TV-Marktforschung und dem Bestreben eines alten, antiquierten Quotenapparats nach Modernität und Fortschritt in Zeiten der digitalen Revolution.

Die Fakten
Fast jede/r dritte Deutsche benutzt das Internet um online fernzusehen. Die Nutzung der Sender eigenen Mediatheken stieg in den letzten Jahren in die zweistelligen Millionen. ARD verbuchte im Februar 2013 30 Millionen Zugriffe auf Sendungen in der eigenen Mediathek, was einem Zuwachs von 10 Millionen im Vergleich zum Vorjahr entspricht. ZDF kratzt bereits an der 40 Millionengrenze. Die Privaten hängen mit 20 Mio. (RTL), 10 Mio. (ProSieben) und unter 10 Mio. (Sat1) noch hinterher, aber auch deren Zahlen kennen nur die Richtung steil nach oben. Mit anderen Worten: Jan Josef Liefers und Axel Prahl erreichten mit ihrer Tatort Folge „Summ, Summ, Summ“ am 24. März 12,8 Millionen TV-Zuschauer, hinzu kamen jedoch noch 1,2 Millionen Abrufe in der ARD-Mediathek, die aber nicht in die Quoten miteinflossen.

Die Zahlen stammen von einer Umfrage die im März dieses Jahres veröffentlicht wurde. Keine zwei Wochen später erfolgte die Meldung, dass die GfK ab Mitte des Jahres auch die Nutzung einiger Streamportale erheben werde. Die Eile spricht für sich und deutet daraufhin, wie unvorbereitet die Internet-Ergebnisse die Verantwortlichen trafen. Millionen von Zuschauern, die bisher nicht erfasst werden. Wertvolle Marktanteile und Werbeeinnahmen, die brach liegen. Die fahlen Gesichter des GfK-Vorstands und verantwortlichen Senderchefs, die im Internet wohl noch immer eine Modeerscheinung sehen, könnt ihr euch an dieser Stelle genüsslich vorstellen.

Ist eben so – es gibt nichts anderes
Aber anstelle eines wirklich von Grund auf erneuertem Quotenermittlungskonzeptes, wird wieder die alte Teleskopie als Messwerkzeug aus dem Hut gezogen. Begründet wird dieser Dauerzustand von Verantwortlichen seit jeher mit den Worten: “Es war schon immer so, es gibt nichts anderes”. Teleskopie ist die Technik, mit der seit den 1980ern in Deutschland die Einschaltquoten erfasst werden. Dabei werden in der Bevölkerung eine Auswahl an Haushalten getroffen, die in ihrer Zusammensetzung der Struktur der Gesamtbevölkerung nahe kommt. Die sogenannte Panelgruppe umfasst aktuell 5640 Haushalte mit rund 11.000 Personen. Dabei repräsentiert ein erhobener Haushalt 6000 echte. Ich mag mich irren, aber basiert das amerikanische Wahlsystem mit seinen Wahlmännern nicht auf einem ähnlichen Konzept? Ein Relikt aus einer Zeit, als die Gründungsväter dem eigenen Volk nicht über den Weg trauten. George W. Bush verdankte diesem maroden Mehrheitswahlrechts seine Wiederwahl, obwohl er über weniger Wählerstimmen verfügte als sein Kontrahent Al Gore.

Was wir den Quoten zu verdanken haben, dürfte hinlänglich bekannt sein. Nicht zuletzt öffentlich-rechtliche Sender, die kaum mehr von Privatsendern zu unterscheiden sind. Faszinierend übrigens, dass sich die ARD und das ZDF bei der Erhebung des Rundfunkbeitrags nicht mit hochgerechneten, abstrakten Zahlen zufrieden geben oder gar die Quoten als Berechnungsgrundlage nutzen, sondern plötzlich darauf Wert legen, jeden Bürger als potentiellen Fernsehzuschauer zur Kasse zu bitten. Die Traumquote schlechthin.

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