Wem von euch ist Adam Torel ein Begriff? Eine kleine
Hilfestellung: Man kann über ihn super an japanische Filme kommen, die in Deutschland
nicht veröffentlicht wurden. Na, klingelts jetzt zumindest bei den
Filmimporteuren unter euch?
Torel ist der Managing Director des kleinen englischen Indielabels Third
Windows Films und sorgt dafür, dass zumindest eine Handvoll unbekannter japanischer/asiatischer
Filme auch hier im Westen das Licht der heimischen Mattscheibe erblicken. Auf
der Nippon Connection stellten er und Schauspieler Kiyohiko Shibukawa den
eigens produzierten Indiefilm Lowlife
Love vor, der sich um den sexbesessenen Looser und unabhängigen Filmemacher
Tetsuo (Shibukawa) dreht.
Um dieses völlig unabhängige Filmprojekt genau so durchziehen zu können,
wie es
den Beteiligten vorschwebte, musste sich Torel von seinen (grässlichen)
60ies
Anzügen und der heimischen Plattensammlung trennen, ein Opfer, das er
sehr wohl
bereit war, zu bringen. Allein dieser Wille nötigt Respekt ab und wenn
man sich
mit dieser zynischen Betrachtungsweise auf die japanische Filmindustrie
einlässt, dann wird schnell klar, warum hier aus eigener Tasche gezahlt
werden
musste. Lowlife Love ist rotzfrech, behandelt Frauen wie Dreck und
zeichnet ein
düsteres Bild der japanischen Filmindustrie ab, in der es an Mitteln
fehlt und
sich die „Castingcouch“ (die es nach Anmerkungen Torels und Shibukawas
tatsächlich zur Genüge gibt) schon längst etabliert hat. Jeder spielt
nach
eigenen Regeln, jeder zockt jeden ab und die eigene Arroganz wird
schnell zum
Verhängnis. Frauen versuchen noch dazu, sich mittels sexueller
Arrangements mit den Regisseuren (auch im Indiebereich, wo es nichts zu
holen gibt), in die Hauptrollen zu schleichen.
Hier schließt sich auch entfernt der Kreis zum vorangegangen Film Pink and Gray, der sich als scharfe Kritik
an diesem System versteht, sich aber eher den großen Produktionen zuwendet.
Weniger zynisch, dafür planlos wandelt The Actor von Satoko Yokohama, einer der wenigen japanischen
Regisseurinnen, über die Leinwand und nimmt sich wieder den Film selbst zum
Motiv.
Keiner stirbt wahrlich so schön wie Takuji (Ken Yasuda). Deshalb wird er mit
Vorliebe in Nebenrollen gesteckt, in denen er das Zeitliche segnen muss.
In The Actor begleiten wir den Schauspieler Takuji dabei, wie er sich von Job zu Job zu Job begibt, was sich auch in der Inszenierung niederschlägt. Als Komödie angepriesen entwickelt sich der Film langsam zu einem wahllosen Aneinanderreihen verschiedener Szenarien, die Takujis Innenleben widerspiegeln sollen. Auf der Suche nach seinem Weg als Schauspieler vermischen sich in dieser Komödie surreale Traumsequenzen mit slapstickartigen Todesszenen und einer Performance von Ken Yasuda, die schlicht und ergreifend zum Niederknien ist. Allerdings muss ich persönlich sagen, dass ich mit dem Film nur schwerlich zurechtkam. Genauer gesagt wollte ich ihn unbedingt mögen. Er bietet alles, was ein sehenswerter Film braucht, von der Art der Inszenierung und der grandios lakonischen Art Yasudas über zu einer verdammt witzigen Ausgangslage. Was mich (und manche Bloggerkollegen ebenfalls) jedoch sehr störte, war das unglaublich träge Tempo. Kaum offenbart sich eine gelungene Szene, schon wird diese ausgedehnt, bis es nicht mehr dehnbarer wird. Es scheint manchmal so, und das ist ein Phänomen was sich durch viele Filme der Nippon Connection zieht, dass Filmemacher den Schnitt verlernt haben. Man spricht allgemein gerne von der „japanese half an hour“ – eine halbe Stunde, um die sich viele japanische Filme kürzen ließen, ohne dass es ihnen wirklich schaden würde. Auch in The Actor hätten Scherenschnitte gut getan, ohne dabei zwangsläufig die Intention zu unterwandern. Es ist nur jammerschade, wenn das Potential so überdeutlich glänzt, und doch so verschenkt wird. Dennoch muss hier angemerkt werden, dass der Film im Screening deutlich wohlwollender aufgenommen wurde, als es hier in diesem knappen Abriss den Anschein erregt. Ich hätte ihn ja wie gesagt wirklich gerne gemocht ...
In der Nacht wurde dann zum Gruseln auch abseits der Nippon Retro gebeten. Mit The Inerasable wurde ein Horrorfilm in 4k und wirklich fettem Soundeinsatz auf die Leinwand geklatscht, bei dem ich als fürchterlicher Angsthase ja sowieso häufig zusammenzucken musste. Leider entpuppt sich der als semidokumentarische Ermittlung rund um ein wiederkehrendes Gruselphänomen inszenierte Film als Bauklötzchenzusammensetzung klassischer Genremotive inklusive Trip in die urbane Vergangenheit. Ohne Jump-Scares, dafür aber mit handwerklichem Bewusstsein rettet sich der zahme Horrorstreifen ins Mittelfeld. Ohne die fette Bassanlage hätte jedoch definitiv etwas gefehlt.
Das war es vorerst wieder von mir, denn ab dem vierten Tag häufen sich die Perlen und Überraschungsmomente, für die hier leider kein Platz mehr ist. Diese werden voraussichtlich in separaten Reviews erscheinen, da es sonst wirklich den Rahmen sprengen würde, weil es über diese unglaublich viel zu erzählen gibt.
Im abschließenden dritten Artikel werde ich daher (grob) über meine
Highlights berichten (~ ab Tag 4), ein wenig über meine Zeit auf der Nippon
Connection generell schreiben und warum es sich schon jetzt so unendlich
gelohnt hat, obwohl mir die Strapazen am nunmehr 5. (wenn der Artikel online
ist am 6.) Tag spürbar zu schaffen machen.
Aber was denkt man sich auch dabei,
sich vier Filme und drei Netflix-Episoden auf nicht gerade bequemem Mobiliar reinzupfeifen…
;)