Es ist ganz einfach: Ohne Run Run Shaw wäre die Hongkonger Filmindustrie nicht zu einer der populärsten in Asien aufgestiegen, hätte sie nicht Talenten wie John Woo, Jackie Chan oder Michelle Yeoh als Sprungbrett zu weltweiter Berühmtheit gedient und die Ästhetik des Actionfilms von Das goldene Schwert des Königstigers bis hin zu Matrix und Kill Bill geprägt. Shaw Brothers verlor zwar in den 80er Jahren an Bedeutung. In den zwei Jahrzehnten davor professionalisierte das von Run Run Shaw und seinem Bruder Runme Shaw gegründete Studio die Filmproduktion der Kronkolonie Hongkong aber soweit, dass allein die Brüder in guten Jahren 40 Filme auf den Markt brachten. Davon profitierte schließlich auch Ridley Scotts Blade Runner, in den Shaw investierte. Nun ist Sir Run Run Shaw im Alter von 106 Jahren verstorben.
In den letzten Jahren der Qing-Dynastie wurde Run Run Shaw als jüngster von sechs Brüdern geboren. Sein Vater handelte mit Textilien, doch Run Run und seine Brüder entwickelten schnell Interesse für die chinesische Filmindustrie in Shanghai. In der damaligen Kolonie Singapur gründeten sie ihre erste Firma, um chinesische Stummfilme nach Südostasien zu vermarkten. Schon bald produzierten die Shaws selber, darunter der wohl erste chinesische Film, der mit Hilfe des Lichttonverfahrens hergestellt wurde. Ab 1932, als die Zensur in der Republik China zunahm, produzierten die Shaws vermehrt Filme im kantonesischen Dialekt, die auf den freizügigeren Hongkonger Markt abzielten. 1936 expandierte die Firma, die später als Shaw Studios zu weltweiter Bekanntheit kommen würde, nach Hongkong. Dabei produzierten die Shaws in den Folgejahren nicht nur Filme, sondern weiteten ihren Einfluss durch den Besitz ganzer Kinoketten aus, ähnlich wie es bei den großen Hollywood-Studios der Zeit üblich war.
Erst 1957 zogen die Shaws endgültig nach Hongkong und ihr Siegeszug begann mit einem weiteren Schritt nach dem Vorbild Hollywoods. 1961 gründeten sie die Shaw Movietown, die damals größte Filmproduktionsstätte in Privatbesitz. In der schnitten und drehten täglich 1200 Mitarbeiter Filme. Obwohl die Shaw-Filme im Westen oft als Billigproduktionen abgetan wurden, hoben sie sich durch Aufwand und Professionalität von der damaligen Konkurrenz aus Hongkong ab. Weltweit bekannt wurden die Studios durch den von ihnen selbst ausgelösten Boom des Martial Arts-Films ab den 60er Jahren, für den Run Run Shaw selbst verantwortlich zeichnet. Regisseure wie King Hu, Cheh Chang oder Lau Kar-leung führten unter dem Dach der Shaw Brothers Schwertkampffilme zu ihrer Blüte und begegneten deren schwindender Popularität wiederum mit einem neuen Genre: dem Kung Fu-Film. Das Goldene Schwert des Königstigers, Das Schwert der gelben Tigerin, Die Todespagode des gelben Tigers, Die 13 Söhne des gelben Drachen oder Die Bruderschaft der gelben Höllenhunde lauteten die einfallsreichen deutschen Titel der Actionfilme. Es gelang Shaw allerdings nicht, den wichtigsten Vertreter des Kung Fu-Films zu engagieren: Bruce Lee. Lee lehnte einen Vertrag mit Shaws rigide kontrollierter Produktionsstätte ab und heuerte bei Golden Harvest an. Die Firma war 1970 durch zwei Shaw-Produzenten gegründet worden und machte dem etablierten Studio von da an die Marktanteile streitig.
Die Bedeutung Run Run Shaws geht weit über den Filmmarkt hinaus. 1967 gründete er mit TVB die erste freie Fernsehstation in Hongkong, die noch heute den Markt dominiert und als Ausbildungsstätte angehender Schauspieler dient. Zeit seines Lebens zeichnete er sich zudem durch seine umfangreiche Spendenaktivität aus, die Schulen, Universitäten, Krankenhäusern und Kulturstätten weltweit ebenso zugute kam wie den Opfern des Erdbebens in Sichuan 2008. Vier Jahre zuvor hatte er den Shaw Prize ins Leben gerufen, eine Art asiatische Version des Nobelpreises, der herausragende Leistungen in der Astronomie, Medizin und Mathematik würdigte. Der Mann, dessen Firmen laut South China Morning Post im Laufe ihrer Geschichte rund 800 Filme produziert haben sollen, stand an der Spitze einer Generation von Festlandchinesen, die ihr Glück wegen politischer Tumulte in der kleinen Kronkolonie Hongkong suchten und diese zu einer Wirtschaftsmetropole im südostasiatischen Raum aufbauten. Der 1907 geborene Shaw verschied am Dienstagmorgen im Kreis seiner Familie in Hongkong.