Frauen, Frauen und nichts als Frauen

12.02.2011 - 08:30 UhrVor 12 Jahren aktualisiert
Gianni und die Frauen
BiBi Film / moviepilot
Gianni und die Frauen
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Wer hätte gedacht, dass ich auf der Berlinale so viele Bikinischönheiten zu sehen bekomme. Natürlich nur auf der Leinwand, leider. Wird die Berlinale zum Pop-Festival?

Berlinale! Da denkt man an politisches Kino, künstlerischen Anspruch und kritischen Diskurs. Heute war davon bei mir nichts zu spüren – und ich finde, dass ist gar nicht so schlimm! Heute zeigte sich mir die Berlinale von ihrer Mainstream- und Trash-Seite, was mir einen Tag arm an neuen Erkenntnissen zum Weltgeschehen bescherte, aber auch drei Mal kurzweilige Kinounterhaltung.

The Devil’s Double von Lee Tamahori
Orlindo, der den Film bereits in einer Vorab-Aufführung sehen konnte, warnte mich gestern ja bereits vor: Nicht ernst nehmen, als Satire begreifen, einfach locker durchatmen! Unterhaltungskino, wenn nicht gar Popcorn war seine Einschätzung. The Devil’s Double allerdings schlägt in eine ganz andere Kerbe, ich bin mir nur nicht sicher in welche. Ich weiß nicht, ob er schon so schlecht ist, um wieder lustig zu sein, oder als Komödie auf seltsamen Wegen wandelt. Wenn ich da an andere belgische Komödien der letzten Jahre denke, tendiere ich gnädigerweise für Letzteres. Jedenfalls hat The Devils double, der uns von den moralischen Konflikten des Doppelgängers von Udai Hussein im Irak erzählt, die wohl dämlichsten Dialogzeilen, die ihr auf der Berlinale zu hören bekommen werdet. “Do you remember that night, we rode like the wind?” Auch die Inszenierung von Udai als massenmordenden Klassenkasper darf als gewagt, aber gelungen bezeichnet werden. Dennoch, bei den Bildern von ausgebrochenen Zähnen, vergewaltigten Kindern und aufgeschlitzten Gedärmen will sich gute Laune nicht wirklich einstellen. Hat da Lee Tamahori mit Absicht einen Boll gebaut?

Gianni und die Frauen von Gianni Di Gregorio
Gianni, ein italienischer Pensionär um die 60, hat in etwa das gleiche Problem wie Udais Doppelgänger: Die größten Kostbarkeiten des Harems darf er bestaunen, aber nicht anfassen. Eigentlich ist er glücklich verheiratet und sein einziges Problem ist seine quengelige Mutter, aber als ihm sein Freund den Floh ins Ohr setzt, er müsste sich mal eine Geliebte anschaffen, findet er sich blötzlich von unerreichbaren Decolletés umzingelt. Man könnte jetzt vermuten, die Geschichte eines älteren Herren im Hormonrausch sei eine direkte Anspielung auf die italienische Gegenwartspolitik. Doch The Salt Of Life, in dem sich der Regisseur Gianni Di Gregorio gleich selbst als Hauptdarsteller in Szene setzt, betrachtet die unglückseeligen Versuche des älteren Herren, sich eine Frau zu erobern, ganz ohne zu moralisieren, mit nur ein klein wenig Spott und sehr viel Mitgefühl. Denn, und das sagt uns das herrliche Schlussbild dieser leichten italienischen Mainstream-Komödie, im Kopf eines italienischen Rentners sieht es auch nicht anders aus, als im Kopf eines 25-jährigen: “In a young man’s mind, it’s a simple world: There’s a little bit of music and the rest is girls.”

Sing Your Song von Susanne Rostock
Zwischen diesen beiden Komödien schaute ich noch eine recht interessant klingende Dokumentation über Harry Belafonte und dessen politschen Aktivismus. Dabei brachte mir Susanne Rostock zwar mit vielen Talking Heads und TV-Mitschnitten die amerikanischen Protestbewegungen der letzten Jahrzehnte näher, aber Harry Belafonte selbst blieb blass. Viel zu einseitig war sein Leben und Wirken als unkritische Heldenverehrung in Szene gesetzt. Welche Wirkung Promi-Versammlungen, Hilfskonzerte und schaupsielernde UNICEF-Botschafter haben, diese komplizierte Frage stellt der Film gar nicht erst. Dafür belässt er es bei der ebenso wahren, wie nutzlosen Feststellung, dass man doch gegen das Elend in der Welt “etwas” tun müsse. Dabei ist doch dies nicht das Problem, sondern die Frage, warum es trotz allgemeiner Zustimmung immer noch nicht getan wird. Am Ende hinterließ der Film bei mir eine ähnliche Wirkung wie die Abschiedsrede bei der Abitur-Zeremonie: Sicher, das stimmt schon alles, aber was soll ich mit diesen Allerweltsweisheiten jetzt konkret anfangen?

Der Berlinale-Podcast – Tag 2






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