Eine Tatort -Doppelfolge gibt es nicht aller Tage. Die ARD-Verantwortlichen haben sich anscheinend CSI: Miami und Konsorten als Inspiration gesucht. Doch nach vier Stunden Krimi, am Ende von Tatort: Ihr Kinderlein kommet, wartet kein Finale, das dem Event-Charakter würdig wäre. Vielmehr ist das große Experiment letztlich nur ein durchschnittlicher Zweiteiler mit durchschnittlichen Logiklöchern und einem noch durchschnittlicheren “Mörder”.
Lokalkolorit: Auf das sonnige Leipzig folgt in Tatort – Ihr Kinderlein kommet das leicht gräuliche, irgendwie düstere Köln. Vielleicht ist es aber auch der Einstieg, der nachhaltig die Stimmung trübt. Da wäscht und schneidet Psycho Bransky der entführten Anna in seiner 70er Jahre-Wohnung die Haare. Wofür, erfahren wir zwar erst später, aber sein Ordnungsfimmel, sein Wunsch, Anna möge bitte ihre Haut schonen, erinnert nicht von ungefähr an diesen kleinen, total unterschätzten Krimi namens Das Schweigen der Lämmer. Ob das Zufall ist?
Plot: Nein, aber dazu gleich mehr. Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Freddy Schenk (Dietmar Bär) sind wieder in Köln angekommen. Nachdem drei weitere Mädchen tot aus dem Rhein gezogen werden, steht fest: Hier ist ein Serienmörder am Werk. Mit den Leipzigern Andreas Keppler (Martin Wuttke) und Eva Saalfeld (Simone Thomalla) halten sie per hypermoderner Videokonferenz Kontakt, um Inspiration bei ihren Ermittlungen zu erhalten und natürlich kommen diese irgendwann zu Besuch nach Köln. Schon bald sind sie dem Mörder auf der Spur, doch als dieser tot aufgefunden wird, haben sie ein Problem. Auf der Suche nach dem Mittäter grenzen sie die Reihe der Verdächtigen ein auf eine Werbeagentur. War es der schmierige Chef (kommt leider zu kurz, aber trotzdem schön schnoddrig: Jan Henrik Stahlberg)? Aber nein, der feiert lieber seine Privatparties. Aushilfsfotograf Bransky war’s, den Saalfeld auch noch zufällig besucht. Clarice Starling lässt grüßen.
Unterhaltung: Ambition ist so eine Sache. Ambitioniert ist eine Crossover-Doppelfolge zweier Tatort-Teams grundsätzlich. Ambitioniert sollte aber auch der Unterhaltungsanspruch sein, ob es nun die Spannung, den Witz oder den Tiefgang betrifft. An Ambition mangelt es dem Buch von Jürgen Werner jedoch. Tatort: Ihr Kinderlein kommet lebt wie sein Vorgänger von der Chemie zwischen Saalfeld/Schenk und Keppler/Ballauf. Die Eifersüchteleien zwischen den beiden neuen Pärchen sind das Salz in der Tatort-Suppe, aber vielmehr hat der Krimi gerade im Finale nicht zu bieten. Da bringt sich Saalfeld einmal mehr sinnlos in Gefahr. Doch Bransky wirkt viel zu labil, zu weich, um als Gefahr durchzugehen. Das ist eine entscheidende Fehlkonstruktion im Drehbuch, die Branskys Charakter interessanter macht (jemand muss für ihn morden), die Spannungskurve dafür ins bodenlose fallen lässt.
Tiefgang: Nach den 50 Straßenkindern in Leipzig wissen wir nun, dass es in Deutschland 1500 vermisste Jugendliche gibt. Die Statistikkeule hat wieder zugeschlagen und Saalfeld darf ihre Aufregung bekunden. Letztlich sind es wieder innerfamiliäre Dynamiken, die den Tatort am Laufen halten. Schenks und Ballaufs falsche Verdächtigung hatte einst das Leben von Thomas Röpke zerstört. Nun ist seine Unschuld am Verschwinden seiner Tochter bewiesen, doch die alten Wunden haben tiefe Narben hinterlassen. Soviel gibt ihm auch seine Frau zu verstehen. Manche Dinge können nicht ungeschehen gemacht werden. Das gilt allerdings nicht für die Kommissare. 180 Minuten lang wird ihr Interesse, ihre Empörung über die Zustände vorgespielt, werden Statistiken zu Rate gezogen. Doch am Ende zutschen sie gemeinsam ihr Kölsch oder ihre Fanta. Alles versinkt leblos im Friede-Freude-Currywurst-Koma und das ist die eigentliche Enttäuschung nach diesem Event-Tatort.
Mord des Sonntags: Schrottplatzmitarbeiter und Hobby-Mörder Schmelzer, der alle Frauen nur Schlampe nennt, liegt tot in der Badewanne.
Zitat des Sonntags: “Freddy ist’n Spitzentyp.” – “Wenn man adipös sexy findet.”