Animationsfilme sind was für Kinder. Dieser Spruch gilt schon seit Jahren nicht mehr, denn Eltern benutzen ihre Kinder nur, um selbst die Abenteuer einer französischen Ratte oder die Liebe eines vereinsamten Roboters entdecken zu können. Der Animationsfilm in all seinen Spielarten ist erwachsener denn je und im Kinojahr 2009 hat er bei mir sogar die großen Spielfilme an die Wand gespielt.
Den Kino-Traum leben
Szenen einer Ehe. Sie zeigen das frühe Kennenlernen; die gemeinsamen Träume, die in Erfüllung gehen sollen; die Hochzeit; das Leid, als klar wird, dass das Paar keine Kinder bekommen kann; das Sparen für den Traum, der dann leider doch nicht in Erfüllung geht, weil das Geld für anderes verbraucht wird, Reparaturen am eigenen Haus zum Beispiel. Sie zeigen eine Liebe, die trotz aller Widrigkeiten über die Jahre hält, ihre Höhen und Tiefen; das Paar altert gemeinsam, liebt sich bis zum Ende. Dann stirbt sie und er vergräbt sich in seinem Haus vor der Welt.
Banal, einfach, unspektakulär – das sind die Adjektive, die zu dieser Geschichte passen und sie würden keine große Aufmerksamkeit auf sich ziehen, wenn sie nicht ganz besonders in Szene gesetzt worden wären. Es sind die ersten 10 Minuten aus Oben und sie sind das Anrührenste und Ergreifenste, was ich in diesem Jahr im Kino gesehen habe. Was danach folgt ist eine große, trotz aller Verspielheit und Verrückheit eine ernsthafte, eine erwachsene Erzählung über die Erfüllung eines Traums, über die Liebe am Leben, über die Freundschaft. Erwachsener war ein Kinderfilm nie.
Den Verlockungen widerstehen
Von den Abenteuer eines kleinen Mädchens und seinen Prüfungen im Reich der Verlockungen erzählt Coraline. Wer sein 10jähriges Kind in diesen Film schickt, zeigt ihm keine überzuckerte Wattebausch-Welt von Disney, denn es wird ihm einiges zugemutet: eine “andere” Mutter, die das Kind mittels Wunscherfüllung verhext; Zirkusvorstellungen, die zur Horrorshow mutieren; eine bunte, aber gefährliche Parallelwelt, die die Realität verdrängt. Für Kinder ist Coraline wohl nicht geeignet, dafür ist er zu sehr ein doppelbödiger Horrortrip, der das Prinzip Familie überaus komplex durchleuchtet.
Wer sich aber nicht abschrecken lässt, wird einen 3D-Stop-Motion-Film entdecken, der unglaublich in die Tiefe geht. Das betrifft den Inhalt und die Form. Selten konnte der Zuschauer so viel Raumtiefe bewundern oder Blumen und Farben in derartiger Pracht erblühen sehen. Henry Selick hat ein Meisterwerk geschaffen, ein Lehrstück für die Schönheit der Fantasie und für den Grusel der Welt zugleich.
Animation … und kein Ende
Was an Animation im Kinojahr 2009 alles auf uns zu kam. Sogar die Zuckerwatte-Welt des Walt Disney-Konzerns bot mit Küss den Frosch wieder traditionell Gezeichnetes, erstmals mit einer schwarzen Prinzessin. Auch wenn der Film nicht an die komplexen Geschichten von Oben und Coraline heranreicht, ist er doch wunderbare Familienunterhaltung a la Disney. Erinnert sei an Monsters vs. Aliens oder Ice Age 3 – Die Dinosaurier sind los. Und was uns im Kinojahr 2010 noch alles erwartet: Wolkig mit Aussicht auf Fleischbällchen kommt auf uns zu, ist in den USA schon ein kleiner Überraschungserfolg. Mit Spannung erwarte ich Der fantastische Mr. Fox von Wes Anderson oder #9 oder Planet 51. 2010 geht es auf Drachenjagd (Drachenzähmen leicht gemacht), der größte Verbrecher der Welt wird gesucht (Ich – Einfach unverbesserlich) und Shrek erlebt ein viertes Abenteuer (Für immer Shrek).
Der Animationsfilm ist aktuell top. Er kommt derart vielfältig daher, dass es eine wahre Freude ist.