Lady Gaga ist das Beste, was Joker 2 passieren konnte: Der spoilerfreie erste Eindruck aus Venedig

04.09.2024 - 19:01 UhrVor 7 Tagen aktualisiert
Joker 2: Folie à deux
Warner Bros.
Joker 2: Folie à deux
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Der Joker singt in Joker 2: Folie à deux, ein Psycho-Musical über die gespaltene Seele des größten DC-Schurken. Hier gibt es den ersten spoilerfreien Eindruck zur Weltpremiere in Venedig.

Manchmal sitze ich in einem Bus und lache mir manisch ins Fäustchen, weil Joker 2019 den Goldenen Löwen von Venedig gewonnen hat. Das älteste Filmfestival der Welt und Bastion des Arthouse verbeugte sich vor einem amerikanischen Comic-Blockbuster. Diesen unerhörten Witz hätte sich Arthur Fleck niemals ausdenken können.

Der Film von Hangover-Regisseur Todd Phillips stolperte direkt in den Zeitgeist, provozierte Hysterie über seine angebliche Gefährlichkeit und lockte Millionen ins Kino. Mit Löwe, Oscars und Milliarden-Einspiel markierte Joker den wahren Höhepunkt des Superhelden-Booms. Avengers: Endgame hat mehr eingespielt, aber Joker hinterließ einen kulturellen Fußabdruck, der tiefer reichte als Memes und Merch.

Fünf Jahre später wird auf dem Lido wieder gelacht. Joker 2: Folie à deux läuft im Wettbewerb von Venedig, diesmal unterstützt von Lady Gaga, die mit Joaquin Phoenix ein psychotisches Duett einstimmt. Kann Joker 2 den Vorgänger übertreffen?

Arthur Fleck trifft in Joker 2 seinen größten Fan

Im ersten Film wurde Arthur Fleck (Phoenix) als gequälter Einzelgänger vorgestellt, der durch eine Gewalttat zur Ikone des Volkszorns von Gotham City aufsteigt. Tausende Bewundernde änderten aber nichts an einem Fakt: Arthur war allein.

In Joker 2: Folie à deux treffen wir ihn im Arkham State Hospital wieder, einer psychiatrischen Anstalt, in der er auf seinen Mordprozess wartet. Es ist eine graublau verregnete, wortkarge Existenz. Bis sein Blick auf die Insassin Lee Quinzel (Gaga) fällt. Dann schleicht sich warmes Sonnenlicht in die ranzigen Räume. Lee zündelt gerne und hat den TV-Film über den Joker nach eigenen Aussagen um die 50-mal gesehen. Eine gänzlich unproblematische Kombination von Freizeitbeschäftigungen.

Dass der Joker einen Moderator vor laufenden Kameras erschossen hat, füllt sie nicht mit Schrecken, sondern Bewunderung. Zum ersten Mal kann sich Arthur auf derselben Tonhöhe mit einer Frau austauschen. Aber das funktioniert für Superfan Lee am besten mit Schminke. Während Arthurs Anwältin (Catherine Keener) ihren Mandanten vor der Todesstrafe bewahren will, drängt sich seine zweite Identität zurück in sein Leben. Besser gesagt: Der Joker singt und steppt sich vor die Kamera.

Lady Gaga ist eine enorme Bereicherung für das Psycho-Musical

In realen und eingebildeten Momenten hält die Musik Einzug in Arkham. Das war schon im ersten Film angelegt. Da tanzte Arthur vor dem Spiegel wie ein Musical-Darsteller, der sich ins echte Leben verlaufen hat. Nach einer Weile war der Einblick in Arthurs Wesen aber trotz Phoenix' Verrenkungen erschöpft.

Nun wird ihm eine Partnerin für das Duett geschenkt, die das fehlende Stück Wahnsinn für die Choreografie liefert. Mithilfe von poppigen Musiknummern transformiert sich Arthur in Joker 2: Folie à deux erst wirklich zu einer komplexen Persönlichkeit. Vergessen ist das Taxi Driver-Derivat mit Incel-Einschlag. Lady Gaga spielt eine entscheidende Rolle dabei, Joker 2 in einen komplexeren, einfühlsameren Film als den Vorgänger zu verwandeln.

Arthurs Identitäten werden im Zusammenspiel mit Lee prägnanter herausgeschält, während Lady Gaga ihrer Rolle gerade genug Mysterium verleiht, dass man sie nicht so leicht einordnen kann. Diese Harley Quinn bzw. Lee ist viel gefährlicher als die liebenswerte Antiheldin von Margot Robbie aus dem DCEU.

Der einzige Haken am Casting ist, dass hier ein Film über Arthur Fleck vor uns steht. Lee befeuert mehr Neugier, als das Drehbuch von Scott Silver und Todd Phillips befriedigen will. Die Arthur Fleck-Show duldet keine zweiten Hauptdarsteller und das macht den Film nicht unbedingt besser.

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Joker 2 ist ein ambitioniertes Sequel, das eine Schwäche des Originals teilt

Lady Gaga ist trotzdem das Beste, was Joker 2 passieren konnte und man muss Todd Phillips seine Ansprüche zugutehalten. Sein zweiter DC-Film taucht tiefer in die Seele der Hauptfigur ab, wechselt mittendrin das Genre und kann als klare Absage an die gängigen Fortsetzungs-Mechanismen im Blockbuster-Kino verstanden werden. Es wäre so leicht gewesen, die Joker-Kuh mit einem Redux des ersten Films zu melken oder sich feierlich in Bruce Wayne-Referenzen zu wälzen. Phillips legt lieber ein Psycho-Musical mit wenigen Schauplätzen vor, das den Volksbösewicht Joker vor Gericht stellt und damit auch die eigene Popularität untersucht.

Ein Grundproblem des Vorgängers bleibt jedoch erhalten und das lässt sich nicht so leicht wegwischen. Weder Drehbuch noch Handwerk können die Ansprüche vollends erfüllen. Die Musical-Sequenzen sind wunderhübsch ausgestattet, aber relativ träge und statisch eingefangen. Das sieht gut in Trailern aus, bringt den Film aber mitunter zum Stillstand.

Was der Joker für Gotham City und Lee bedeutet, bleibt im Drehbuch derweil unterentwickelt. Hier fügt der Film dem Original nur wenig hinzu, das über einen undefinierten Hass auf die da oben hinaus geht. Kurz gesagt: Joker 2: Folie à deux ist ein guter Film über Arthur Fleck, aber ein schlechter Film über den Joker.

Joker: Folie à deux läuft im Wettbewerb der Filmfestspiele von Venedig. Am 3. Oktober startet der Film in den deutschen Kinos.

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