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LGBT im Mainstream-Kino

26.07.2015 - 16:25 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
Wie queer ist Hollywwod?
“Oreos” auf wikimedia.org
Wie queer ist Hollywwod?
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Mainstream-Kino und LGBT scheinen nicht zusammen zu passen: Der GLAAD-Report 2015 bescheinigt den Hollywood-Studios eine mangelhafte Repräsentation von sexueller Vielfalt.

Spielen wir ein kleines Spiel: Nenne so viele aktuelle US-Serien wie möglich, in denen (relevante!) homo-, bisexuelle oder Transgender-Charaktere vorkommen. Und los!

Na, wie viele kommen zusammen? Spontan könnte ich Modern Family, Orange Is the New Black, Game of Thrones, House of Cards, Sense8 und American Horror Story aufzählen. Runde zwei: Nenne so viele Hollywood-Produktionen wie möglich aus den letzten zwei Jahren, in denen (relevante!) homo-, bisexuelle oder Transgender-Charaktere vorkommen. Los!

Möglicherweise konsumiere ich zu wenig Hollywood-Kino, aber hier tue ich mich deutlich schwerer. Der einzige Film, der mir auf Anhieb einfällt, ist The Imitation Game mit Benedict Cumberbatch.

Mit meinem subjektiven Eindruck stehe ich allerdings nicht alleine da. Die Non-Profit Organisation GLAAD (Gay and Lesbian Alliance Against Defamation) veröffentlicht jährlich einen „Studio Responsibility Index“ , in dem sie die Veröffentlichungen der großen Hollywood-Studios unter dem Aspekt der Darstellung von LGBT unter die Lupe nimmt. Und Hollywood kommt dabei nicht gerade gut weg.

Im aktuellen Report hält GLAAD fest, dass von 114 Filmen in nur 20 Streifen ein LGBT-Charakter auftaucht. Und damit ist wirklich jeder Charakter gemeint, egal welche Rolle er spielt oder wie viel Screen-Time er bekommt. Tatsächlich war die Hälfte dieser Charaktere weniger als fünf Minuten in ihrem jeweiligen Film zu sehen. Was aber noch viel mehr Gewicht hat, ist die Art, wie diese Charaktere dargestellt werden. Sarah Kate Ellis, Vorsitzende von GLAAD, fasste ihren Eindruck zum Film-Jahr 2014 im Report wie folgt zusammen:

„Für jede herausragende LGBT Rolle scheint es zwei andere zu geben, die entweder kaum bemerkt werden, uns als Witzfiguren darstellen oder beleidigende Karikaturen sind.“

Keine besonders optimistische Einschätzung. Aber GLAAD kann diesen Eindruck auch mit Zahlen belegen. Um zu testen, ob ein LGBT-Charakter angemessen dargestellt wird, entwickelten sie den sogenannten Vito-Russo-Test. Angelehnt an den populären Bechdel-Test , umfasst er drei Kriterien, die ein Film erfüllen muss, um zu bestehen:

1. Der Film enthält einen Charakter, der als lesbisch, schwul, bisexuell und/oder Transgender zu erkennen ist.

2. Der Charakter darf nicht allein oder vorrangig durch seine sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität definiert sein.

3. Der Charakter muss auf eine Weise in den Plot eingebunden sein, dass es einen signifikanten Effekt hätte, wenn er entfernt würde.

Diesem Test wurden auch die 20 LGBT-inklusiven Hollywood-Filme des letzten Jahres unterzogen. Knapp die Hälfte fiel durch. Von den 114 Filmen bleiben also gerade mal 11 Filme, die einen Charakter beinhalten, der nicht ausschließlich aus Stereotypen besteht oder schlichtweg überflüssig ist. Meiner Meinung nach ist das deutlich zu wenig.

Wie eine sinnvolle Integration eines schwulen Charakters gelingen kann, zeigt das bereits genannte, Oscar-nominierte Biopic The Imitation Game. Benedict Cumberbatch verkörpert darin den Mathematiker Alan Turing, dem im Zweiten Weltkrieg der Durchbruch bei der Entschlüsselung deutscher Geheimnachrichten gelang. Außerdem war Turing schwul, was der Film in vorbildlicher Weise thematisiert. Turing wird als fleißiges Genie mit soziopathischen Zügen dargestellt. Seine Homosexualität wird eher nebensächlich behandelt und verkommt nie zum simplen Mittel, um ihn als Menschen zu definieren. Trotzdem erhält das Thema vor allem gegen Ende mehr Aufmerksamkeit, charakterisiert letztlich aber vielmehr die damaligen homophoben Zustände in Gesellschaft und Rechtssystem als Turing selbst.

Werfen wir einen Blick auf das andere Ende des Spektrums. So schwer es mir fällt, schlecht über The Wolf of Wall Street zu reden, muss ich dem Film dennoch eine Sache unterstellen. Die „Charakterisierung“ des schwulen Butlers ist ein perfektes Beispiel, wie man es nicht machen sollte. Als einziger homosexueller Charakter des dreistündigen Filmes wird ihm eine Screen-Time von gerade mal drei Minuten zuteil. Und auch wenn Leonardo DiCaprio ihn anfangs als „klug, kultiviert und professionell“ beschreibt, bleibt dem Zuschauer wohl nur eine bestimmte Szene im Kopf: Als Leos Verlobte den Butler in flagranti in ihrem Apartment erwischt. Nicht mit einem Mann, sondern mit einer ganzen Reihe von Männern. Am Ende ist er also nichts ein schwuler, promiskuitiver Lüstling, der allein durch seine Sexualität definiert wird.

Sicherlich sollte man als Minderheit nicht alles zu ernst nehmen und über sich selbst lachen können. Kann ich. Und eigentlich fand auch ich die eben geschilderte Szene ziemlich lustig. Problematisch werden solche eindimensionalen Darstellungen einer Minderheit dann, wenn sie fast häufiger anzutreffen sind, als ernstzunehmende, mehrdimensionale Charaktere. Und genau das wirft der GLAAD-Report den großen Hollywood-Studios vor.

Ein Ansatz, um die Bedeutung dieser Sache zu erklären, ist die „Kontakt-Hypothese“ . Diese Theorie, die auf den Psychologen Gordon Allport zurückgeht, beschreibt im Grunde die Annahme, dass der reine Kontakt verschiedener gesellschaftlicher Gruppen untereinander Vorurteile abbauen kann. Das selbe gilt auch, oder vor allem, für Menschen, die sich als LGBT identifizieren. Da ihr Stigma weniger offensichtlich ist als das anderer Minderheiten, neigen sie dazu vergleichsweise unsichtbar zu sein. Und genau deshalb ist die Darstellung der Medien von LGBT so wichtig. Laut einer Studie der Walden University in Minneapolis  kann Kontakt nämlich ebenso durch Videos hergestellt werden und den gleichen, uneingeschränkten Effekt erzielen. Filme könnten also für den nötigen Kontakt sorgen, um voreingenommene Menschen gegebenenfalls umzustimmen.

Ein wichtiger Aspekt der Kontakt-Hypothese ist jedoch, dass die Gruppen einander auf Augenhöhe begegnen und die Möglichkeit erhalten, sich mit dem Gegenüber zu identifizieren. Für Filme und andere mediale Erzählformen bedeutet das also, dass die Charaktere mehrdimensionale, ernstzunehmende Persönlichkeiten mit individuellen Eigenschaften sein müssen. Nur dann besteht die Chance auf den positiven Effekt der Kontakt-Hypothese.

Umgekehrt ist es ebenso wahrscheinlich, dass klischeehafte Darstellungen in Filmen die Vorurteile im realen Leben nur bestätigen und verfestigen. Vor allem dann, wenn den „Klischee-Schwulen“ (oder anderen LGBT) zu wenig „echte Schwule“ gegenüberstehen.

Hollywood zeigt sich in dieser Angelegenheit leider ziemlich rückständig. Während das US-Fernsehen vormacht, wie sexuelle Vielfalt und Mainstream vereinbar sind, scheinen sich die amerikanischen Filmemacher noch immer an alte Stereotypen und bewährte Charaktermodelle zu klammern. Ein Lichtblick bleibt jedoch: im Vergleich zu den beiden Vorjahren bescheinigt GLAAD den Hollywood-Studios eine leichte Verbesserung. Hoffen wir, dass sich der Trend fortsetzt.


Mehr Texte zu LGBT-Themen findet ihr übrigens auf meinem Blog "Homophobie-Phobie" .


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