Liebe und Liebenswertes im Abenteuerland der 80er

14.03.2015 - 08:50 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
Where are you taking me? You've been to this place before?Disney
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In Adventureland entdeckt der Kommentar der Woche nicht nur die 1980er mitsamt ihrer Skurrilitäten neu, er findet auch eine simple und dadurch umso schönere Geschichte vor, die die Liebe zu einem ganz eigenen Abenteuerland macht.

Im Kommentar der Woche stellen wir euch jeden Samstag einen Kommentar aus dem riesigen Abenteuerland moviepilot (und gamespilot) vor. Ob es ein Filmkommentar zum Wohlfühlen, ein Serienkommentar zum Spaßhaben, ein Gameskommentar zum Aufregen oder ein Newskommentar zum Nachdenken ist, jeder Kommentar kann Kommentar der Woche werden. Ihr müsst nur sciencefiction oder Kängufant Bescheid sagen, sollte euch so ein Kommentar auffallen!

Der Kommentar der Woche
Diese Woche nimmt uns alex023 mit in eine unaufgeregt aufregende Liebesgeschichte in einem Abenteuerland der 80er - und am Ende habt ihr mit Adventureland nicht nur dank des Soundtracks und der liebenswerten Figuren euer erstes Date für den kommenden Sommer. Versprochen!

»Hey now, hey now, don’t dream it’s over.«

Zurückgeblieben und verlassen macht sich College-Absolvent James Brennan auf die Suche nach einem Sommerjob, um sich das anstehende Studium in New York finanzieren zu können, da die Unterstützung seiner Eltern sich auf einmal in Nichts auflöst, als der Vater in eine schlechtere Position versetzt wird. Als er fast überall abgelehnt wird, heuert er im örtlichen Freizeitpark ADVENTURELAND an.
Ein Sommer in Pittsburgh. James erlebt eine überraschend aufregende Jahreszeit, die doch ganz von ihrer Unaufgeregtheit dominiert wird. Dies mag zunächst paradox klingen, ist es aber gar nicht. Regisseur und Autor Greg Mottola kreiert eine fast schon zu stille, aber stets authentisch-greifbare Atmosphäre, die alles so beiläufig erscheinen lässt, wie es möglicherweise auch ist. Immer wieder unterlegt von Lou Reeds sehnsüchtiger Stimme, fasziniert vom Anblick der blassblauen Augen der jungen Emily, bewegt sich James vom nervtötenden Alltag an den Spielbuden (Rock me Amadeus! – „Jesus Fucking Christ! They play this song like 20 times a day!“) zu unsicheren Annäherungsversuchen an die hübsche, geheimnisvolle Mitarbeiterin, die nie ihr wahres Gesicht zu zeigen scheint, und launigen Gesprächen mit einem Bilderbuchnerd, der sich über sein eigenes Studium lustig macht, einem abgehalfterten Möchtegernrockstar, dessen Probleme so klar ersichtlich vor ihm liegen wie die stets nicht funktionierenden Fahrgeschäfte des Parks, oder mit der opulent-aufregenden Parkschönheit, die selber nicht weiß, weshalb sie dies und jenes tut. James ist der Held der Menge, wenn er seine kleinen, etwas krummen Joints verteilt, erkauft sich dadurch ein wenig Sympathie; was er eigentlich gar nicht muss, da ihn irgendwann sowieso alle irgendwie mögen.

Das Drehbuch wirkt an einigen Stellen manchmal etwas hektisch oder sogar repetitiv, doch gerade die Simplizität in der linearen Narration ermöglichen es der Geschichte, ihre einfache Brisanz angenehm zu entfalten. Denn mit ganz geschickten Mitteln gelingt es hier, ursächliche Probleme eines der Lieblingsthemen der Filmwelt offen zu legen: die Liebe. Natürlich hat schon fast jeder Mensch der Welt sich selbst irgendwie ein Bild von ihr gemacht, unzählige Filme haben sich ihr angenommen, und fast immer ist sie fester Bestandteil einer Erzählung. Ein gescheiterter, alternder Musiker, der sich nie seinen Traum erfüllen konnte, und deshalb, ohne eine Ahnung zu haben, wovon er überhaupt redet, dem Rest der Welt vorgaukelt, er hätte schon mit Lou Reed gespielt, trägt die Eintönigkeit seiner Ehe nicht aus und sucht sich deshalb immerzu wieder Ablenkung in Form jüngerer Frauen. Hier findet sich die junge Emily, unschlüssig, was sie mit ihrem Leben anfangen möchte, drangsaliert durch strenge Stiefmutter und unentschlossenen Vater, geplagt vom Verlust der richtigen Mutter, die sich dem Schein des Status hingibt und die unnötige, verhängnisvolle Affäre beginnt. Doch als James, ein junger Mann mit seinen Problemen, aber mit Visionen, Ideen und Träumen (davon, als erlebender Journalist durch die Welt zu reisen und großartige Erfahrungsberichte zu schreiben), in Erscheinung tritt und nach und nach Ems Herz für sich zu gewinnen scheint, beginnt die Fassade des Unglücks zu bröckeln, sie fängt an zu realisieren, dass sie ihr Leben gegen die Wand zu fahren droht. Nur einer lernt wohl nie: es heißt „Satellite of Love“ und nicht „Shatellite of Love“, doch da nickt er nur und lächelt. „That’s what I meant.“ Natürlich war das so. Vor allem, wenn man ADVENTURELAND nicht zum ersten Mal sieht, bemitleidet man James irgendwann für seinen schier grenzenlosen Enthusiasmus, für seine Naivität, die er so offen präsentiert und mit seinen Handlungen anpreist. Jedoch muss man dann selber resümieren, dass diese Ansicht vielleicht schon im Ansatz falsch sein müsste. Denn weshalb sollte er diese Grundeinstellung nicht haben? Eigentlich spricht nämlich nichts dagegen.

Am besten funktioniert ADVENTURELAND in den Momenten, wenn wirklich gute Stücke der 80er-Musik eingespielt werden und die Figuren bloß gezeigt werden, wie sie, auf welche Weise auch immer, interagieren. Ich bin, offen gesagt, ein großer Fan dieses Musikjahrzehnts, jedoch hat irgendjemand mal zu mir gesagt: die 80er hatten die beste, aber auch die schlimmste Musik aller Zeiten. Dem kann man so zustimmen. Ebenso schlimm waren vielleicht auch noch einige Angewohnheiten wie schrille Farben und das ewige Kaugummikauen. Jedoch finden sich hier auch einige Prachtstücke der Musikgeschichte. Wenn James und Emily dem Feuerwerk beiwohnen und Crowded House „Don’t Dream It’s Over“ erklingt, fühlt man den Bombast in jeder einzelnen Faser. Ebenso wie David Bowies „Modern Love“ oder The Outfields „Your Love“ die Stimmung heben. Zusätzlich zu erwähnen sei die Sequenz, in der James, Em und Joel high Autoscooter fahren und The Cures „Just Like Heaven“ die Ohren erreicht. Hier werden wirklich schöne audiovisuelle Kompositionen getätigt, die in ihrer Einfachheit bloß schon begeistern können. Manchmal reicht so etwas dann schon vollkommen.

Eine weitere Stärke des Films sind die Dialoge, die so ruhig und beiläufig geführt werden, als wären sie nur Beiwerk, strotzen sie dabei aber von zentraler Wichtigkeit. Denn ohne diverse Gedankenspiele wären viele Dinge nie so passiert, wie sie es letztlich tun. Schließlich muss man auch noch konstatieren, dass es Mottola hier gelingt, eine Stimmung zu erzeugen, die ich weder beschreiben, noch so recht greifen kann, die sich aber allemal willkommen bei mir anfühlt und die ich gerne in anderen Filmen, auf so oder auf ähnliche Weise, erfahren würde. Es ist nicht nur die Wohlfühlatmosphäre, die Beschaulichkeit, das subtil-skurrile (so herrlich komische Verhalten) des von Bill Hader grandios dargestellten Parkleiters Bobby, diese Musik, die ganz klar aus einer vergangenen Zeit stammt – es ist dann eben das alles. ADVENTURELAND funktioniert als Gesamtpaket, wie es nicht immer jeder Film schafft, und versprüht seinen ganze eigenen Charme, der so liebenswert ist, ohne weichgespült zu sein, sondern einfach nur schön zum Anschauen. Und wenn draußen mal wieder die Sonne untergeht zum Ende des Sommers, der Horizont sich rot färbt und milde Luft durch das weit geöffnete Fenster hereinströmt, dann, ja dann, werde ich mir ADVENTURELAND wieder einmal ansehen. Einfach, weil es irgendwie schön ist. („Here I go again on my own, going down the only road I’ve ever known.“

Fazit: Greg Mottolas ADVENTURELAND ist also für all diejenigen, die auf die abgefahrene 80er-Musik stehen, auf schrille Beats und Farben, eine Menge Retrocharme und zudem die Simplizität einer Romanze, die in ganz wenigen Schritten und mit geringen Mitteln zeigt, wie kompliziert die Liebe und das Leben selbst dann doch wieder sein können. Oder sei es eben einfach denjenigen empfohlen, die sich in einer ganze bestimmten Stimmung wohlfühlen möchten.

Den Originalkommentar zum Liebhaben und Loben findet ihr übrigens hier.

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