Neo-Nazis - Die schwierigen Hauptfiguren

19.01.2012 - 08:50 Uhr
In Filmen über Neo-Nazis spielen jugendliche Gruppendynamiken oft eine wichtige Rolle.
Ascot Elite
In Filmen über Neo-Nazis spielen jugendliche Gruppendynamiken oft eine wichtige Rolle.
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Nazis und Neonazis bieten sich immer als hervorragende Gegenspieler im Film an. Aber auch Neonazi-Protagonisten gibt es. Die Inszenierung dieser hochsensitiven Figuren ist aber nicht einfach und braucht Feingefühl. Wir haben uns einige Filme zum Thema angeschaut.

In Kriegerin muss ein Mitglied einer rechtsextremen Jugendgruppe (Alina Levshin) ihr Leben überdenken, als sie zwei Asylanten anfährt und plötzlich Sympathie entwickelt. Die Abschlussarbeit von David Wnendt ist einer der wenigen deutschen Filme, die sich mit der rechtsextremen Szene auseinandersetzen. Führer Ex und Kombat Sechzehn sind zwei weitere Beispiele, die die Strukturen des Neo-Nationalsozialismus in Deutschland auseinandernehmen und Bezug nehmen auf den Identifikationsfaktor in Jugendbewegungen. Die Tragik des besonders in der Jugend sehr starken Gruppendrucks wird für den Zeitraum der Wende in Führer Ex verarbeitet und das durchaus gewollt in überzeichneten Rollenbildern, was ebenso für Kombat 16 gilt.

Deutsche Filme zum Thema Neo-Nationalsozialismus sind aber dennoch im Gegensatz zu Filmen über das Dritte Reich in einer gefährlichen Minderzahl – gerade zu Zeiten des rechtsextremen Terrorismus, vielleicht aus Verdrängung, vielleicht auch aus Mangel an Interesse. Trotzdem gibt es sie und Kriegerin wird diese Lücke etwas füllen. Neonazis sind schwierige Hauptfiguren, die auf der Leinwand ausdifferenziert werden müssen, um nicht entweder plump mit gestrecktem Zeigefinger oder glorifizierend dazustehen. Vor allem müssen sie eine Entwicklung durchmachen. Wir haben einige Filme hervorgekramt, die dieses Wagnis eingegangen sind.

Die endlosen Gewaltspiralen
Der Neonazi-Film überhaupt ist für viele American History X. Edward Norton mit Evil-Bart und einem fetten Hakenkreuz auf dem Herzen hinterlässt einen bleibenden Eindruck und das zurecht. American History X taucht tief in die Strukturen der amerikanischen Neonazi-Kultur ein und erzählt die Geschichte zweier Brüder, die die fatale Erkenntnis machen, dass sie mit ihrem Lebensstil einer Illusion erlegen sind. Der ideologische Makel wird an Derek (Edward Norton) weitergegeben, als sein stark nationalistisch orientierter Vater von einem schwarzen Drogendealer erschossen wird. Als er nach einem Doppelmord im Gefängnis einen schwarzen Freund findet, versucht er nach abgesessener Strafe seinen Bruder Daniel (Edward Furlong) aus der Szene zu befreien. Nur langsam blickt dieser hinter den ganzen Hass, der seit Jahren seine Umgebung ausmacht. American History X zeigt, wie die Fronten im auf der armen Schattenseite von Amerika durch ein ständiges Hin und Her der Gewalt erhalten werden, kommt dabei aber nicht ohne ein paar Klischees und Stereotypen aus.

Weiter noch geht der australische Film Romper Stomper mit Russell Crowe in der Rolle des manischen White Power Skinhead Hando. Doch die Gewalt ist der eigentliche Star des Films und sie brodelt unter Russel Crowes Haut. Der Boss einer Jugendgang, die die Asiaten gewaltsam aus Melbourne vertreiben will, sieht sich plötzlich mit Widerstand in den eigenen Reihen konfrontiert, als ein Neuzugang (Jacqueline McKenzie) Zweifel an der Richtigkeit der Gewalt schürt und diese in der Folge vollkommen außer Kontrolle gerät. Romper Stomper ist ein kontroverses Epos über Machtstrukturen in Jugendgangs und die Opfer die sie fordern.

Die britische Wut im Bauch
Aber auch im guten alten England wollte der Neo-Nationalsozialismus filmisch verarbeitet werden. Allen voran geht Made in Britain von Alan Clarke. Als fast schon an Alexander DeLarge aus Uhrwerk Orange erinnernder, junger Nazi-Skin mit Hakenkreuz auf der Stirn tritt uns Tim Roth verbal ins Gesicht mit reiner Opposition, für die der Neonazismus nur Maskerade ist. Als reines Wutpaket entblößt der Film die Kontroverse als Anziehungskraft des Neonazismus, die besonders für Jugendliche wichtig ist, um sich abzugrenzen. 2006 sorgte dann ein TV-Film für Erstaunen. This is England zeigte den Weg des 12-jährigen Jungen Shaun (Thomas Turgoose) in eine unpolitische Skinhead-Clique und von dort hin zu einer Gruppe Neonazis Anfang der 80er-Jahre. Shauns hartes Gesicht und sein Anblick, ein kiffender, trinkender 12-jähriger mit sexuellen Erfahrungen, waren ein Schockfaktor. Letztendlich war er aber nur ein Junge, der seinen Vater im Falklandkrieg verloren hatte. This is England zeigt, wie leicht eine eigentlich friedliche Jugendclique von Aufhetzern infiltriert werden konnte und das dies nur wenig mit Ideologie zutun hat. Der sozialwirtschaftliche Druck des Thatcher-Englands ließ für manche Jugendliche eben kein anderes Ventil.

Vielfalt für eine vernünftige Dekonstruktion
Andere Regisseure, andere Blickwinkel: Das Thema wird, je nach Geschmack und Regisseur, vollkommen anders angegangen. Die pessimistische Groteske Adams Äpfel von Anders Thomas Jensen setzt den notorischen Gutmenschen und Pfarrer Ivan (Mads Mikkelsen) gegen den unbelehrbaren und gefährlichen Neonazi Adam (Ulrich Thomsen) und zeigt damit, wie explosiv fundamentalistische Positionen egal welcher Art sein können. Zumindest in der Originalversion realisierte der Kanadier Bruce La Bruce seinen Film Skin Flick als Porno mit Gewalteinlage, womit er den sexuellen Aspekt des Führerkults hervorhob. 2009 war es in der Mockumentary Russia 88 eine für Propagandezwecke benutzte, aus Versehen ständig laufende Kamera, die die heimlich von jedem gehegten ideologischen Zweifel offenbarte und so eine nationalsozialistische Familie in eine Tragödie laufen ließ. Auch der amerikanische Film Neo Ned von Van Fischer geht in eine eher skurrilere Richtung: Ein Neo-Nazi (Jeremy Renner) verliebt sich in einer Psychiatrie in eine schwarze Frau (Gabrielle Union), die sich für die Reinkarnation von Adolf Hitler hält. Die Oberflächlichkeit der nationalsozialistischen Vorurteile wird durch eine mehr als unwahrscheinliche Liebe offenbart. All you need is love?

Auch, wenn Jugendkulturen, Gruppendruck und wirtschaftliche Verzweiflung die offensichtlichsten Faktoren sind, die zum Neo-Faschismus führen, lohnen sich wie gerade erwähnt andere Blicke auf das Thema. Nur, wenn wir von so vielen Winkeln wie möglich auf das Problem schauen, lässt es sich wirklich eingrenzen. Samthandschuhe bringen bei diesen schwierigen Figuren genauso wenig, wie Verharmlosung und übertriebene Parodie.

Welche Filme sind eurer Meinung nach besonders gut mit dem Thema umgegangen?

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