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Platon und die Welt der ewigen Ideen

19.09.2014 - 16:21 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
Sven Henriksen als Platon in der norwegischen Verfilmung des Bestsellers SOFIES WELT von 1999 unter der Regie von Erik Gustavson
Constantin Film
Sven Henriksen als Platon in der norwegischen Verfilmung des Bestsellers SOFIES WELT von 1999 unter der Regie von Erik Gustavson
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Wie kommt es eigentlich dazu, dass wir immer in allem einen Sinn, so etwas wie eine höhere Wahrheit oder Erkenntnis suchen, sobald wir ein Buch lesen, vor einem Bild verweilen, einen Film o.ä. anschauen? Da ich selbst jemand bin, der gern wissen möchte, warum wir eigentlich so sind, wie wir sind, warum wir vielleicht so denken, wie wir denken, Dinge wahrnehmen, wie wir sie wahrnehmen, schaue ich stets gern in die Zeit zurück, um dort nach Antworten zu suchen. Und wenn man diese findet, erleichtert es die Orientierung im gegenwärtigen Jetzt doch ungemein, sich auch in unserer Zeit zurecht zu finden. Angeregt durch den Artikel "Kunst oder Kitsch?" meines Moviepilotkollegen Sigmund, dachte ich mir, einen kleinen Blogartikel darüber zu verfassen, wie ich Kunst wahrnehme und verstehe. Beginnen möchte ich bei Platon, der vor allem unsere Haltung gegenüber Kunstwerken und ihre Rezeption dermaßen geprägt hat, dass man wohl schwerlich jemals hinter seine Überlegungen zurücktreten kann. Aber keine Sorge, bei Adam und Eva wollte ich eigentlich auch nicht anfangen. Ein zweiter Blogartikel wird deshalb einen gewaltigen Zeitsprung tun und zu einer Theorie kommen, die ich besonders sympathisch finde: den Konstruktivismus. Aber alles der Reihe nach...

Kennt ihr Jostein Gaarder? Vielleicht zumindest seinen bekanntesten Roman, SOFIES WELT, der 1994 mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichnet wurde und Jugendlichen einen Überblick über die europäische Philosophiegeschichte gewähren möchte. Selbstredend, dass auch Platon ein Kapitel für sich beanspruchen konnte, gehört er doch zu den Urvätern schlechthin, auf den unsere Vorstellungen von der Welt hier in unserer abendländischen Kultur maßgeblich zurückgehen und eine lange Tradition gebildet hat. In einer Videobotschaft stellt Platon Sofie die Aufgabe, zu überlegen, warum ein Bäcker fünfzig völlig gleiche Kuchen backen kann und warum alle Pferde gleich sind, also jedes Pferd die Form eines Pferdes hat und nicht etwa die eines Zwischendings aus Pferd und Schwein. Gaarder versucht hier Platons Ideenlehre einzuführen, für die der Grieche zusammen mit seinem Höhlengleichnis so bekannt geworden ist und auch unsere Erkenntnistheorie über viele Generationen hinweg prägte. Dieses Gleichnis erzählt, dass wir Menschen in einer Höhle leben und alles um uns herum nur als Schatten wahrnehmen, doch irgendetwas muss diese Schatten erzeugen. Ein Feuer außerhalb, dessen Schein in diese Höhle fällt und ... Formen, die sich außerhalb der Höhle befinden müssen, aber die Menschen sehen von Natur aus nur diese Schatten, welche Abbilder der Formen außerhalb der Höhle sind. Dieses Gleichnis fasst Platons Ideenlehre schon ganz gut zusammen, denn wir Menschen, die wir in dieser Höhle hier auf der Erde leben, nehmen lediglich die Schatten wahr von Formen, welche Platon ins Metaphysische zurückführt - und diese Formen sind die ewigen Ideen, in ihnen ruhen die Erkenntnismöglichkeiten aller Dinge hier auf Erden, sie sind die ewigen Wahrheiten und die Vorstellung von ihrer Ewigkeit verbürgt auch gleichzeitig ihre Erkenntnisfähigkeit und Zuverlässigkeit. Philosophen sind bei Platon jene Menschen, die sich von den Schatten/Abbildern abwenden und sich auf die Suche begeben, ihre ewige Form und somit Idee zu finden.

Die Ausführung der Ideenlehre ist deswegen notwendig, weil sie auch Platons Kunstverständnis - und nicht nur seins - prägte, wobei erwähnt werden muss, dass bis heute keine systematische Ausarbeitung des Griechen zum Kunstbegriff bekannt ist und seine Beziehung zur darstellenden Kunst ziemlich ambivalent zu sein scheint. Einzelne Passagen, in denen Platon über sie nachdenkt, findet man vornehmlich in seiner 'Politeia' und im 'Phaidon'.

Kunst ist im Sinne Platons - und wie man gleich sehen wird, ist diese für uns heute nichts Neues, weil unsere Vorstellung von ihr auf ihn zurückgeht - sogenannte Mimesis, d.h. Nachahmung. Am Anfang war die Idee, der ein Gott eine ewige Form gegeben hat. Der Handwerker schafft eine Form nach dieser ewigen Idee, der Künstler wie z.B. der Maler malt wiederum die Form dieser Idee. Er erstellt somit eine Kopie von der Kopie der ewigen Idee. Diese hat für Platon keinen besonderen Wert. Er appeliert vielmehr daran, dass Kunst etwas Göttliches sein müsse, die die ewige Idee aufdeckt. Das heißt, wenn ein Maler etwas malt, erstellt er nicht wieder ein schnödes Abbild eines Abbildes, indem er einfach nur das kopiert, was er vor Augen hat, sondern er interpretiert das, was er sieht. Und in seiner Interpretation findet sich nicht mehr das Abbild eines Abbbildes, sondern das Abbild einer ewigen Idee selbst. Das ist die Kunst, die Platon wertschätzt und sogar in die Sphäre des Göttlichen selbst erhebt. So liegt es auch übrigens nahe, dass ein Künstler allerdings auch nicht aus sich selbst heraus etwas schafft, sondern den Kuss einer Muse bedarf, um ein wahres Kunstwerk zu schaffen, welches ebenso alle Zeiten überdauert wie die ewigen Ideen selbst.

Allein schon an dem reichen Kunstschatz der Antike, der die Zeiten überdauert hat und uns heute noch bekannt und tlw. sogar noch immer verfügbar ist, ist bereits abzulesen, dass sich diese Vorstellung von Kunst über viele Jahrzehnte hinweg gehalten hat. Und wenn wir heute ein Kunstwerk betrachten, völlig egal, ob wir ein Buch lesen, vor einem Bild verweilen oder einen Film anschauen, dem wir das Kunstsein unterstellen, scheint es uns auch heute noch völlig normal, in diesen Schöpfungen einen höheren Sinn bzw. eine höhere, allgemeingültige oder universelle Wahrheit zu suchen, der/die in ihnen ruht oder auf den die Kunst verweist. Ohne zu hinterfragen begegnen wir ihr mit dieser Rezeptionshaltung in absoluter Selbstverständlichkeit, spannend finde ich dennoch zu sehen, dass diese Auffassung keineswegs etwas Angeborenes oder dergleichen ist, sondern tatsächlich auf einen der ganz großen Denker der Antike zurückgeht und deswegen mit Fug und Recht auch hinterfragt werden könnte. Und tatsächlich haben sich in der Moderne einige Probleme aufgetan, sodass bei aller Wertschätzung Platons seine Lehre von den ewigen Ideen nicht mehr völlig problemlos ist. Mehr dazu im nächsten Artikel.

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