Project Power: Der Netflix-Film läuft nur für 5 Minuten zu Höchstleistung auf

22.08.2020 - 09:30 UhrVor 3 Jahren aktualisiert
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Project Power protzt mit dem Superkräfte-als-Drogen-Konzept. Doch der Netflix-Film zeigt eigentlich nur in der großen Präsentations-Szene, was noch möglich gewesen wäre.

Nach The Old Guard ist Project Power ein weiterer Netflix-Film, der dem Superhelden-Genre einen abwechslungsreichen Dreh verleiht. Oder es zumindest versucht. Während die Figuren mit den Power-Pillen ihr "wahres Potenzial" erwecken, gelingt dem Film das auch nur für etwa fünf Minuten.

Was auf dem Papier Berührungspunkte mit dem derzeit populärsten Hollywood-Genre, der Drogenkrise in den USA und der traumatischen Geschichte einer ikonischen Stadt hergibt, bleibt im Film unterentwickelt.

Selbst als pulpiger Thriller enttäuscht Project Power im Vergleich zu Nerve, dem bisher besten Film der Regisseure Ariel Schulman und Henry Joost. Das Netflix-Projekt deutet nur in einer Sequenz an, wie wild und einfallsreich das Pillen-Popper- und -Fighter-Konzept hätte sein können. Gemeint ist die eisige Präsentation vor den Kunden von Teleios.

Project Power: Die eisige Überraschung im Keller

Wir machen uns nach knapp einer Stunde Laufzeit mit Art (Jamie Foxx) und Robin (Dominique Fishback) auf dem Weg zu einer geheimen Präsentation von Teleios. Die Firma entwickelte einst die Droge Power und experimentierte dafür an Soldaten wie Art herum.

Schaut euch den Trailer für Project Power an:

Project Power - Trailer (Deutsch) HD
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Nun sind die Experimente nicht mehr legal. Teleios strebt trotzdem nach Größerem. Für weitere Tests brachte Biggie (Rodrigo Santoro) die Droge in New Orleans in Umlauf und hielt die Super-Junkies unter Beobachtung. Jetzt sucht er Investoren.

Ein Konzern à la Apple oder Facebook ist sein Vorbild, doch jede Firma fängt mal klein an. Statt in einer Garage stellt er seinen "Business-Plan" in einem geheimen Club vor. Wo andere mit PowerPoint-Präsentationen und Simpsons-Gifs punkten, wählt Biggie eine Live-Demonstration zur Kontrolle der überwältigenden Kräfte, welche die Power-Pillen entfachen.

Project Power

Dank seiner Durchsetzungskraft wird Art Zeuge der Präsentation. Er sieht, wie Candy (!) (Jazzy De Lisser), Freundin von Moto (!!) (Casey Neistat (!!!)), im Versuchskasten von Teleios eine Pille poppt. Zunächst lässt sich die wachsende Kälte in ihrem Inneren regulieren.

Wild, originell und gruselig eskaliert die Project Power-Szene

Vielversprechend beginnt die Sequenz, als Jamie Foxx' No-Nonsense-Dad einen Handlanger auf einer mit Vodka gefüllten Eisskulptur aufspießt. Verschmitzt folgt die Kamera dem Blutstrom auf dem Weg zum nächsten Glas.

Das Drehbuch von The Batman-Ko-Autor Mattson Tomlin lässt im restlichen Film Platz für tiefere Gefühlsregungen. An dieser Stelle aber wird unübersehbar das reinste Spektakel angekündigt. Innerhalb von fünf Power-Minuten zwischen Pille und Eis-Tod veranstalten Art und die Gäste ein Blutbad in dem Club.

Viel zu selten kostet Project Power das chaotische Potenzial der Drogen ästhetisch aus. Wenn ein Maskierter cool eine Pille einwirft und prompt explodiert, können wir es immerhin erahnen. Er gibt unfreiwillig den Startschuss der Schießerei, die nach konventionellen Anfängen audiovisuell an Kreativität gewinnt.

Project Power

Da klemmt die Kamera auf dem Lauf von Jamie Foxx' Pistole, bevor sie sich in Candys Eispalast verschanzt. Dumpf klingen die Schüsse auf einmal. Gesichter prallen am Glas ab. Ohne sichtbaren Schnitt sucht die Kamera Kontakt zur Außenwelt. Dort wird blind geballert und gekillt.

Candys verzerrtes Spiegelbild gleitet über das rundliche Glas, bevor sie wieder um Hilfe schreiend vor die Kamera taumelt. Was ihr an Charakter fehlt, ersetzt der intensive Körperhorror abbrechender Finger und kristallisierender Augen.

Die elektronischen Impulse eines Tasers surren kurz auf der Tonspur. Es bleibt das erschöpfende Schnaufen von Jamie Foxx' Art, der Tod und Verwüstung im Club betrachtet.

Netflix-Film: 5 Minuten Power in Project Power

Diese paar Minuten konzentrieren das, was Henry Schulman und Ariel Joost am besten können. Die beiden Regisseure mit Paranormal Activity-Hintergrund schreiben sich seit ihrem Catfish-Durchbruch einen Riecher für Internet- und Jugendkultur auf die Fahnen. Was in ihrem Fall weniger zu profunden Erkenntnissen und eher zu rasanten Genre-Trips führt.

Project Power

Im Online-Game-Thriller Nerve mit Emma Roberts und Dave Franco gelang ihnen das bisher am überzeugendsten. Darin suggerieren die Filmemacher über 90 Minuten wirkungsvoll und stimmig den Thrill jugendlicher Grenzüberschreitungen.

Die Filme von "Henry & Rel" geben einem bisweilen das Gefühl einer spektakulären, kontrollierten Entgleisung. Was auch an ihrer manchmal freidrehenden Inszenierung liegt. Als wären sie die kleinen, etwas weniger verrückten Brüder von Mark Neveldine und Brian Taylor (Crank), stürzen sie sich kopfüber in fixe Filmideen.

Die Idee von Project Power bringt dafür reichlich Adrenalin mit und mit einem verbrennenden Machine Gun Kelly im ersten Drittel wecken die Filmemacher auch die Hoffnung. Doch leider bildet der Club-Shootout bereits den kreative Höhepunkt. Auf die nächste filmische Power-Pille wartet man in den folgenden 45 Minuten vergebens.

Podcast für Netflix-Abonnenten: Warum sich Brooklyn Nine-Nine ändern muss

Mit meiner Kollegin Andrea Wöger diskutiere ich im Moviepilot-Podcast Streamgestöber, was Brooklyn Nine-Nine zu einer großartigen Serie macht und warum sie sich in der kommenden, 8. Staffel mit den Problemen der US-Polizei auseinandersetzen muss:

Die beliebten Polizei-Comedyserie zeigt uns die Welt aus der Sicht von durch und durch guten Polizistinnen und Polizisten. Die derzeitige Debatte um die US-Polizei macht jedoch klar, dass sich die Serie genau deshalb ändern muss. Das sagen auch die Macher.

Was haltet ihr von Project Power?

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