Wenn Menschen in Tränen ausbrechen und man nur mit einem müden Schulterzucken reagieren kann, ist das peinlich. Auch auf der Leinwand: Gareth Edwards hat mit Jurassic World 4: Die Wiedergeburt zwar ein sehr unterhaltsames Action-Abenteuer geschaffen, aber die Tragik von Figuren wie Zora Bennett (Scarlett Johansson) lässt mich völlig kalt. Dabei war genau dieser Aspekt einer der Höhepunkte in Steven Spielbergs Jurassic Park.
Scarlett Johanssons tragische Figur vergießt ihre Tränen umsonst
Es ist nicht so, als wären Edwards die Emotionen seiner Figuren egal: Er bemüht sich um Szenen, in denen Bennett oder Duncan (Mahershala Ali) ihre psychischen Schmerzen nach außen kehren. Sie sind Kampfgefährten seit Jahren und leiden unter der Isolation ihres Söldnerdaseins. Bennett etwa gesteht ihrem Begleiter Loomis (Jonathan Bailey) in einer ruhigen Minuten das Trauma ihrer letzten Mission, bei der sie einen Mitstreiter durch eine Autobombe verloren hat.
Schaut hier den Trailer zu Jurassic World 4:
Ihr fließen Tränen über die Wangen, während sie den Vorfall erzählt. Loomis, ein Paläontologe mit archivarischem Eifer, tröstet sie, so gut er kann. Auf Trauer folgt Galgenhumor und schließlich vorsichtiger Optimismus für die anstehende Mission.
Eine ähnliche Szene spielt sich zuvor zwischen Bennett und ihrem Söldnerfreund Duncan ab. Sie berichtet von dem Zwischenfall mit der Autobombe, er vom Zusammenbruch seiner Ehe, die dem Verlust des gemeinsamen Kindes nicht standhalten konnte. In beiden Momenten gibt es ein massives Problem.
Bennett und Duncan sprechen ihre Tragik aus, statt sie zu zeigen. Die gesamte Trauer, die klaffende psychische Wunde der beiden einsamen Kämpfer, entfesselt sich in Worten statt Taten. Ihre Einsamkeit ist so plakativ wie ein Straßenschild. Aber zu keinem Zeitpunkt zeigt Edwards mir die Folgen ihrer seelischen Qualen.
Bennett könnte sich schroff und brutal zeigen, um der weiteren Verletzung ihres offenen Herzens zuvorzukommen. Duncan könnte eine Ersatztochter in der jungen Isabella (Audrina Miranda) suchen. Gemeinsam mit Isabellas Vater Reuben (Manuel Garcia-Rulfo), einer ebenfalls sehr protektiven Mannesgestalt, könnte er lernen, die Vergangenheit hinter sich zu lassen.
Vielleicht sind solche Forderungen an Edwards etwas dreist, immerhin stand das Drehbuch bei seiner Einstellung schon größtenteils fest, wie er im Moviepilot-Interview erklärte. Ob die Mängel auch Autor und Franchise-Veteran David Koepp zuzurechnen sind, sei dahingestellt. Aber so, wie sie jetzt stehen, sind die emotionalen Szenen ein Problem. Sie behaupten, statt zu zeigen. Sie verlangen emotionale Reaktionen, denen sie nicht gerecht werden können. Scarlett Johanssons Tränen langweilen mich.
Steven Spielberg hatte in Jurassic Park eine viel bessere Lösung
Die inneren Probleme aus Spielbergs erstem Jurassic Park sind dagegen hochinteressant. Und zwar nicht, weil sie schwerwiegender wären: Dr. Alan Grant (Sam Neill) und Ellie Sattler (Laura Dern) haben keine Kameraden bei einer Explosion verloren. Aber ihre Beziehung hat dennoch ein tragisches Problem: Sie möchte Kinder, er verachtet sie.
Dieser grundlegende Konflikt zwischen den beiden wird aber nicht, wie in Jurassic World 4, in Form von gegenseitigen, wortreichen Plädoyers ausgetragen. Stattdessen zeigt Spielberg die Einstellung Grants in Handlungen. Er lässt ihn einem vorlauten Jungen blutrünstige Raptorengeschichten erzählen – er verstört das quengelnde Kind aus reiner Wut.
Anders als Zora Bennet oder Duncan entwickelt sich Grant aber auch: Mit jedem Schritt durch die Gefahren des Jurassic Park lernt er seine jungen Begleiter:innen Lex (Joseph Mazzello) und Tim (Ariana Richards) mehr zu schätzen. Er lässt sie an seinem Wissen teilhaben, scherzt mit ihnen und riskiert sein Leben, um sie zu schützen. In der letzten Szene hält er ihre schlafenden Körper in seinen Armen, während ein Helikopter sie in Sicherheit bringt. Es ist ihm nicht länger zuwider, eine Familie mit Ellie zu gründen.
Von einer solchen Demonstration von Gefühlen hätte Jurassic World stark profitieren können. Es ist nicht so, dass Zora Bennet, Dr. Loomis oder Duncan Kincaid keinen Charme hätten – Scarlett Johansson und Co. tun ihr Möglichstes – aber unser Verständnis für die Figuren stagniert an einer federleichten Oberfläche.
Könnten sie ihre Gefühle zeigen, statt sie nur formulieren, wären aus den Jurassic World 4-Held:innen vielleicht Ikonen geworden wie Alan Grant oder Ellie Sattler, deren Nachfolger:innen ihnen auch 32 Jahre später nicht das Wasser reichen können.