Terry Gilliams chaotischer Don Quixote lässt Kritiker verzweifeln

27.09.2018 - 09:00 UhrVor 5 Jahren aktualisiert
The Man Who Killed Don QuixoteConcorde
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Nach vielen Jahren in der Produktionshölle schafft es Terry Gilliams Herzensprojekt The Man Who Killed Don Quixote diese Woche endlich in die Kinos. Wir tragen die Meinungen der Kritiker zusammen.

Über 25 Jahre lang arbeitete Kultregisseur Terry Gilliam unermüdlich an seiner Leinwand-Adaption des Roman Don Quijote von Miguel de Cervantes y Saavedra und trotze dabei beinahe jedem erdenklichen Hindernis. Nach zahlreichen gescheiterten Anläufen, während denen sich das Darstellerkarussell munter drehte, gelang es ihm erst jetzt, seinen The Man Who Killed Don Quixote fertigzustellen - nachdem ursprünglich Jean Rochefort und Johnny Depp für die beiden Hauptrollen vorgesehen waren, standen schließlich Jonathan Pryce und Adam Driver vor der Kamera. Als Schuhmacher beziehungsweise Werberegisseur erleben die beiden im Film ein Abenteuer inklusive Zeitreisen und können Träume und Realität bald nicht mehr voneinander unterscheiden. Dabei beginnt alles damit, dass der von Pryce verkörperte Titelheld Drivers Toby für seinen Knappen Sancho Panza hält.

Seine Premiere feierte The Man Who Killed Don Quixote bei den diesjährigen Filmfestspielen von Cannes, nun kommt Terry Gilliams neuestes Werk endlich auch in den deutschen Kinos an. Bevor wir einen Blick auf die Kritikerstimmen werfen, versorgen wir euch zunächst mit den Zahlen zum Film:

Die harten Fakten zu The Man Who Killed Don Quixote

  • 38 Community-Bewertungen mit einem Durchschnitt von 6,3
  • 13 Kritikerbewertungen mit einem Durchschnitt von 5,6
  • 1 x Lieblingsfilm und 0 x Hassfilm
  • 489 haben sich den Film vorgemerkt, 4 sind nicht interessiert
The Man Who Killed Don Quixote mit Adam Driver

Das sagen die englischsprachigen Kritiker zu The Man Who Killed Don Quixote

Peter Debruge von Variety  meint: Die lange Produktionszeit hat The Man Who Killed Don Quixote nicht gutgetan:

Früh im Film warnt einer von Tobys Gefolgsleuten davor, dass wir 'werden woran wir festhalten' - eine Zeile, die sich als Geständnis von Gilliam in Bezug auf den Hauptcharakter deuten lässt, zu dem der Regisseur eine Verwandtschaft fühlt. Das Resultat mutet jedoch an wie der Beweis, dass jemand zu lange von Don Quixote besessen war und letztlich vergaß, was ihn ursprünglich an der Geschichte reizte.

Der Time Out -Autor Joseph Walsh freut sich über einen klassischen Terry Gilliam-Film, der aber nicht die Qualität seiner Vorgänger erreiche:

Das hier ist ein Film über Filme in einem Film, erzählt auf eine spaßig-chaotische Art und Weise mit Monty Python-typischem Wahnsinn. Obwohl nicht immer alles ineinandergreift, unterhält der Film - er weist alle Kennzeichen von Gilliams vergnüglich bekloppten Projekten wie 'Die Abenteuer des Baron Münchhausen' auf und ahmt die Themen von 'König der Fischer' nach. [...] ' Quixote' erinnert uns an das romantische Ideal, wonach die Welt Träumer braucht, die Konventionen trotzen. Gilliams Meisterwerk ist er aber auf keinen Fall.

Robbie Collin ergreift beim Telegraph  ebenfalls Partei für den erzählerisch konfusen Don Quixote:

Auch, wenn der Film wie ein weitschweifiges, aufwändiges Chaos wirkt, ist eben dies oft beabsichtigt - und als Ausgleich für alles, das sich nicht in den Film einfügt, stimmt dieses Element des Selbstportraits - mit dem Künstler als Antrieb - einen durchschlagenden wehmütigen Akkord an. [...] Driver und Pryce stürzen sich auf alles mit schillernder Entschlossenheit, genau wie Gilliam alles hineinwirft, was er hat. Etwa 50 Prozent davon bleibt haften - und so zu tun, als sei der Film gelungener als die wirklich großen Werke des Regisseurs wie nicht zuletzt Brazil, wird diesen nicht gerecht. Aber nach allem, was Quixote durchgestanden hat, sind 50 Prozent absolut genug.

Jonathan Pryce in The Man Who Killed Don Quixote

Das sagen die deutschsprachigen Kritiker zu The Man Who Killed Don Quixote

Nicolas Freund schreibt für die Süddeutsche Zeitung  und ist fasziniert von der Vielschichtigkeit des Films:

So geht es nun in dem fertigen Film, wie in der Wirklichkeit, auch um ein Scheitern des Erzählens. [...] Gegenwart, Vergangenheit, Film und Wirklichkeit vermischen sich, manchmal meint man in der verwirrten Panik, mit der Adam Driver Toby spielt, das typische Gehaspel von Johnny Depp zu erkennen. Der Film hat in diesen sanften Bezügen auf die Romanvorlage und die eigene gescheiterte Version selbst eine zweite Ebene. Man könnte dem Film eine kitschige Moral wie 'Lebe deinen Traum!' unterstellen. Oder, noch flacher, eine Huldigung an die Macht der Fiktion. Ganz unrecht täte man ihm nicht. Aber dann ist es doch lohnend, einmal die Perspektive zu wechseln, auch wenn man dabei nur eine Illusion gegen eine andere tauscht, und scheinbar nicht zu vereinbarende Weltanschauungen aufeinanderprallen lässt.

Für Andreas Busche vom Tagesspiegel  ist The Man Who Killed Don Quixote trotz seiner Fertigstellung ein gescheitertes Projekt:

Man sieht 'The Man who killed Don Quixote' seine Budgetbeschränkungen in fast jeder Szene an – leider mangelt es seinem Regisseur aber auch an der kindlichen Fantasie von 'Time Bandits' oder einem Gespür für die bedrohlichen Schwundzustände zwischen Realität und Delirium wie in 'Twelve Monkeys'. [...] Adam Driver müht sich redlich mit dem unausgegorenen Skript von Gilliam und seinem Autor Tony Grisoni. [...] Der Humor ist zum Fremdschämen. Gilliam ist nicht naiv, ihm ist klar, dass sein 'Don Quijote' nicht der Film geworden ist, den er sich über 25 Jahre erträumte. Er sieht wahrscheinlich den Film, den er vor seinem inneren Auge gedreht hat. Die 'Windmills of Your Mind', wie es in dem Song von Michel Legrand heißt, sind stärker als die Realität.

Der Autor des DPA-Artikels beim Stern  findet den neuen Gilliam-Streifen enorm anstrengend:

Klar, dass das Ergebnis nun besonders kritisch beäugt wird; klar dass die Erwartungen an Gilliams' Opus Magnum unerreichbar hoch sind. Dass der Film eine derartige Enttäuschung geworden ist, überrascht dennoch. [...] Es ist auch eine Abrechnung mit dem Kommerz des Filmgeschäftes. Eine schöne Idee eigentlich - und märchenhaft erzählt. Doch kommt sie in Gilliams Film so verschwurbelt und unnachvollziehbar daher, dass seine mehr als zwei Stunden nur schwer zu ertragen sind. Die Szenen zwischen noch halbwegs nachvollziehbaren Beginn und zumindest ästhetisch beeindruckendem Showdown wirken streckenweise völlig willkürlich aneinandergereiht - fast so, als sei es Gilliam einfach nur darum gegangen, den Film endlich fertigzustellen, ihn endlich hinter sich zu lassen. Eine Irrfahrt durch ein Labyrinth von Ideen und Assoziationen, die kaum zu durchdringen sind.

The Man Who Killed Don Quixote

Kritiker-Fazit zu The Man Who Killed Don Quixote

Aufgrund seiner turbulenten Entstehungsgeschichte bewerten viele Kritiker The Man Who Killed Don Quixote wohlwollend - kaum einer von ihnen leugnet indes das erzählerische Chaos, das Terry Gilliam dem Zuschauer hier vorsetzt. Es empfiehlt sich, mit der Handschrift des Regisseurs aus früheren Filmen etwas anfangen zu können oder zumindest vertraut zu sein, gleichwohl sein neues Leinwandabenteuer andererseits nicht ansatzweise an Klassiker wie Brazil heranreicht. Letztlich sind der Produktion all jene Schwierigkeiten, mit denen sie über Jahrzehnte zu kämpfen hatte, im negativen Sinne deutlich anzumerken.

Werdet ihr euch The Man Who Killed Don Quixote im Kino anschauen?

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