Wir schauen Daredevil - Staffel 1, Folge 13

27.05.2015 - 09:00 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
Daredevil
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Daredevil
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Nach einer weitestgehend starken Staffel ist ausgerechnet das Finale von Daredevil eine herbe Enttäuschung und die mit Abstand schwächste Episode.

Es ist kein Geheimnis, dass der aktuelle Showrunner Steven S. DeKnight nicht für die zweite Staffel von Marvel's Daredevil zurückkehren wird und spätestens nach dieser Episode, die leider auch noch das Finale ist, dürfte klar sein, warum das so ist. DeKnight hat sich schon bei dem Drehbuch zu der Kingpin-Origins Episode Shadows in the Glass nicht mit Ruhm bekleckert; in Daredevil führt er erstmals auch selber Regie. Das Ergebnis ist leider die schwächste Episode einer überaus soliden Staffel, was nicht nur daran liegt, dass Matt (Charlie Cox) in seinem neuen Kostüm richtig scheiße aussieht.

Das größte Problem an diesem Staffelfinale ist, dass es sich anfühlt, als wurde es vier Stunden vor Abgabe geschrieben. Der Reiz, der von Daredevil vor allem in der ersten Hälfte der Staffel ausging, hatte nicht zuletzt damit zu tun, dass es sich eben nicht wie eine Comicverfilmung anfühlte, sondern wie knallharter, bodenständiger Action-noir im Marvel Universum. Das Finale hingegen verabschiedet sich von allen wertvollen Nuancen, die beispielsweise Wilson Fisk (Vincent D'Onofrio) bekommen hat und setzt ihn stattdessen auf die lange Liste der profillosen Superschurken, die im Truck sitzen und ihren zwei Aufpassern erzählen, dass sie die personifizierte Bosheit sind. DeKnight profitiert davon, dass es D'Onofrio ist, der diese platte Parabel vorträgt, denn der hat die große Gabe, jeden noch so uninspirierten Satz gut und ansprechend klingen zu lassen. Passend dazu wird auch Matt in seinem Kostüm zu genau dem Fließband-Superhelden, den die Autoren stets so tapfer vermieden haben. Selbst sein Konflikt, die Gewalt seines Nachtlebens mit seinem Glauben zu vereinbaren, wird hier plötzlich denkbar gezwungen verbalisiert ("If you go after him in the mask again, he might kill you. Or you might kill him, which would probably have the same effect on someone who is as catholic as you are"). In der Hinsicht war die Serie noch nie besonders subtil und genau das macht dieses Gespräch zwischen Foggy (Elden Henson) und Matt in der Boxhalle so ärgerlich.

Diese radikale Simplifizierung der wichtigsten Charaktere wäre sicherlich noch zu verkraften gewesen, wenn nicht der gesamte Plot lauthals Ideenlosigkeit schreien würde. Alles was es braucht, um Fisks so sorgfältig, gründlich und effektiv aufgebautes Imperium zu Fall zu bringen, ist also ein Deus ex machina-Bulle, der eine Aussage macht. Wie aus dem Nichts wird hier innerhalb von fünf Minuten mal eben das fix abgewickelt, was unser Held seit zwölf Episoden versucht. Natürlich bekommt Matt trotzdem noch seinen ganz persönlichen Showdown mit Fisk, doch selbst der fällt (aus Sicht des Drehbuchs) überraschend unbefriedigend aus. Fisk wurde uns zwar des öfteren als Enthusiast von roher Gewalt präsentiert, doch niemals als ein wirklich ernstzunehmender Kämpfer, geschweige denn als solch einer, der es mit einem fitten Matt Murdock aufnehmen könnte. Trotzdem gab es scheinbar keine bessere Idee, als ihm einen finalen Faustkampf in einer Seitengasse zu spendieren, was in ihrer Banalität diesem Charakter schlichtweg unwürdig ist.

Erinnert sich noch jemand an diese brillant choreographierten und inszenierten Kämpfe aus den ersten beiden Episoden? Was ist aus denen eigentlich geworden? Steven S. DeKnight tut sich mit Action ganz offensichtlich schwer, denn in Daredevil ist davon nicht mehr viel zu spüren. Stattdessen sind die Kämpfe unübersichtlich und hektisch zerschnitten, sodass nicht nur der finale Kampf ziemlich viel Energie verliert. Es ist ein unheimlich fades letztes Aufeinandertreffen zwischen Matt und Fisk, das immerhin einen Abschluss mit ordentlich Flavour bekommt: Matt springt in Zeitlupe und mit ausgestreckten Beinen und Armen auf Fisk zu und gibt ihm die ultimative Faust ins Gesicht. Keine Ahnung, in wessen Vorstellung das ein cooler Moment war, aber immerhin hat es Charakter. DeKnight scheint sich seinen inszenatorischen Schwächen bewusst zu sein und entschließt sich als Gegenmaßnahme einfach mal dazu, Kämpfe überhaupt nicht zu zeigen. Ich bin immer offen für kreative Wege, Action in Szene zu setzen, doch bei der Rettung von Detective Hoffman (Daryl Edwards) nur mit Sound zu arbeiten, hat sich nach blanker Faulheit angefühlt.

Das klingt jetzt alles ziemlich negativ und ist auch so gemeint, doch dieses Staffelfinale hat auch durchaus seine guten Seiten: Wir bekommen mehr von Matt, Karen (Deborah Ann Woll) und Foggy als Team zu sehen. Die drei haben eine tolle Chemie gemeinsam, was es umso ärgerlicher macht, dass Fisk letzten Endes von ganz anderer Seite geschlagen wurde und nicht direkt aus dem Büro von Nelson & Murdock. Das ist etwas, woran hoffentlich in der nächsten Staffel gedacht wird, denn da gibt es noch genug Luft nach oben. Vielleicht wird Karen dann ja sogar mal in die Wahrheit um Matts Identität eingeweiht.

Mit Hinblick darauf, dass es eine zweite Staffel geben wird, könnte Daredevil letzten Endes bloß als überstürzter Ausrutscher dastehen. Diese eintönigen Charakterisierungen und langweiligen Kämpfe werden wohl kaum die Richtung sein, die die Produzenten für die nächste Staffel einschlagen wollen. Falls doch, wäre es sehr schade, aber hoffen wir mal, dass sie einfach zu der Balance aus düsterer Realität und comichafter Fantasy zurückfinden.

"It means that I'm not a samaritan. That I'm not a priest. But that I am the ill intent."

Notizen am Rande:

- Aus der Abteilung Vincent-D'Onofrio-rettet-peinliche-Zeilen: "If anyone tries to follow - on the ground or in the air! - take them out!"

- Als Hoffman seinen Partner umbrachte, gelangte er unter dem Vorwand ins Krankenhaus, ihm ein Fleischbällchen-Sandwich bringen zu wollen. Hier bekommt er eins, bevor der Trupp einmarschiert und all seine Bodyguards tötet. Die Orangen des Paten sind also quasi die Fleischbällchen-Sandwiches von Daredevil.

- Schade, dass der Abschluss so negativ ausfallen musste, weshalb es abschließend einen Pluspunkt gibt: Fisk starrt jetzt wieder weiße Wände an. Schöne Szene.

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