Ziemlich beste Freunde, ziemlich großer Mist

26.09.2012 - 08:50 UhrVor 4 Jahren aktualisiert
Ziemlich beste Freunde
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Ziemlich beste Freunde
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Jeder hat ihn gesehen, jeder hat ihn geliebt. Ziemlich beste Freunde erzählt von der Freundschaft eines querschnittsgelähmten Millionärs zu einem lebenslustigen Arbeitslosen. Ein Schwachsinnsmanifest zwischen Onkel Tom und Wohlfühlalbtraum.

Zugegeben: Wenn ein Film so viel Erfolg hat wie Ziemlich beste Freunde, wenn Hinz und Kunz drei, vier, fünf Mal ins Kino rennen und selbst Oma Gertrud und Tante Ursula ihn gesehen haben, ist die Skepsis groß. Ich hatte mich lange um den erfolgreichsten Film des Jahres gedrückt. Weil mir die auf großen Plakaten angrinsenden Visagen und überschäumenden Kritiken jegliche Lust am Film nahmen, mich irgendwann sogar derart nervten, dass ich beschlossen hatte, ihn gar nicht sehen zu wollen. Wäre da nicht die Neugier auf das, was nahezu neun Millionen Zuschauer allein hierzulande in einen Rausch der Entzückung versetzte.

Schließlich fühlte ich mich verpflichtet, den Film endlich zu sehen, vielleicht aus masochistischer Lust. Jetzt also, da Ziemlich beste Freunde auf DVD und Blu-ray erschienen und die anfängliche Aversion überstanden ist, kann ich reinen Herzens und allerbesten Gewissens sagen: Es ist der bekloppteste, ärgerlichste und saudümmste Film des Kinojahres. Und dass Hinz und Kunz, Oma Gertrud und Tante Urusula diesem Schwachsinnsmanifest auf den Leim gegangen sind, gibt Anlass zu größter Sorge.

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Zunächst wurde deutlich, warum dieser Film sich um gewisse Prädikate verdient gemacht hat, warum er "das Herz am rechten Fleck" habe oder "Gute-Laune-Kino zum Nachdenken" sei. Ziemlich beste Freunde ist ein Musterbeispiel grauenhafter Feel-Good-Movies – konzipiert als Film, der wirklich niemandem etwas Böses will, es gut meint mit allem und jedem. Seine profanen Zutaten sind durchzuschmecken selbst für Gelegenheitsfilmeschauer. Die seichte Komik, das Quäntchen Rührseligkeit und jene soziale Relevanz natürlich, die sich wirklichkeitsnah schimpft ("nach einer wahren Begebenheit").

Doch selbst im Kontext seiner Button-Pusher-Struktur betrachtet, ist Ziemlich beste Freunde erstaunlich fad und schnarchig. Zu gebrauchen nicht einmal als banale Unterhaltung. Wer schon zwei Stunden lang grundblöden Schmalz aufgeschmiert bekommt, sollte sich am Ende wenigstens übergesättigt fühlen. Das haben The Help und Blind Side – Die große Chance besser hinbekommen. Wo doch Ziemlich beste Freunde ebenso maßlos rassistisch und dümmlich ist.

Stichwort Rassismus. Der Film hat die vorgeblich wahre Geschichte gezielt angepasst, nämlich den algerischen durch einen schwarzen Pfleger aus den Banlieues ersetzt. Die Regisseure Olivier Nakache und Eric Toledano machen sich das perfide zunutze. Sie bringen die Geschichte auf Onkel-Tom-Niveau und lassen den schwarzen Driss in einer Reinkarnation des Kino-"Bimbos" als ständig hampelndes Äffchen durch den Film zucken, das erst mithilfe der bildungsbürgerlichen Kultiviertheit eines querschnittsgelähmten Millionärs wieder auf den rechten Weg findet.

Der vor Klischees triefende Background der Figur – Ghetto, Drogen, Armut – scheint ihn offenbar für eine bestimmte Art von lebensnahem Nonsensverhalten zu empfehlen, weil der, der nichts hat, ja auch nichts zu verlieren habe. Also eröffnet er dem behinderten Philippe die wunderbare Welt des Marihuanas, tänzelt sich zu feschem Boogie Woogie durchs prunkvolle Anwesen (welch "wundervoller" Kontrast zum regnerischen Plattenbau, dem er entkam) und muss schlussendlich sogar mit Präsident Obama verglichen werden – weil er zum abendlichen Kulturgenuss im Anzug erscheint. Wenn es nicht so bitter wäre, könnte es fast komisch sein.

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Bei so viel postkolonialer Dressur bleibt natürlich kein Raum mehr für eine Beschäftigung mit den wirklich unangenehmen Seiten von Driss' Job und Privatleben oder etwa Philippes Todessehnsucht, die angedeutet, aber zumeist schnell wieder weggewitzelt wird. In Ziemlich beste Freunde geht es nicht ein einziges Mal ans Eingemachte, wird zu keiner Zeit die wirklich große Scheiße riechbar, in der doch alle Protagonisten eigentlich stecken.

Was bleibt, ist eine filmische Bequemlichkeit für den runden Kino- oder eben Heimkinoabend. Der überbordende Erfolg von Ziemlich beste Freunde an den europäischen Kassen kann nicht verwundern, zumal er selbst innerhalb des formelhaften Feel-Good-Kinos noch einmal so runtergeschmalzt ist, dass er nicht nur vielen, sondern wirklich jedem gefallen muss. Jedem zumindest, der Kino für nichts anderes als einen netten Zeitvertreib hält.

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