„Denn es wäre ungefähr so, als ob man Adolf Hitler als einen tragischen, vorausschauenden Helden darstellen würde, der den Krieg nur anzettelte, um Europa zu einem Reich zu einen, um damit die immer wieder aufflammende Konflikte zwischen den europäischen Staaten ein für alle mal zu beenden.“
Aha, da kommt er wieder: der Hitler-Vergleich. Ne-ne, das passt hier nun gar nicht. War der Qin-Kaiser ein Despot? Ja. War er brutal und machtgierig? Ohne Frage. Aber zumindest ist nirgends überliefert, das er einem Volk oder ethnischen Gruppe die Existenzberechtigung abgesprochen hätte, um es dann zu vernichten. Wenn wir hier schon Vergleiche zur modernen europ. Geschichte ziehen wollen, kommt hier am ehesten Bismarck in Frage. Auch seine Politik war es, mit „Blut und Eisen“ einen Kulturraum als Reich zu einen. Selbst seine Methoden waren hier auch nicht sooo unterschiedlich. Immerhin wurde auch Deutschland erst durch die Einigungskriege geeint.
Nun wird Bismarck im dt. Raum durchaus ambivalent gesehen, sein „Verdienst“ der Reichseinheit wird jedoch nicht in Frage gestellt. Shihuangdi wird auch in China kritisch gesehen und dass er nicht in der Lage war, eine Dynastie zu gründen, zeigt ja nur, dass er lt. konfuzianischen Vorstellungen eben NICHT die Macht des Himmels für sich gepachtet hatte. Tatsächlich zerbrach das Reich schon in der dritten Generation. Dieser Fakt ist zumindest in China (und Zimous Film war ja primär für diesen Markt bestimmt) ebenfalls sehr bekannt. Was soll hier also als Propaganda vermittelt werden?
Die zentralen Botschaften des Films sind:
1. Alle unter einem Himmel
2. Das 3. Prinzip des Schwertkampfes; nämlich der Verzicht auf ebendieses und damit ein Verzicht auf Gewalt
Nun kann man die erst Botschaft ganz sicher propagandistisch ausschlachten, sprich mit Reichseinheit „bla bla“. Allerdings kann man diese Botschaft auch universeller sehen, nämlich auf die Menschheit bezogen.
Die zweite Botschaft ist aber kaum propagandistisch zu verwerten. Hier geht es eben um den Verzicht auf Gewalt. Das der Kaiser dieses Prinzip nicht befolgt, ist ein historischer Fakt und steht hier durchaus auch im Kontext mit dem Untergang seines Hauses. Shihuangdis Dynastie konnte nicht das Mandat des Himmels erringen. Das kommt im Film nicht vor, soweit ist das richtig. Aber noch mal: der Film war primär für den chin. Markt gestimmt und dort ist man sich dieser Tatsache bewusst.
„Aber mir war so, als ob der Film eine Autoritätshörigkeit gepredigt hat, und jegliches Aufbegehren gegenüber dem Herrschenden als unreife Laune abgetan wird, weil die Zusammenhänge von denjenigen, die den Herrscher kritisieren, nicht verstanden werden. Der autoritäre Führungsstil und Eroberungsdrang des Kaisers wird zu einer tragischen Pflicht stilisiert, um das Wohl aller unter dem Himmel zu gewährleisten. Dass diesem Streben einzelne zum Opfer fallen, ist sozusagen unausweichlich, um vielen den Frieden zugeben. Hier kommt eine Haltung zu Vorschein, die man in vielen traditionellen Kulturen wiederfindet, die aber dem aufgeklärten Denken widerspricht. Nämlich das blinde Vertrauen in die Herrschenden, weil nur dieser die Macht hat, die Allgemeinheit zum Guten führen. Dass es dabei Opfer gibt, muss dafür in fatalistischer Weise hingenommen und der Drang zur Rebellion als egoistisches Verhalten abgelegt werden.“
Ich kann hier Ihren Ansatz durchaus nachvollziehen. Jedoch muss halt der historische Kontext berücksichtigt werden. Sowohl Reichseinigung als auch Herrschaft des Qin-Kaisers sind ein historischer Fakt. Fakt ist aber auch sein letztendliches Scheitern auf Fixierung des Machtanspruches.
Sicher kann Yimou nicht umhin, konfuzianische Traditionen einzubeziehen, aber sein Namenloser steht auch in daoistischer Tradition (Weg des Schwertes) und diese steht seit jeher im Widerstreit mit dem Konfuzianismus, wurde in vielen Perioden der chin. Geschichte gar als subversiv wahrgenommen.
Sowohl der „Namenlose“ als auch „Zerbrochenes Schwert“ erkennen in Gewalt, von welcher Seite auch immer, keine Lösung, was sich sogar mit christlicher Mythologie deckt. Der Namenlose ist hier recht eindeutig eine Jesusfigur, welcher für die Sünden des Qin-Kaisers stirbt. Nun kann man natürlich interpretieren, dass der Qin-Kaiser damit legitimiert wäre. Aaaaber hier greift imho der historische Faktor, sprich Untergang seiner Dynastie, womit ihr auch die Legitimität abgesprochen wird. Das diese Zusammenhänge in der westlichen Welt kaum bekannt sind, dafür kann Yimou ja nun nix. Damit entlarvt sich ein großer Teil der negativen westl. Kritik hier auch eindeutig als eurozentristisch, indem wesentliche Fakten im Zusammenhang mit der Person Shinhuangdi ignoriert werden.
Also, auch wenn durchaus konfuzianische Werte vermittelt werden, so werden diese nicht komplett kritiklos anerkannt. Gewaltanwendung wird hier in jedem Fall als Fehlentwicklung beschrieben. Ferner fehlt immer noch die Querverbindung zur derzeitigen Herrschaft der KPCh. Diese kann sich nicht, auch wenn sie´s inzwischen gerne versucht, auf konfuzianische Wurzeln beziehen. Selbst wenn, so hat sie sich laut dem Namenlosen mit seinem 3. Prinzip des Schwertkampfes, durch Gewaltanwendung delegitimiert. Auch wenn sie derzeit mittels Gewaltmonopol ihren Herrschaftsanspruch durchsetzen kann, ist ihr Fortbestehen keineswegs gesichert – siehe Qin-Dynastie.

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