Es müssen nicht immer die verschwurbelten Epen und harten Sozialdramen sein. Aki Kaurismäki (Der Mann ohne Vergangenheit) hat einen neuen Film gedreht, der beim Festival Cannes Premiere feierte und die Kritiker durch seine herzensgute Wärme für sich gewann. Dabei behandelt Le Havre ein ernstes Thema. In der französischen Hafenstadt landet der junge illegale Immigrant Idressa aus Afrika und ein paar gute Seelen tun fortan alles, damit er zu seiner Mutter nach London reisen kann.
So betont Kevin Jaggernauth denn auch die politischen Seiten von Le Havre: “Fraglos einer von Kaurismäkis besten Filmen, hat er einen politischen Publikumsliebling gedreht, einen Film, der auf ganzer Breite ansprechend ist, aber einen ernsten Unterton hat. Aber [Aki] Kaurismäki erreicht sein Ziel, denn zuallererst trifft er einem mitten ins Herz. Leise argumentiert Kaurismäki, dass das Schicksal von Idressa und die anständige Behandlung von illegalen Immigranten im allgemeinen größere Auswirkungen auf die Seele einer Nation hat.”
“Egal, welches noch so trostlose oder traurige Thema er auch anpackt”, schreibt Lars Olav-Beier im Spiegel, “ob er von afrikanischen Migranten in Schiffscontainern erzählt oder von einer herzensguten Frau auf dem Sterbebett – er verwandelt es am Ende in einen aufbauenden Film. […] Kaurismäki ist der lakonische Eskapist des Autorenfilms, man sieht ihn immer wieder gern hier in Cannes, auch wenn man seine Tricks inzwischen durchschaut hat: wie er auf die schlimmstmögliche Wendung seiner Geschichte zusteuert und dann die bestmögliche nimmt. Er ist der finnische Sonnenschein von Cannes, man kann sich darauf verlassen, dass er jede Tristesse vertreibt.”
Christiane Peitz hat “ein Märchen” gesehen, “in bunter Kaurismäki-Tristesse, mit höflichen Helden, lakonischen, altmodisch aufgesagten Dialogen, dem Hund Laika, in die Jahre gekommenen Autos und einem Rockkonzert mit Little Bob, dem Elvis Presley von Le Havre, wie der Regisseur ihn nennt. Ein Stück Finnland in der Normandie, ein Stück irdisches Glück nach all dem himmlischen Streben. Und ein Plädoyer für mehr Brüderlichkeit.”
Mit Jean Renoir und Frank Capra vergleicht Kirk Honeycutt den äußerst selbstreferenziellen Le Havre und meint: “Dies ist kein Film, der sich auf eine Seite stellt oder Lösungen anbietet für die Probleme, denen illegale Immigranten heutzutage gegenüberstehen. Alles, was der Autor und Regisseur präsentiert, ist eine zärtliche, warme Umarmung für jene, die sich entwurzelt fühlen. Le Havre bietet ihnen und den Zuschauern einen verzauberten Hafen während des Sturms, eine filmische Zuflucht aus dem realen Leben, in der gute Absichten ausreichen.”
Einen täglich aktualisierten Pressespiegel für das Filmfestival in Cannes findet ihr bei film-zeit.de.