Im ersten Alien-Film von Ridley Scott ist die titelgebende Kreatur aus dem All nur rund vier Minuten zu sehen. Der Sci-Fi-Horror von 1979 wurde trotzdem oder gerade deshalb zum stilprägenden Klassiker, in dem das Grauen lange kaum greifbar und dann umso grausamer war. Mit den späteren Franchise-Beiträgen Prometheus - Dunkle Zeichen und Alien: Covenant, die Scott wieder selbst inszeniert hat, ist die Mythologie der Reihe zu einem Koloss herangewachsen, der die gesamte Menschheitsgeschichte umspannt.
In der ersten Serie aus dem Sci-Fi-Universum will Schöpfer Noah Hawley jetzt das Beste aus beiden Welten abgreifen und klassischen Alien-Horror mit philosophisch tiefgreifenden Fragestellungen verbinden. Doch Alien: Earth enttäuscht nach bislang drei Folgen mit fragwürdigen Schwerpunkten und Ansätzen.
Alien: Earth versteht den Schrecken der Reihe falsch
Schon der Beginn der Serie kommt wie ein verwässerter, zerschnittener Abklatsch des Originals daher. Die Besatzung des Raumschiffs USCSS Maginot befindet sich mit fünf verschiedenen Alien-Lebensformen zur Erforschung auf dem Rückweg zur Erde. Dabei fällt wenig überraschend einer nach dem anderen den außerirdischen Zeitgenossen zum Opfer. Das Ausmaß des Massakers an Bord zeigt Hawley als Regisseur jedoch nur in hektischen Schnittfolgen und kurzen Einstellungen.
Später kann Alien: Earth dagegen nicht genug vom ikonischen Xenomorph in seiner strahlenden Pracht bekommen. Auch wenn die Optik der Kreatur nach dem Design von H.R. Giger heute längst popkulturelles Allgemeinwissen ist, stört der Fokus der Serie auf das Wesen.
Der Xenomorph wird vom Jäger zum Gejagten, landet erst auf der Leichenbahre und anschließend auf dem Seziertisch, damit jede seiner Fasern untersucht und durchleuchtet werden kann. Eine treffende Entwicklung für die Entwicklung des Alien-Franchise, das in seiner ersten Serie zumindest beim Horror-Anteil nur noch am Nachstellen und Entmystifizieren der Vorlage interessiert ist.
Die neuen Alien-Arten, wie eine Zecke, die sich vollsaugt und eine großen Blutbeutel mit sich rumschleppt, oder ein Oktopus-Auge, das Besitz von verschiedenen Tieren ergreifen kann, sind in den bisherigen drei Folgen nur mäßig gruseliges CGI-Beiwerk. Nur der Xenomorph ist weiterhin ein plastischerer Mix aus Puppe und künstlichen Effekten.
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Der philosophische Tiefgang von Alien: Earth ist nur endlose Langsamkeit
Die Sci-Fi-Horror-Serie ist aber sowieso viel stärker an den (mehr oder weniger) menschlichen Figuren interessiert. Alien: Earth führt eine Vielzahl unterschiedlicher Lebensformen aus der Zukunft ein, darunter Androiden (komplett künstlich), Cyborgs (Menschen mit künstlich modifizierten Körpern) und ganz neu: Hybriden. Bei ihnen handelt es sich um künstlich erschaffene Körper, in die das Bewusstsein todkranker Kinder verpflanzt wurde.
Die erste Folge nimmt sich viel Zeit, um diesen Prozess zu beleuchten. Sehr viel Zeit. Von Anfang an fällt das Tempo von Alien: Earth auf, das Tiefe und Nachdenklichkeit mit Langsamkeit verwechselt.
Ridley Scott ist es 2012 in Prometheus gelungen, in die Vorgeschichte seines Universums einzutauchen, die Ursprünge des Aliens mit der Entstehung der Menschheit zu verknüpfen und beunruhigende Fragen über das Dilemma zwischen Schöpfer und Schöpfung aufzuwerfen. Und das noch, bevor sich Noomi Rapaces Figur in einer extrem garstigen Sequenz ein Alien aus ihrem Bauch entfernen muss. Gebraucht hat er dafür 124 Minuten.
Alien: Earth wirft erneut existenzielle Überlegungen im Blade Runner-Stil darüber auf, was den Menschen überhaupt menschlich macht, und setzt den unentschiedenen Rhythmus aus Scotts Prometheus-Nachfolger Alien: Covenant fort. Dieser wirkte mit Fokus auf Alien-Horror und philosophischem Tiefgang viel mehr, als würden zwei völlig unterschiedliche Filme ständig gegeneinander kämpfen. Zum ersten Mal rutschte die Reihe hier in ein Dilemma, das in Alien: Earth jetzt noch verstärkt wird.
Bei der neuen Serie kommt das Problem des Formats hinzu, durch das die grundsätzlich reizvolle Story auf rund acht Stunden Gesamtlänge gestreckt werden muss. Nach bisher drei Folgen bewegen sich die Figuren wie in Zeitlupe voran – wenn sie nicht zwischendurch kurz gegen Aliens ums Überleben kämpfen müssen.
Interessante Charaktere wie Timothy Olyphants Android Kirsh tauchen bislang nur als undurchsichtige Stichwortgeber auf, während offensichtlich wichtige Figuren wie das zwischen Peter Pan und Elon Musk pendelnde Wunderkind Boy Kavalier (Samuel Blenkin) zur eindimensionalen Karikatur verkommt. Mit stotterndem Erzählmotor wirft Alien: Earth uns inhaltlich nur kleine Brocken hin, um dann in den Bildern immer wieder fast zu erstarren.
Das ständige pseudophilosophische Innehalten inmitten von generischen, ungruseligen Alien-Schockeffekten ist der größte Frustfaktor. Alien: Earth spielt erstmals im Franchise auf der Erde, könnte aber kaum orientierungsloser durch die Weiten des Alls treiben, als die Nostromo-Crew damals.