Als 1994 die Leiche von O.J. Simpsons Exfrau Nicole Brown Simpson aufgefunden wurde, nahm der bis dato wahrscheinlich medienwirksamste Prozess der amerikanischen Geschichte seinen Lauf. Denn Exfootballstar O.J. Simpson war ziemlich schnell der Hauptverdächtige der Mordermittlungen. Die Anthologieserie American Crime Story setzt sich mit eben diesem Fall auseinander und beleuchtet die Geschehnisse aus den Perspektiven der beteiligten Personen. Wir haben einen Blick auf die Pilotfolge From The Ashes Of Tragedy geworfen.
Die Geschichte ist zwar nicht neu, aber ...
Wer mit dem Fall The People vs. O.J. Simpson - Titel der ersten Staffel von American Crime Story - bereits 1994/95 in BerĂ¼hrung gekommen ist, wird sich wahrscheinlich schon damals ein Urteil erlaubt haben, sei es öffentlich oder insgeheim. Die erste Folge der Serie lässt es zu, dass jeder bei seinem Urteil bleiben kann, jedoch zu keinem Zeitpunkt in seiner Meinung bestärkt oder entkräftet wird. In erster Linie geht es den Entwicklern Scott Alexander und Larry Karaszewski (Der Mondmann, Larry Flynt - Die nackte Wahrheit) darum, Charaktere zu präsentieren, Ă¼ber die sich jeder Mitte der 1990er die MĂ¼nder zerrissen hat, ohne sie wirklich zu kennen. Das Ende der Serie ist bekannt. Was dazwischen passiert ist, waren bisher nur Worte auf Papier und/oder im Gerichtssaal. Doch ab jetzt lernen wir die Menschen hinter BĂ¼rokratie und Medienrummel kennen. Oder zumindest Jeffrey Toobins Version von ihnen, der die Vorlage The Run of His Life: The People v. O.J. Simpson verfasst hat.
Es geht nicht um den Mord. Nicht nur.
Wenn schon zu Beginn Ausschnitte der Unruhen von Los Angeles aus dem Jahre 1992 gezeigt werden, wird dem Zuschauer bewusst, dass hier wohl mehr folgen wird als die pure Darstellung der Simpson-Verhandlung. Die erste Folge an sich lässt allerdings nur erahnen, welche Rassenkonflikte später noch zur Diskussion kommen werden. Zunächst werden uns ganz behutsam die Charaktere vorgestellt und der Mord an Nicole Brown Simpson nähergebracht. Nichts wird beschönigt, nichts wird gewertet. American Crime Story erwartet von uns, gut aufzupassen und nachzudenken. O.J.s LĂ¼gendetektortest fällt nicht gerade zu seinen Gunsten aus. Doch ob das nun heiĂŸt, dass er lĂ¼gt oder dass er einfach aufgewĂ¼hlt ist, weil seine Exfrau ermordet wurde, muss jeder von uns selbst mit sich klären. Wichtig ist nur, dass niemand vergessen darf, welche Stimmung damals sowohl auf den StraĂŸen der USA als auch in den Köpfen der Menschen vorherrschte. Denn auch die zwei Jahre zuvor stattgefundenen Unruhen haben ihre Narben hinterlassen.
O.J. Gooding Jr. und Ross Kardashian
Schon ziemlich frĂ¼h in der Vorproduktion konnte das Projekt American Crime Story mit einer ganzen Menge groĂŸer Stars aufwarten. Da wäre beispielsweise John Travolta, der sein botoxgelähmtes Gesicht als Anwalt Robert Shapiro perfekt zu nutzen weiĂŸ. Oder aber Sarah Paulson, die als nahezu kettenrauchende Marcia Clark eine emotionale und willensstarke Staatsanwältin mimt. Hervorzuheben ist allerdings schon nach der Pilotfolge, dass Cuba Gooding Jr. hier seine wahrscheinlich beste Leistung seit Men of Honor abliefert. Selbst die Zuschauer, die sich Simpsons Schuld sicher sind, werden sich hier bei dem GefĂ¼hl erwischen, O.J. könne gar nicht so schlimme Dinge getan haben. Nur Friends-Star David Schwimmer hat es bei mir ziemlich schwer gehabt. Egal, wie gut er auch gespielt hat, als er versucht, als Robert Kardashian Simpson vom Suizid abzuhalten, bleibt er doch fĂ¼r immer Ross Geller. Dass er hier ebenso sorgenvoll dreinguckt wie in der Sitcom, macht die Sache leider nicht besser.
Wahrheit vs. Fiktion
Ganz unter uns: Als der Wirbel um O.J. Simpson im Jahre 1994 seinen Lauf nahm, war ich vier Jahre alt. Dementsprechend unbedarft konnte ich American Crime Story ansehen. Kein "Das hab ich aber anders in Erinnerung!", kein "Wie wird denn bitte diese Person dargestellt?" All mein Wissen Ă¼ber den Fall Simpson habe ich von der Wikipedia-Seite und aus Youtube-Videos. Wahrscheinlich ist das ein groĂŸer Vorteil, denn das Drama um Mord und Prozess ist fĂ¼r mich (sofern man so etwas nach der Pilotfolge beurteilen kann) eine packende Serie. Ich habe mein Urteil noch nicht gefällt. Dass die Ryan Murphy-Produktion uns bisher niemanden hassen bzw. mit niemandem derart sympathisieren lässt, dass wir gegen alle anderen auf die Barrikaden gehen, zeigt, dass Murphy weiterhin ein gutes Händchen fĂ¼r Miniserien besitzt. Wie schon bei American Horror Story oder aber Scream Queens zweifeln wir jeden Charakter an, sodass der Blick auf die nächste Folge notwendig sein wird, um das groĂŸe Ganze zu verstehen. Murphy weiĂŸ einfach, wie man sein Publikum bei der Stange hält, ohne billige Cliffhanger konstruieren zu mĂ¼ssen. Einziger Wermutstropfen: Ein ansprechender Vorspann wie bei American Horror Story bleibt uns leider verwehrt.
American Crime Story: The People vs. O.J. Simpson zwingt mich quasi dazu, weiterzuschauen. Aber als Ryan Murphy-JĂ¼nger wäre mir sowieso nichts anderes Ă¼brig geblieben.
P.S.: Das groĂŸe Highlight der Show ist das Gespräch zwischen Selma Blair und Connie Britton alias Kris Jenner und Faye Resnick auf der Beerdigung. Während sich beide selbst bemitleiden, weil sie nichts von dem Stress zwischen O.J. und Nicole mitbekommen haben, flitzen zwei der Kardashian-Kinder durch den Hintergrund. Dass O.J. Simpson und sein Fall eine der Grundlagen fĂ¼r das heute (gefĂ¼hlt) komplette Reality-Show-Programm im US-amerikanischen Fernsehen sein wĂ¼rden, hat er bestimmt auch niemals erwartet.
Habt ihr euch die erste Folge von American Crime Story angesehen?