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Das Pfingsten-Fiasko

22.01.2015 - 23:43 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
Die Ruhe vor dem Sturm
NFP / Wüste Medien GmbH / Boris Laewen, bearbeitet von alex023
Die Ruhe vor dem Sturm
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Der Wahnsinn spitzt sich zu - ist noch eine Steigerung möglich?

Na, welche Soße hätten Sie denn gerne? Honig-Senf, Mango-Orange oder Curry? Süß-Sauer, Barbecue oder doch bloß Ketchup? Nein, es gab Einmal Hans mit scharfer Soße!
Ich hab mein Kino eigentlich total lieb. Wirklich. Jetzt echt. Ok, vielleicht doch nicht so ganz. Aber zumindest ein bisschen. Jedenfalls war es heiß. Also draußen. Ein warmes Juni-Wochenende war zu Ende gegangen – aber hey, meine Uni steht auf Pfingstferien! Aber in die Sneak geh ich ja sowieso immer. Oder?
Vorher hieß es noch: „Vorsicht, hör mal die Nachrichten!“
Hätte ich vielleicht machen sollen. Hab ich dann aber nicht. Wir durften dann wieder Tabu spielen. Das zweite Mal innerhalb von drei oder vier Wochen. Nur dass dieses Mal der andere Teil meines Zweierteams vom berühmt-berüchtigten Moderator aus dem Hut gefischt wurde. Beziehungsweise ihr Eintrittskartenschnipsel.
Dieses Mal ging es dort aber etwas moderater (der Moderator schaltete sich auch diesmal nicht entscheidend ein – ja, absoluter Brüller!) und weniger denkwürdig zu. Interessant war dabei dann noch: ein Teilnehmerteam bestand aus einem Mann in Motorradkleidung und seiner kleinen Tochter – sie gewannen das Tabu (zugegeben: wir sind wirklich nicht so gut darin) und durften zwischen den Freikarten wählen: der Mann bestand auf Transformers 4: Ära des Untergangs, als der Moderator nachhakte, ob er nicht etwas Kinderfreundlicheres (bzw. etwas, was eher seiner Tochter gefallen würde) aussuchen wolle, lehnte er es ab: „Ich hab doch schon die Eintrittskarten für heute bezahlt.“ Genau. Richtig so. Gib’s ihm, Tiger!
Mit dem dritten Teilnehmerteam durfte ich dann Schnick-Schnack-Schnuck spielen, um zu bestimmen, wer als Zweiter mit dem Aussuchen dran war, da wir die gleiche Punktzahl im vorherigen Tabu erspielt hatten. Ich weiß aber nicht mal mehr, ob ich gewonnen habe. Ich glaube aber, dass wir Freikarten für die nächste Sneak gewonnen haben könnten. (Wo ich leider nicht gewesen bin, da zeitgleich Deutschland Portugal fußballerisch abfertigte; THOMAS MÜLLER!!!!11elf)…
Dann, husch-husch, wieder ab auf die Plätze. Der Mann in Motorradkleidung, mit seiner Tochter hinter sich, erkundigte sich beim Moderator noch kurz nach dem aktuellen Wetter. „Oh, es regnet ein wenig, glaub ich.“ Das stimmte ihn nicht gerade euphorisch, da der Heimweg eine Motorradfahrt werden sollte. Appearently.
Bevor der Film anfängt, kurz nachdem der Moderator wieder verschwunden ist und das typische (manchmal, glaub ich, hämische) „Viel Spaß!“ gewünscht hat, verfallen wir immer in ein kollektives Mantra und beschwören irgendeine höhere Macht, dass wir doch bitte von Film XY (irgendwas Schlimmes, was gerade potenziell kommen könnte) verschont blieben. Ihr könnt euch sicher denken, in wie vielen Fällen ich (wir) danach alles Mögliche verfluche(n). An diesem Abend hieß es: „ALLES, aber nicht dieser Hans-Film."
Tja.
Was soll man dazu noch sagen? Wie schon angeteased, kam er natürlich doch. Und er war grauenhaft, grauenhaft schlecht. Mehr will ich dazu auch gar nicht sagen. Fürchterlich rassistischer Film. Ganz schlimm. Irgendwann, da musste so etwas mehr als eine Stunde vergangen sein (gefühlt waren es sicher ein paar Jahre), erlosch mit einem Mal das Bild auf der Leinwand. Der Projektor war ausgegangen.
„Der Projektor hat selbst kein Bock mehr, den Schrott zu zeigen!“, rief einer. „Das Kino kapituliert vor dem Blödsinn!“, rief ein anderer. Ich jubelte innerlich und begann dann zu lachen. Doch nach einer kurzen Euphorie-Welle fragten sich so langsam alle, was denn genau passiert war. In diesem Moment ging die Seitenbeleuchtung an und der Moderator joggte herein.
„Es tut mir furchtbar leid, aber es scheint so, als hätten wir einen Stromausfall. Draußen tobt so ungefähr das größte Unwetter des Jahrhunderts.“

Nice. Tatsächlich mein erster Gedanke. Die ersten Sneaker stürzten aus dem Kinosaal heraus, um sich einen Eindruck zu verschaffen, während ich erst mal sitzen blieb und einen Schluck von meinem Getränk nahm. Teile meiner Sneak-Gang nutzten die Unterbrechung für einen WC-Gang. Ein paar Augenblicke später packte mich dann doch die Abenteuerlust und ich betrat das Foyer vor den Kinos. Schockiert blickte ich durch die Fensterscheibe: es war beinahe nichts von der Außenwelt zu sehen, so stark regnete und windete es. Direkt gegenüber von meinem Kino ist eine Tankstelle, die sich mit sehr gelben und ein paar blauen Farben auszeichnet. Sie war beleuchtet – jedoch nicht zu sehen! Bäume knickten um, allerlei Dinge flogen über die Straße, die am gegenüberliegenden Einkaufszentrum vorbeiführt.
Ich kehrte in den Kinosaal zurück und berichtete dem Rest davon. Als dann klar wurde, dass es nicht weitergehen würde mit dem Film („Alle Vorstellungen sind zu Ende, der Notstrom ist gerade angesprungen“), verschlug es uns in die Eingangshalle, in der alle das Schauspiel beobachteten und überlegten, ob es ratsam wäre, jetzt hinaus zu gehen und sich nach Hause zu begeben. (Anmerkung: es war keine gute Entscheidung). An uns vorbei lief der Tabu-Sieger von vorhin mit seiner Tochter und murmelte ein paar Kraftausdrücke. Klar, das Schauspiel da draußen dürfte seine Motorradfahrt nicht wirklich erleichtert und angenehmer gemacht haben. Aber er stellte sich dem Kampf! Ausgang unbekannt.
Ein wenig später – wir debattierten in unserer (nun mal auch) Fahrgemeinschaft, was zu tun sei – versammelte der Moderator die noch verbliebenden Kinobesucher in der Eingangshalle (er stellte sich dazu auf die abgeschaltete Rolltreppe) und verkündete, dass es wirklich nicht mehr weitergehen würde und jeder innerhalb der nächsten sechs Wochen mit seiner Eintrittskarte einfach hereinkommen könnte und dafür freien Eintritt für einen Film seiner Wahl erhalten würde. Eine – ganz ohne Ironie – wirklich nette Aktion! Schließlich kann das Kino doch nichts dafür, dass es ein derartiges Unwetter gibt…(ich ging dafür ein paar Wochen später Edge of Tomorrow schauen, war doch schön!). Ich initiierte spontan einen Applaus, in den aber nur wenige einstiegen. Shame on you! Ein Freund hatte noch die Idee, ein wenig zu bleiben, bis das Kino Gratiseis ausgeben würde, da sie es nicht mehr kühlen konnten, aber das schien uns beim funktionierenden Notstrom doch zu spekulativ, weshalb wir es nach ein paar Minuten wagten, ins angrenzende Parkhaus zu sprinten. Es war auch etwas angenehmer geworden draußen. Dass uns das wahre Abenteuer noch bevorstehen sollte, wussten wir da noch gar nicht.
Die Folgen eines solchen Unwetters sind ja nicht immer wirklich abzusehen, aber wir hatten bereits ein paar umgestürzte Bäume und Schilder gesehen – doch was wir dann sahen und erlebten, sprengte die Vorstellungskraft. Nicht nur, dass wir mehrfach andere Wege einschlagen mussten, weil Äste (große Äste!) auf der Fahrbahn lagen und den Weg versperrten, die Situation schien überall so zu sein. Direkt nachdem wir aus dem Parkhaus hinausfuhren, blockierte ein riesiger Ast unseren normalen Weg, weshalb wir links abbogen und einen Umweg in Kauf nehmen mussten. Ich – mich auf dem Beifahrersitz befindend – ließ das Seitenfenster herunter (der Regen hatte allmählich aufgehört und der Wind sich auch gelegt). Am Straßenrand erspähte ich einen dunkel-gekleideten Mann, der mit einer Säge Äste von einem umgestürzten Baum abtrennte, sie dann unter seinen Arm klemmte und in einem Haus verschwand. Auch eine Art, sich Feuerholz zu beschaffen.
Wie schon erwähnt, waren mehrere Umwege die Konsequenz von all dem, bis wir irgendwann in mehr heimische Gefilde vordrangen, in denen das Unwetter nicht derart getobt hatten (bei uns Zuhause hatte man auch quasi nichts davon mitbekommen, weshalb meine Erzählungen verwundert aufgenommen wurden).
Das Highlight letztlich war dann die Sache mit der Unterführung. Irgendwann sahen wir ein, dass wir eine solche nicht umgehen konnten, da das Straßennetz so ausgelegt war, dass eine Straße oberhalb der anderen alle anderen kreuzte. Da es sich aber überall staute, stiegen wir aus und erkundeten zu Fuß die Lage. Über ein Dutzend Autos stand vor der Unterführung im Stau und es schien nicht voranzugehen. Wir begaben uns in das Epizentrum des Hindernisses und entdeckten eine große Wassermasse, die sich aufgrund der Absenkung des Asphalts dort angesammelt hatte. Der Gulli für den Wasserablauf schien durch irgendwas verstopft zu sein. Ein paar wenige andere hatte es auch dorthin verschlagen und wir besprochen in wenigen Worten die Situation. Sie schienen nicht aus Deutschland zu sein, weshalb wir uns auf Englisch verständigen mussten. Zwei junge Männer, zwei aus meiner Gruppe und ich zogen die Schuhe aus, warfen sie dem Rest vor die Füße und machten uns dann ins kühle Nass auf. Zunächst versuchten wir verzweifelt, Wasser aus der Kuhle zu schippen, was jedoch auf Dauer nicht funktionierte. Irgendwann fand einer der – ich glaube, es waren Holländer – beiden den verstopften Gullideckel und wir begannen, ihn von Dreck, Pflanzenüberresten und allerhand anderen Dingen zu befreien. Irgendwann glaubten wir, dass es geschafft war und gingen zurück, doch das Wasser sank nur ein wenig ab. Da entdeckten die beiden Holländer einen weiteren Gullideckel, den sie ebenfalls noch befreiten. Wir waren schon auf dem Weg zum Auto zurück und reihten uns in den Stau ein. Die Autos konnten jetzt – mit ein wenig Geschick (und Halb-auf-dem-Bordstein-auf-der-linken-Seite-fahren) – die Unterführung passieren. Ich ließ wieder das Fenster herunter und wir starteten einen spontanen Jubel für die beiden holländischen Helden, die gerade schwer atmend am Rand der Straße standen. Danach ging es bereits ein wenig einfacher, aber wir waren noch lange nicht am Ziel und wir mussten mit weiteren, ähnlichen Hindernissen kämpfen. Letztlich bleibt davon übrig, dass unser ganz persönlicher Film sicherlich besser war als der, den wir auf der Leinwand ertragen mussten. Und unser wurde immerhin auch in Deutschland gedreht.

Fun Fact am Rande #1: ich startete irgendwann passend-epische Musik  auf meinem Handy zu stattfindenden Apokalypse, bis ich rüde abgewürgt wurde.

Fun Fact am Rande #2: Wir benötigten ungefähr zweieinhalb Stunden für die Rückfahrt, während es sonst immer so um die zwanzig Minuten sind.

Fun Fact am Rande #3: Wir passierten ein paar Kilometer später eine Art Schützenfest, bei welchem die Leute (vermutlich aufgrund des Alkoholpegels) nichts von all dem mitbekommen zu haben schienen.

Aus dem Leben eines Sneakers: Willkommen im Irrenhaus
Aus dem Leben eines Sneakers: Tabubruch

Hat irgendjemand hier den angesprochenen Film zu Ende gesehen?

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