Na,
welche Soße hätten Sie denn gerne? Honig-Senf, Mango-Orange oder Curry?
Süß-Sauer, Barbecue oder doch bloß Ketchup? Nein, es gab Einmal Hans mit scharfer Soße!
Ich
hab mein Kino eigentlich total lieb. Wirklich. Jetzt echt. Ok,
vielleicht doch nicht so ganz. Aber zumindest ein bisschen. Jedenfalls
war es heiß. Also draußen. Ein warmes Juni-Wochenende war zu Ende
gegangen – aber hey, meine Uni steht auf Pfingstferien! Aber in die
Sneak geh ich ja sowieso immer. Oder?
Vorher hieß es noch: „Vorsicht, hör mal die Nachrichten!“
Hätte ich vielleicht machen sollen. Hab ich dann aber nicht. Wir
durften dann wieder Tabu spielen. Das zweite Mal innerhalb von drei oder
vier Wochen. Nur dass dieses Mal der andere Teil meines Zweierteams vom
berühmt-berüchtigten Moderator aus dem Hut gefischt wurde.
Beziehungsweise ihr Eintrittskartenschnipsel.
Dieses Mal ging es
dort aber etwas moderater (der Moderator schaltete sich auch diesmal
nicht entscheidend ein – ja, absoluter Brüller!) und weniger denkwürdig
zu. Interessant war dabei dann noch: ein Teilnehmerteam bestand aus
einem Mann in Motorradkleidung und seiner kleinen Tochter – sie gewannen
das Tabu (zugegeben: wir sind wirklich nicht so gut darin) und durften
zwischen den Freikarten wählen: der Mann bestand auf Transformers 4: Ära des Untergangs, als
der Moderator nachhakte, ob er nicht etwas Kinderfreundlicheres (bzw.
etwas, was eher seiner Tochter gefallen würde) aussuchen wolle, lehnte
er es ab: „Ich hab doch schon die Eintrittskarten für heute bezahlt.“
Genau. Richtig so. Gib’s ihm, Tiger!
Mit dem dritten Teilnehmerteam
durfte ich dann Schnick-Schnack-Schnuck spielen, um zu bestimmen, wer
als Zweiter mit dem Aussuchen dran war, da wir die gleiche Punktzahl im
vorherigen Tabu erspielt hatten. Ich weiß aber nicht mal mehr, ob ich
gewonnen habe. Ich glaube aber, dass wir Freikarten für die nächste
Sneak gewonnen haben könnten. (Wo ich leider nicht gewesen bin, da
zeitgleich Deutschland Portugal fußballerisch abfertigte; THOMAS
MÜLLER!!!!11elf)…
Dann, husch-husch, wieder ab auf die Plätze. Der
Mann in Motorradkleidung, mit seiner Tochter hinter sich, erkundigte
sich beim Moderator noch kurz nach dem aktuellen Wetter. „Oh, es regnet
ein wenig, glaub ich.“ Das stimmte ihn nicht gerade euphorisch, da der
Heimweg eine Motorradfahrt werden sollte. Appearently.
Bevor der Film anfängt, kurz nachdem der Moderator wieder verschwunden
ist und das typische (manchmal, glaub ich, hämische) „Viel Spaß!“
gewünscht hat, verfallen wir immer in ein kollektives Mantra und
beschwören irgendeine höhere Macht, dass wir doch bitte von Film XY
(irgendwas Schlimmes, was gerade potenziell kommen könnte) verschont
blieben. Ihr könnt euch sicher denken, in wie vielen Fällen ich (wir)
danach alles Mögliche verfluche(n). An diesem Abend hieß es: „ALLES,
aber nicht dieser Hans-Film."
Tja.
Was soll man dazu noch sagen?
Wie schon angeteased, kam er natürlich doch. Und er war grauenhaft,
grauenhaft schlecht. Mehr will ich dazu auch gar nicht sagen.
Fürchterlich rassistischer Film. Ganz schlimm. Irgendwann, da musste so
etwas mehr als eine Stunde vergangen sein (gefühlt waren es sicher ein
paar Jahre), erlosch mit einem Mal das Bild auf der Leinwand. Der
Projektor war ausgegangen.
„Der Projektor hat selbst kein Bock mehr,
den Schrott zu zeigen!“, rief einer. „Das Kino kapituliert vor dem
Blödsinn!“, rief ein anderer. Ich jubelte innerlich und begann dann zu
lachen. Doch nach einer kurzen Euphorie-Welle fragten sich so langsam
alle, was denn genau passiert war. In diesem Moment ging die
Seitenbeleuchtung an und der Moderator joggte herein.
„Es tut mir
furchtbar leid, aber es scheint so, als hätten wir einen Stromausfall.
Draußen tobt so ungefähr das größte Unwetter des Jahrhunderts.“
Nice.
Tatsächlich mein erster Gedanke. Die ersten Sneaker stürzten aus dem
Kinosaal heraus, um sich einen Eindruck zu verschaffen, während ich erst
mal sitzen blieb und einen Schluck von meinem Getränk nahm. Teile
meiner Sneak-Gang nutzten die Unterbrechung für einen WC-Gang. Ein paar
Augenblicke später packte mich dann doch die Abenteuerlust und ich
betrat das Foyer vor den Kinos. Schockiert blickte ich durch die
Fensterscheibe: es war beinahe nichts von der Außenwelt zu sehen, so
stark regnete und windete es. Direkt gegenüber von meinem Kino ist eine
Tankstelle, die sich mit sehr gelben und ein paar blauen Farben
auszeichnet. Sie war beleuchtet – jedoch nicht zu sehen! Bäume knickten
um, allerlei Dinge flogen über die Straße, die am gegenüberliegenden
Einkaufszentrum vorbeiführt.
Ich kehrte in den Kinosaal zurück und
berichtete dem Rest davon. Als dann klar wurde, dass es nicht
weitergehen würde mit dem Film („Alle Vorstellungen sind zu Ende, der
Notstrom ist gerade angesprungen“), verschlug es uns in die
Eingangshalle, in der alle das Schauspiel beobachteten und überlegten,
ob es ratsam wäre, jetzt hinaus zu gehen und sich nach Hause zu begeben.
(Anmerkung: es war keine gute Entscheidung). An uns vorbei lief der
Tabu-Sieger von vorhin mit seiner Tochter und murmelte ein paar
Kraftausdrücke. Klar, das Schauspiel da draußen dürfte seine
Motorradfahrt nicht wirklich erleichtert und angenehmer gemacht haben.
Aber er stellte sich dem Kampf! Ausgang unbekannt.
Ein wenig später –
wir debattierten in unserer (nun mal auch) Fahrgemeinschaft, was zu tun
sei – versammelte der Moderator die noch verbliebenden Kinobesucher in
der Eingangshalle (er stellte sich dazu auf die abgeschaltete
Rolltreppe) und verkündete, dass es wirklich nicht mehr weitergehen
würde und jeder innerhalb der nächsten sechs Wochen mit seiner
Eintrittskarte einfach hereinkommen könnte und dafür freien Eintritt für
einen Film seiner Wahl erhalten würde. Eine – ganz ohne Ironie –
wirklich nette Aktion! Schließlich kann das Kino doch nichts dafür, dass
es ein derartiges Unwetter gibt…(ich ging dafür ein paar Wochen später Edge of Tomorrow
schauen, war doch schön!). Ich initiierte spontan einen Applaus, in den
aber nur wenige einstiegen. Shame on you! Ein Freund hatte noch die
Idee, ein wenig zu bleiben, bis das Kino Gratiseis ausgeben würde, da
sie es nicht mehr kühlen konnten, aber das schien uns beim
funktionierenden Notstrom doch zu spekulativ, weshalb wir es nach ein
paar Minuten wagten, ins angrenzende Parkhaus zu sprinten. Es war auch
etwas angenehmer geworden draußen. Dass uns das wahre Abenteuer noch
bevorstehen sollte, wussten wir da noch gar nicht.
Die Folgen eines
solchen Unwetters sind ja nicht immer wirklich abzusehen, aber wir
hatten bereits ein paar umgestürzte Bäume und Schilder gesehen – doch
was wir dann sahen und erlebten, sprengte die Vorstellungskraft. Nicht
nur, dass wir mehrfach andere Wege einschlagen mussten, weil Äste (große
Äste!) auf der Fahrbahn lagen und den Weg versperrten, die Situation
schien überall so zu sein. Direkt nachdem wir aus dem Parkhaus
hinausfuhren, blockierte ein riesiger Ast unseren normalen Weg, weshalb
wir links abbogen und einen Umweg in Kauf nehmen mussten. Ich – mich auf
dem Beifahrersitz befindend – ließ das Seitenfenster herunter (der
Regen hatte allmählich aufgehört und der Wind sich auch gelegt). Am
Straßenrand erspähte ich einen dunkel-gekleideten Mann, der mit einer
Säge Äste von einem umgestürzten Baum abtrennte, sie dann unter seinen
Arm klemmte und in einem Haus verschwand. Auch eine Art, sich Feuerholz
zu beschaffen.
Wie schon erwähnt, waren mehrere Umwege die
Konsequenz von all dem, bis wir irgendwann in mehr heimische Gefilde
vordrangen, in denen das Unwetter nicht derart getobt hatten (bei uns
Zuhause hatte man auch quasi nichts davon mitbekommen, weshalb meine
Erzählungen verwundert aufgenommen wurden).
Das Highlight letztlich
war dann die Sache mit der Unterführung. Irgendwann sahen wir ein, dass
wir eine solche nicht umgehen konnten, da das Straßennetz so ausgelegt
war, dass eine Straße oberhalb der anderen alle anderen kreuzte. Da es
sich aber überall staute, stiegen wir aus und erkundeten zu Fuß die
Lage. Über ein Dutzend Autos stand vor der Unterführung im Stau und es
schien nicht voranzugehen. Wir begaben uns in das Epizentrum des
Hindernisses und entdeckten eine große Wassermasse, die sich aufgrund
der Absenkung des Asphalts dort angesammelt hatte. Der Gulli für den
Wasserablauf schien durch irgendwas verstopft zu sein. Ein paar wenige
andere hatte es auch dorthin verschlagen und wir besprochen in wenigen
Worten die Situation. Sie schienen nicht aus Deutschland zu sein,
weshalb wir uns auf Englisch verständigen mussten. Zwei junge Männer,
zwei aus meiner Gruppe und ich zogen die Schuhe aus, warfen sie dem Rest
vor die Füße und machten uns dann ins kühle Nass auf. Zunächst
versuchten wir verzweifelt, Wasser aus der Kuhle zu schippen, was jedoch
auf Dauer nicht funktionierte. Irgendwann fand einer der – ich glaube,
es waren Holländer – beiden den verstopften Gullideckel und wir
begannen, ihn von Dreck, Pflanzenüberresten und allerhand anderen Dingen
zu befreien. Irgendwann glaubten wir, dass es geschafft war und gingen
zurück, doch das Wasser sank nur ein wenig ab. Da entdeckten die beiden
Holländer einen weiteren Gullideckel, den sie ebenfalls noch befreiten.
Wir waren schon auf dem Weg zum Auto zurück und reihten uns in den Stau
ein. Die Autos konnten jetzt – mit ein wenig Geschick (und
Halb-auf-dem-Bordstein-auf-der-linken-Seite-fahren) – die Unterführung
passieren. Ich ließ wieder das Fenster herunter und wir starteten einen
spontanen Jubel für die beiden holländischen Helden, die gerade schwer
atmend am Rand der Straße standen. Danach ging es bereits ein wenig
einfacher, aber wir waren noch lange nicht am Ziel und wir mussten mit
weiteren, ähnlichen Hindernissen kämpfen. Letztlich bleibt davon übrig,
dass unser ganz persönlicher Film sicherlich besser war als der, den wir
auf der Leinwand ertragen mussten. Und unser wurde immerhin auch in
Deutschland gedreht.
Fun Fact am Rande #1: ich startete irgendwann passend-epische Musik auf meinem Handy zu stattfindenden Apokalypse, bis ich rüde abgewürgt wurde.
Fun Fact am Rande #2: Wir benötigten ungefähr zweieinhalb Stunden für die Rückfahrt, während es sonst immer so um die zwanzig Minuten sind.
Fun Fact am Rande #3: Wir passierten ein paar Kilometer später eine Art Schützenfest, bei welchem die Leute (vermutlich aufgrund des Alkoholpegels) nichts von all dem mitbekommen zu haben schienen.
Aus dem Leben eines Sneakers: Willkommen im Irrenhaus
Aus dem Leben eines Sneakers: Tabubruch
Hat irgendjemand hier den angesprochenen Film zu Ende gesehen?