Der Tag beginnt wie mein erster Tag auf der diesjährigen Berlinale. Mit Leichtigkeit aus dem Iran. Und wieder sitzen wir in einem Auto und fahren durch Teheran. Diesmal durch die Nacht mit zwei wunderbaren Darstellerinnen in Atom Heart Mother aus der Sektion Forum. Sie kommen von einer Party und sind wohl leicht angetrunken. Zunächst treffen sie auf einen Cousin, der eigentlich lieber läuft als fährt. Dennoch steigt er zu ihnen und als sie gemeinsam hinreißend den Song "We are the World" schmettern, kommt es zum Autounfall. Sie wollten falsch in eine Einbahnstraße abbiegen. Auf dieser Geisterfahrt taucht nun plötzlich ein Pierce Brosnan/James Bond/Mephisto-Typ auf, der ihnen nun kaum noch von der Seite weicht. Wundersame Dinge geschehen nun. Der Mann bezahlt für den Schaden und möchte nun sein Geld zurück. Ein Polizist steigt zu ihnen ins Auto, um den Unfall zu klären. Dabei kommt es zu einem wunderbaren Dialog über den im Iran verbotenen Film Argo, wobei die Frauen ihm erklären, dass sie den Film nicht mögen und somit ja klar auf Staatslinie seien. Ohne ihn gesehen zu haben, würden sie dies jedoch nicht behaupten können. Dies leuchtet auch dem Polizisten ein und er bittet sie um Argumente gegen diesen Film, damit er zukünftig in Diskussionen auch mitreden könne. Herrlich!
Die Geisterfahrt geht weiter. Und James Bond/Mephisto steigt wieder als Fahrgast hinzu. An einem Aussichtspunkt laden sie Saddam Hussein ins Auto. Der sei doch tot, behaupten die Frauen. Das hätten sie im Fernsehen gesehen. Man solle nicht alles glauben, was im Fernsehen gezeigt würde, erwidert Mephisto. Das täten sie auch nicht, aber bitte, in diesem Fall? Eine wunderbare Szene. Auf der weiteren Fahrt möchte sie Mephisto ins Reich der Toten einladen. Doch die Tür ins Reich der Toten bleibt verschlossen. Zum Ende des Films stehen sie auf einem Hochhaus und spielen Schnick-Schnack-Schnur, um zu ermitteln, wer zuerst springt. Mephisto verliert. Eine wunderbar wundersame Tour de Farce aus dem Iran.
Body von Malgoska Szumowska
Für mich bislang die größte Überraschung im Wettbewerb. Body von Malgorzata Szumowska aus Polen. Seit ihrer ersten Premiere vor Jahren im Panorama der Berlinale mit Leben in mir verfolge ich die Filme dieser Regisseurin. Spätestens seit Das bessere Leben, ebenfalls im Panorama, weiß man, dass diese Autorin mit ihren Drehbüchern dorthin geht, wo es schmerzt. Da kann man nur einen schmerzvollen Abend erwarten, wenn Szumowska einen Film über ein magersüchtiges Mädchen macht. Und der Film beginnt auch wie ein düsterer schwedischer Thriller. Ein Mann hat sich am Weichselufer erhängt und die Vaterfigur des Films, ein Staatsanwalt kommt zum Tatort. Doch dann steht die Leiche plötzlich auf und geht davon. Erster Lacher. Wir sind in einem schwarzkomödiantischen Drama angekommen. Großartig an diesem Film sind neben den darstellerischen Leistungen vor allem, dass es Szumowska gelingt, dass der Zuschauer die Probleme der Protagonisten ernst nehmen kann und im nächsten Moment aber auch darüber lachen kann. Das gipfelt in der Schlußszene, wo der Geist der verstorbenen Ehefrau und Mutter beschworen werden soll und Vater und Tochter dies wie auch der Zuschauer nicht ernst nehmen können, aber dennoch nur durch Blicke gespielt zusammen finden. Janusz Gajos als Vater und Maja Ostaszewska als vereinsamte Psychotherapeutin sind für mich die bislang heißesten Anwärter auf die Darstellerpreise. Und Ostaszewska Riesendogge bekommt von mir den imaginären Tierdarstellerpreis.