Berlinale 2019: Die Amazon-Serie Hannah hinkt dem großen Kinovorbild hinterher

14.02.2019 - 15:30 UhrVor 5 Jahren aktualisiert
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Basierend auf dem gleichnamigen Film von Joe Wright erzählt die Amazon-Serie Hanna die Geschichte eines jungen Mädchens, das abseits der Gesellschaft zur Killerin ausgebildet wird. Auf der Berlinale feierte die Adaption ihre Premiere.

Einer der aufregendsten Filme der letzten zehn Jahre hat ein Serien-Remake erhalten. Hanna aus dem Hause Amazon basiert auf dem gleichnamigen Action-Thriller von Regisseur Joe Wright, der hierzulande den Titel Wer ist Hanna? trägt und durch seine eigenwillige Herangehensweise an vertraute Themen bis heute verblüfft.

Die energiegeladene Mischung aus packender Agenten-Action und dem emotionalen Kern eines Coming-of-Age-Films gleicht einem unwahrscheinlichen Zufall des Kinos, der von Joe Wright meisterhaft orchestriert wurde und Saoirse Ronan den nächsten Schritt in ihrer Karriere ermöglichte, vom treibenden Soundtrack aus der Feder der Chemical Brothers ganz zu schweigen.

Die Serien-Version von Wer ist Hanna? erobert die Berlinale 2019

Auf der Berlinale 2019 feierte nun die serielle Neuinterpretation der Geschichte ihre Premiere, die von niemand Geringerem als David Farr kreiert wurde, der vor vier Jahren mit gleich zwei Werken auf der Berlinale vertreten war: Als Drehbuchautor steuerte er die Verfilmung von John le Carrés The Night Manager bei, während er ebenfalls sein Regiedebüt The Ones Below - Das Böse unter uns präsentierte.

Interessant ist Farrs Nennung im Zusammenhang mit Hanna aber vor allem aufgrund der Tatsache, dass er 2011 zusammen mit Seth Lochhead das Drehbuch zum Original geschrieben hatte. Die Serien-Umsetzung des sagenhaften Stoffs kommt folglich von jemanden, der sich in der Materie auskennt, was Hoffnung gibt.

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Diese Hoffnung zieht ebenfalls durch den Prolog, der gleich den ersten großen Unterschied zum Film bereithält: Hanna, die Serie, dringt noch tiefer in die Origin-Story ihrer Protagonistin ein und lässt uns erleben, wie das junge Mädchen als Baby von ihrem späteren Ziehvater Erik Heller (Eric Bana Stand-in Joel Kinnaman) aus einer Einrichtung gestohlen wird.

Viel Gewalt, aber die Hanna-Serie bleibt hinter ihrem Vorbild zurück

Gleich in diesen ersten Minuten vereint der Auftakt die zwei konträren Elemente, die bereits in der Kinoversion für Faszination gesorgt haben: Während das unschuldige Kind im Fokus der Kamera ist, findet im Hintergrund geradezu unaussprechliche Gewalt statt. Keine zehn Minuten in der Serie hat sich der erste Wachmann in lodernde Flammen verabschiedet. Brutalität trifft auf das Zerbrechliche in dieser verzerrten Welt.

Was folgt, ist eine Flucht, die verheerend endet, aber von überaus dynamischen Kamerabewegungen eingefangen wird. Den Sog von Joe Wrighs Kinofilm vermag die Adaption trotzdem nicht zu entwickeln. Sarah Adina Smith, ihres Zeichens Regisseurin der ersten zwei Episoden, sorgt zwar für flüssige Bewegungsabläufe und ist später ebenfalls bedacht, atmosphärische Aufnahmen mit der Erzählung zu verbinden. Gleichzeitig spiegelt sich das Motiv der Verzerrung in ihrer Inszenierung kaum wieder.

Wo sich Joe Wright schon drei Mal mit seiner Kamera überschlagen und Hannas Blickwinkel durch unerwartete Perspektiven eingenommen hätte, bleibt Sarah Adina Smith deutlich bodenständiger, selbst wenn sie ihrer Hanna (Newcomerin Esme Creed-Miles) durchaus heldenhafte Sprünge gönnt.

Hanna fühlt sich an wie die Light-Version des Films

Ausgebildet zur Killerin steht das Töten vorerst nicht im Vordergrund. Stattdessen will Hanna von dem jungen Mädchen erzählen, das der Serie ihren außergewöhnlichen Pulsschlag gibt und jenseits der Welt, in der sie später für Unordnung sorgen soll. Hanna ist ein Fehler im System und der einzige Mensch, der dieses System bezwingen kann. Helikopter, die bedrohlich am Horizont fliegen, Soldaten, die perfekt ausgerüstet durch die winterliche Landschaft marschieren, und CIA-Agenten, die mit jedem Wort lügen, das ihnen messerscharf über die Lippen gleitet: Im Angesicht dieser Übermacht an Gegenspielern müsste Hanna sofort zerbrechen, doch sie ist einfallsreicher als Marissa (Mireille Enos), die im Film von Cate Blanchett verkörperte Bösewichtin, eingestehen will.

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So routiniert der Film die bekannte Prämisse in Episodenlänge ausformuliert, dauert es einige Zeit, bis die Serie ihre eigenen, wenn bisher auch wenig originellen Impulse entdeckt. Der Junge Arvo (Aleksandr Gorchilin) gehört etwa dazu, der Hanna das Tor zur Welt öffnet und sie in den Genuss von Schokoriegeln einführt. Twix oder Snickers? Darauf hat die 14-Jährige erstmal keine Antwort, immerhin hat sie gelernt, dass sie niemandem vertrauen soll.

Nach Jahren in der Abgeschiedenheit treibt sie trotzdem die Neugier an, die sie schließlich zu den Tönen des Skeletons-Song Yeah Yeah Yeah auf einem Schnee-Quad erlebt und in Gegenwart einer mächtigen Satellitenschüssel sprichwörtlich mit der Welt vernetzt. Was eine Textnachricht ist, weiß sie trotzdem nicht. Hanna lernt aber schnell.

"I am ready", sagt Hanna, bevor das große Abenteuer endlich beginnt und die Serie aus der eisigen Landschaft ausbricht, um auch den übrigen Kapiteln der filmischen Vorlage hinterherzujagen. Im Gegensatz zu ihrer Protagonistin steht die Serie noch lange nicht auf eigenen Beinen, schreckt vor mutigen Entscheidungen zurück und entbehrt damit der unberechenbaren Frische des Originals.

Begleitet von Karen Os Anti-Lullaby wird Hanna in die Freiheit begleitet, ehe der Schuss einer Pistole die verträume Szene erschüttert. Nach dem nächsten Schnitt sehen wir das Mädchen, wie es sich über den leblosen Körper eines Tieres beugt, während das Blut den Schnee in eine rote Pfütze verwandelt. Das Behütete und das Rohe direkt nebeneinander - von diesen denkwürdigen Momenten hat Hanna viel zu wenig zu bieten.

Die ersten zwei Folgen von Hanna laufen auf der Berlinale 2019 im Rahmen der Sektion Berlinale Special Series. Ab dem 29.03.2019 wird die komplette 1. Staffel auf Amazon ausgestrahlt. Alle moviepilot-Texte zum Festival findet ihr auf unserer Berlinale-Themenseite.

Werdet ihr euch Hanna auf Amazon Prime anschauen?

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