Berliner Tatort prangert Gesundheitswesen an

04.04.2011 - 08:50 Uhr
Ritter und Stark zwischen den Fronten
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Ritter und Stark zwischen den Fronten
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Im Tatort werden homosexuelle Nationalspieler im Fußball geoutet, illegale Organhändler in Deutschland aufgespürt und nun auch das deutsche Gesundheitssystem angeprangert. Ritter und Stark hatten einiges zu tun gestern Abend.

Edel sei der Mensch, hilfreich und gut, so dichtete einst Goethe. Im gestrigen Tatort: Edel sei der Mensch und gesund fiel dies dem Berliner Kommissar-Duo Ritter&Stark nur leider sehr schwer, kollidierte Goethes Lehrsatz doch allzu schmerzhaft mit dem Arbeitsethos eines Polizisten, jeden Täter auch zu überführen. Moralisch stark aufwühlend kam der gestrige Tatort aus Berlin daher, der Ritter und Stark gegen eine undurchsichtige Arztpraxis ermitteln ließ. Es ging um zwei Morde, die zwar von Menschenhand verübt, aber durchaus nachvollziehbar erschienen, dienten sie doch beide der Gesundheit wie dem Überleben der Schwachen und Kranken in unserer Gesellschaft. Gleichwohl scheußlich wie verständlich: Der wahre Täter war das marode deutsche Gesundheitssystem.

Berliner Tatort zwischen Krimi und Gerechtigkeitsdrama

Der Tatort: Edel sei der Mensch und gesund bemühte sich von Anfang an ziemlich vehement um die Verschleierung der Mordmotive. Der Krimi setzte mit der Perspektive des ersten Mordopfers ein, brachte dann das Berliner Tatortduo ins Spiel und schleuderte dem Zuschauer einen etwas zu sehr konstruierten zweiten Mord ins Gesicht, nur um dann zu völliger moralischer Verwirrung zu führen. Darf ein kranker Mensch zum Spielball eines Kapitalismus werden, der weniger die Gesundheit als den größtmöglichen Profit im Auge hat? Tja, wenn unser Ministerpräsident Philipp Rösler hierzu keine schlaflosen Nächte verbringt, ist er eindeutig der falsche Mann im Amt. Schwere Geschütze wurden aufgefahren, um Gründe für die Gerechtigkeit eines Mordes anzuführen und gleichsam ein System anzuprangern, welches moralisch verwerflich ist und gleichermaßen aufgrund der demographischen Anforderungen nicht fair sein kann. Dabei wurde der Handlungsbogen zwar durch allzu viele menschliche Schicksale überspannt, hielt jedoch noch gekonnt die Balance zwischen Krimi und Gerechtigkeitsdrama.

Verliebt in eine Mörderin

Zu Beginn des Tatort: Edel sei der Mensch und gesund stand der Mord am alten Mühlhaus, der an Morbus Crohn litt. Ein Suizid, der wie natürlicher Tod aussehen sollte, damit die Tochter die Lebensversicherung bekommt? Ärztepfusch? Das ungewollte Resultat einer familiären Praxis, in der das Personal schamlos gegeneinander intrigierte? Der zweite Mord an Frau Dr. Berger, der eigentlichen Tatverdächtigen, wirbelte eine ziemlich dicke Staubschicht auf, unter der (ehrlich motivierter) Betrug und ein Gewirr von gescheiterten Ehen und Affären zu Tage kam. Übrig blieb ein Arzt, der den Eid auf Hippokrates sehr genau genommen hatte: Jedes Leben um jeden Preis zu retten. Herr Dr. Schmuckler senior, stets aufs Wohle der Patienten bedacht, fühlte sich durch seinen Berufsethos verpflichtet, die Budgetüberschreitungen durch bedürftige Kassenpatienten durch gefälschte Abrechnungen an Privatpatienten auszugleichen. Frau Dr. Berger hatte dies aufgedeckt und hätte dem Treiben einen Riegel vorgesetzt, wäre sie nicht von Frau Susanne kurzerhand erschlagen worden, mit der sie privat befreundet war. Deren Tochter Sofia hätte ohne das betrügerische Zutun von Dr. Schmuckler keine Chance auf ein normales Leben. Schade nur, dass Ritter und Stark sich einschalteten. Und prompt kam der Schock: Das kostengünstigere Antibiotikum löste im Kind einen allergischen Schock aus, der Notarzt wurde gerufen. Dumm für Ritter, dass er sich mittlerweile in Frau Susanne verguckt hatte.

Mit einer Mörderin liiert zu sein, macht sich wohl nicht gut für einen Mordkommissar. Doch die Autoren ließen den beiden dann doch noch ein wenig Raum: Anstatt sie anzuzeigen, lauschte er gegen Ende des Falls den Elogien einer verzweifelten Mutter (“Sie wissen doch gar nicht, wie es ist, ein krankes Kind zu haben!”) und trat wütend gegen den Stuhl im Krankenhausflur. Manchmal geht es eben nicht nur um Leben oder Tod, so lehrte uns Tatort: Edel sei der Mensch und gesund. Manchmal sind auch wir nur Menschen, die den höchsten Schutz benötigen, um in Gesundheit leben zu dürfen.

Was meinst du: Ist die Aussage des Tatort: Edel sei der Mensch und gesund gerechtfertigt?

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