Dror Zahavi erzählt in Alles für meinen Vater die Geschichte eines jungen Palästinensers, der keinen anderen Ausweg sieht, als mit einem Selbstmordattentat mitten auf dem Markt von Tel Aviv die Ehre seines Vaters zu retten. Doch die Selbstzündung misslingt….
Gab es reale Vorfälle in Israel, die diesen Film angeregt haben, diese absurde Situation einer tickenden, lebenden Bombe, die nicht losgehen kann?
Ähnliche Dinge sind durchaus geschehen. Zum Beispiel kamen mal zwei Attentäter an einem hohen jüdischen Feiertag nach Tel Aviv und fanden, weil alle Läden, Märkte und Restaurants geschlossen waren, einfach keine Stelle, an der sie sich in die Luft jagen und möglichst viele Menschen mit sich in den Tod reißen konnten. Solche Vorkommnisse hat der Drehbuchautor Ido Dror dann einfließen lassen, sie sind Teil unserer täglichen Erfahrung.
Aus dieser Idee heraus entstand im Film ein sehr eigenwilliger Humor, der angesichts der bedrohlichen Situation geradezu absurd erscheint.
Diese Elemente waren bereits im Drehbuch bestimmend und wurden für mich sehr wichtig. Es ist der typisch israelische Humor, mit dem wir auf diese sehr gefährliche Situation antworten, ein Lachen inmitten der Angst. Im Film Paradise Now (2005), der ein ähnliches Thema hat, geht es doch immer sehr ernst zu. Ich wollte dahingegen den Charme, den Witz von Tel Aviv in meinen Film mit hinein nehmen und kein politisches Pamphlet schaffen. Natürlich gibt es auch hier ein wichtiges Anliegen, aber es sollte sich nicht in den Vordergrund drängen.
Warum sieht dieses Tel Aviv, Israels hippe Hauptstadt, im Film so anders aus als gewohnt, weniger modern, dafür eher melancholisch, eine Stadt wie neben der Zeit?
Diese Gegend um den Carmel-Markt ist wirklich sehr angesagt und schick geworden, aber man findet mit einiger Mühe noch immer andere Ecken. Ich wollte den alten, zerfallenen Zustand zeigen – als einen Widerschein der Figuren, einen Spiegel ihrer Seelen. Den Markt selbst haben wir allerdings nachgebaut, sonst hätte man in diesem Gedränge nicht in Ruhe drehen können.
Tatsächlich wirken die israelischen Figuren alle in irgendeiner Weise beschädigt, verletzt und hilfsbedürftig, als hätten alle auf einen rettenden Menschen wie den Palästinenser Tarek gewartet.
Ich wollte die Geschichte der verlorenen Seelen von Tel Aviv erzählen. Wir sehen sie mit den Augen des Palästinensers, der ihre Verletzlichkeit entdeckt und damit ihre Menschlichkeit. Im Grunde haben sie alle soviel Angst wie der palästinensische Attentäter selbst, wenn auch aus anderen Gründen. Katz zum Beispiel hat den Holocaust überlebt, was wir nur andeuten, er verlor seinen Sohn in der Armee und seine Frau trauert so sehr, dass sie das Haus nicht verlässt. Sie alle haben ihre Geschichte, ihre tiefen Wunden und Beschädigungen.
Ein sympathischer Attentäter, der Leben rettet, der seine Feinde plötzlich als Menschen sieht – was erhoffen Sie sich vom utopischen Potential dieser Geschichte?
Ich weiß natürlich, dass Filme die Realität nicht verändern können, aber sie erreichen die Herzen und können so vielleicht der erste Schritt zum Nachdenken sein. Das, nicht mehr und nicht weniger, wünsche ich mir für unseren Film.
Quelle: Mit Material von Kinowelt / Das Interview führte Knut Elstermann