Boykott und Krawall gegen Slumdog Millionär

27.01.2009 - 09:00 Uhr
Slumdog Millionär
Prokino
Slumdog Millionär
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NEWS» In Indien protestieren Hindus gegen den Oscar-Favorit: Er zeige ein verzerrtes Indienbild.

Der britische Film Slumdog Millionär, mit elf Nominierungen für den Oscar einer der großen Favoriten für die diesjährige Verleihung des wichtigsten Filmpreises der Welt, ruft in Indien rechte und fanatische Hindus auf den Plan. Vor großen Kino nehmen sie Aufstellung, schreien Kinobesuchern ins Gesicht, zerreißen Plakate, werfen Scheiben ein und stürmen das Gebäude. Nur die Polizei kann wieder Ruhe und Ordnung erstellen, einige der Randalierer werden festgenommen.

Warum solch Protest gegen das soziale Märchen, welches Regisseur Danny Boyle erzählt? Die rechten Hindus stoßen sich daran, dass ein Ausländer, noch dazu ein Brite, die sozialen Verhältnisse Indiens seziert und kritisiert. Von Armut und Polizeigewalt ist da die Rede, von sozialer Ungerechtigkeit, von Korruption. Indien, ein Land, der sich wegen seines Wirtschaftswachstums, seiner hochqualifizierten Fachkräfte und seiner Modernität gern als eines der 10 mächtigsten Industriestaaten sieht, ist in vielen Teilen aber noch von vorgestern. Armut herrscht in vielen Teilen der Bevölkerung vor, Kinderarbeit gehört zur Wirtschaft dazu, Frauen werden diskriminiert, Mädchen zur Prostitution gezwungen, das alte Kastensystem gibt es immer noch.

Auch Bollywood-Superstar Amitabh Bachchan ist nicht begeistert von dem Film, weil es nur ein dreckiges und unterentwickeltes Indien zeige. Er nimmt den Film wahrscheinlich persönlich, weil er über Jahre selbst als Moderator von “Wer wird Millionär?” gearbeitet hat. Selbst Slum-Aktivisten klagen gegen den Film. Einer davon ist Tapeshwar Vishwakarma aus Patna. Er wirft dem Film vor, die Menschenrecht mit Füssen zu treten, weil es schon im Titel “Slumdog” eine Diskriminierung der Slumbewohner sieht.

Die ganzen Proteste muten skurril an, denn der Film ist ein soziales Märchen. Eigentlich müssten wir westlich Zivilisierten gegen den Film stimmen, weil er die sozialen Probleme in Wohlgefallen auflöst und Indien trotz aller Ungerechtigkeiten weiter das exotische Paradies bleibt. Und eigentlich müsste ein Bollywood-gewöhntes Publikum den Film euphorisch feiern, weil er eben genau das tut. Wahrscheinlich wird sich die Mehrzahl der indischen Zuschauer von den Protesten einiger Weniger nicht abschrecken lassen und sich über den Gewinner der Millionen aus den Slums freuen.

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