Jahr: 2007
Genre: Pop, New Wave, Emo-Pop
Singles: Lovesongs (They Kill Me), Escape to the Stars, Forever or Never
Im Zuge des Erfolges von Tokio Hotels Debutalbum "Schrei" (welches nach wie vor ein überaus schlechter Ausgangspunkt ist, sich ein Urteil über die Band zu bilden) erschienen im deutschsprachigen Raum eine ganze Anzahl an Mitläufern, zumeist im jugendlichen Alter. Dass es eine Teenieband gab, die sich einer Szene der Rockmusik (in diesem Fall Emo) annäherte, war ein gefundenes Fressen für Plattenlabels, die begannen, Schülerbands zu rekrutieren und diesen Texte zurechtzulegen, die sie in deutsche, minderjährige Abziehbilder amerikanischer Musiker verwandelten. Damit wollte man sich vermutlich einen Ersatz bereithalten, da Tokio Hotel bereits mit ihrem zweiten Album deutliche Anstalten machten, künstlerischer und erwachsener zu werden und letztlich nach ihrem dritten Album in die USA flohen. Über diesen Umstand freuten sich die Pseudo-Riot Grrrrl-Band Debbie Rockt, die Pseudo-Punkband Killerpilze und Pseudo-Goth LaFee - alles Interpreten, die in der Versenkung verschwunden sind und wohl nur mehr in den Gedächtnissen meiner Generation existieren.
In dieser Zeit wurde von Universal auch eine deutsche Band namens Cinema Bizarre unter Vertrag genommen. Und das ist eine der musikalisch frustrierendsten Erfahrungen dieser Ära der deutschen Popmusik. Denn anders als die meisten anderen der damaligen Welle war diese Band nicht gecastet, waren tatsächlich bereits zuvor große Anime- und Visual Kei-Fans (wurden also nicht in das Image hineingedrückt) und waren alle bereits um die 20. Und sie verstanden es, freakige Musik zu machen, wie man auf den von ihnen selbst produzierten Nachfolgealbum hört. Der Stil kombiniert sanften, New Wave-artigen Synthpop mit damals besonders modernen emohaften Texten und E-Gitarren, und der Wechsel von Strifys eher androgyner und Luminors tiefer Stimme sorgte für ein gewisses Duett-Feeling. Eigentlich perfekte Voraussetzungen für neue Sterne am Pophimmel. Und man hat es doch geschafft, die mit Potenzial und Individualität beschenkte Band in ein reizloses und austauschbares Produkt ohne Identität zu verwandeln.
Nun denn, es hört sich vielleicht etwas dramatischer an, als es ist, dennoch ist es etwas frustrierend, wenn eine Band mit Charisma ihrer Persönlichkeit beraubt wird. Und das leider nicht immer zum Guten. Die großteils von vielfach tätigen deutschen Musikproduzenten geschriebenen und produzierten Songs besitzen leider nur selten die Qualität guter und erinnerungswürdiger Popsongs. Die Singleauskoppelungen "Lovesongs (They Kill Me)" und "Escape to the Stars", aber auch vereinzelte Stücke wie "Angel in Disguise" oder "The Silent Place" bilden die Ausnahme; sie sind überaus genau produziert, da sitzt jeder Ton, die Melodien haben etwas dramatisches und trotzdem melancholisches, sind gerade tanzbar genug, um die Masse zu unterhalten und trotzdem passend sanft und balladesk, um die im Text suggerierten Emotionen zu vermitteln. Würde das komplette Album derartig klingen, hätte ich auch wenig Probleme damit, dass die Band auf dieser CD von vorne bis hinten gemacht erscheint. Auch Britney Spears ergreift in dem seltensten Fällen selbst das Steuer und verkauft die perfekt komponierte Popmusik trotzdem charismatisch und einprägsam.
Leider ist ein Großteil von "Final Attraction" Lückenfüllermaterial, um das Album auf eine anständige Länge zu strecken. Hat sich das Produzententeam bei den Singles noch richtig ins Zeug gelegt und brilliert auch ab und an auf einzelnen Stücken, erscheint ein nicht unerheblicher Part der Musik auf diesem Werk leidenschaftslos und unausgereift. Nichts wirkt furchtbar, zu keiner Zeit fällt ein Song unangenehm auf - aber leider auch nicht positiv. Vielleicht einige Überbleibsel eines früheren Projekts mit angepassten Texten und Sounds. Vielleicht auch einfach nur möglichst schnell gedichtet und arrangiert, um rasch auf den Erfolg der Single aufzuspringen, ehe der Zug abgefahren ist. Was weiß ich. Keines der Lieder kann die Qualität des Aushängeschildes "Lovesongs" (welches ich für ein wirklich gelungenes Stück Pop halte) aufrechterhalten, 3 oder 4 annähernd. Alles andere klingt wie schonmal da gewesen, Geniestreiche sucht man vergebens, genauso wie Authentizität, hohen Wiedererkennungswert oder Ohrwurmqualitäten.
Nichtsdestotrotz ist "Final Attraction" ein nettes Album, welches nicht wehtut und brav wie auch angenehm vor sich hin plätschert - aber selten mehr als das. Und ein Album mit dem mit Abstand besten Song zu beginnen hat sich noch nie als gute Idee entpuppt. Schade. Die Jungs sind alles andere als talentfrei und hätten es mit etwas mehr Kreativität zu einer großen Popband schaffen können. So sind sie für die deutsche Musikgeschichte leider nicht mehr als einer der besseren Mitläufer des Hypes um eine wesentlich erfolgreichere (und bessere) Band.
Tracklist:
1. Lovesongs (They Kill Me)
2. How Does it Feel
3. Silent Scream
4. Get Off
5. Forever or Never
6. Escape to the Stars
7. After the Rain
8. She Waits for Me
9. I Don't Believe
10. The Way We Are
11. Dysfunctional Family
12. Heavensent
13. Angel in Disguise
14. The Silent Place