Ein weiterer Sommer ist verstrichen und mit etwas Verspätung können wir
uns nun an einer neuen Aktion erfreuen. Allerdings muss ich offen
zugeben, dass sie in diesem Jahr nicht besonders einfach ist und mir die
Wahl schwer fiel. Eine einzelne Szene aus einem Film zu nennen ist so,
als würde man nach einem der unzähligen Sterne am Himmel greifen. Aber
ich freue mich über diese Herausforderung und lasse euch einen kleinen
Einblick in meine Grübeleien.
Wenn man an eine Szene denkt, ist das
Spektrum weit gefächert. So gibt es Kategorien, unter denen man wählen
muss. Sucht man in den Kindheitserinnerungen und Kinderfilmen, legt sein
Augenmerk auf Filme, die einem schon lange lieb und teuer sind oder
wendet man sich neueren Überraschungen zu? Dann gibt es noch die Wahl
zwischen Filmen oder Verfilmungen eines Buches. Aus meiner Sicht ist das
ein bedeutender Unterschied, wenn man in die Tiefe der Story blicken
möchte. Zudem sind Lieblingsszenen in einem Buch nicht auch gleichzeitig
die liebsten im Film. Das sollte man nicht verwechseln. Auch glaube
ich, dass man reinen Gewissens behaupten kann, dass es in jedem Film
eine Lieblingsszene gibt.
Zuallererst sei aber erwähnt, dass ich besonders emotionale Szenen mag,
die einen berühren oder die ein Schauspieler so überzeugend rüberbringt,
dass man mit der Figur, die er verkörpert, mitfühlt. Weiter finde ich
es bei Filmen sehr schön, wenn am Anfang eine Geschichte bzw.
Vorgeschichte erzählt wird, die einen gleich in seinen Bann zieht.
Für meine Lieblingsszene habe ich einen Film gewählt, der gleich sechs
Schicksale in einem Zeitraum von 500 Jahren miteinander vereint.
Vielleicht ahnt ihr es bereits:
- ACHTUNG SPOILER -
Am Ende des Filmes taucht der Anwalt Adam Ewing nach der langen Schiffsreise, die er nur mit knapper Mühe und der Hilfe von Autua überlebt hat, bei seinem Schwiegervater Haskell Moore auf, der gerade eine Gesellschaft gibt. Adam zeigt seinem Schwiegervater den Vertrag, für den er mit dem Schiff um die halbe Welt gereist ist, ehe er ihn ins Feuer wirft und dem wütenden Moore entgegnet, dass er sein Leben einem entlaufenen Sklaven verdanke und nicht mehr reinen Gewissens in diese Art von Geschäften tätig sein könne. Moore droht ihm mit den Worten „Wenn du nicht der Gatte meiner einzigen Tochter wärst, dann…“, aber in diesem Moment taucht seine Tochter Tilda auf und eröffnet ihrem Vater mit erhobenem Haupt, sie wolle sich verabschieden. Adam erklärt, dass die beiden an die Ostküste umziehen und sich dort den Sklavenbefreiern anschließen werden. Moore erklärt Adam entsetzt und ungläubig für verrückt und verbietet Tilda, ihn zu begleiten. Seine Tochter gesteht ihm daraufhin lächelnd, dass sie sich bereits ihr ganzes Leben vor ihm gefürchtet habe und nun mit ihrem Ehemann gehen wird. Als sich das Pärchen zum Gehen wendet, bittet Moore sie um des ungeborenen Enkelsohnes wegen, es nicht zu tun. „Die Welt folgt einer naturgegebenen Ordnung. Und wer versucht sie umzukrempeln, dem wird es schlecht ergehen. Diese Bewegung wird niemals überleben. Wenn du dich ihr anschließt, wird man dich und deine ganze Familie verstoßen. Bestenfalls führst du dann ein Leben als Aussätziger, den man anspuckt und verprügelt. Und schlimmstenfalls wird man dich lynchen und ans Kreuz nageln. Und wofür? Wofür? – Ganz gleich was du auch ausrichtest, es wird niemals mehr sein als ein einzelner Tropfen in einem unendlichen Ozean.“ – Adam schaut seinen Schwiegervater fest an und erwidert: „Was ist ein Ozean, wenn nicht eine Vielzahl von Tropfen?“ Dann gehen Adam und Tilda Arm in Arm davon und lassen den tyrannischen Moore hinter sich zurück.
Mir gefällt diese Szene insbesondere deshalb so gut, weil sich das junge Pärchen gemeinsam von der festen Hand des „Vaters“ befreit. Sie entziehen ihm die Erlaubnis, weiterhin in ihr Leben einzugreifen und es nach seinen Wünschen zu beeinflussen. Zudem folgt Adam seinem Gewissen und beweist den Mut, auch für eine aussichtslose Sache seine Stimme zu erheben. Tilda beweist ebenfalls Mut, indem sie den Reichtum und das Ansehen, welches sie durch ihren Vater genießt, einfach verlässt und mit ihrem Mann ins Ungewisse zieht, um sich dort eine Familie mit ihm aufzubauen. Es ist ergreifend, wie Adam seinem Schwiegervater trotzt und seinem Freund und Retter Autua damit Respekt und Dankbarkeit erweist, während Tilda ihre Angst überwindet und ihrem Herzen folgt. Moore zeigt in dieser Szene wie alteingesessen sein Denken ist und dass er nicht sehen will, wie die Zeiten sich ändern und wie grausam die Sklaverei ist. Die rebellische Jugend kollidiert mit den festen Grundsätzen und den Ansichten der Gesellschaft. Sie versucht die Welt zu verändern und sie zu einem besseren Ort zu machen. Die ethischen Grundsätze bringen sie dazu, etwas verändern zu wollen. Das Zitat aus dem Film greift diesen Punkt zum Teil auf: „Furcht – Glaube – Liebe – Phänomene, die den Verlauf unseres Lebens bestimmen. Diese Kräfte nehmen ihren Anfang lange vor unserer Geburt und überdauern unseren Tod.“ Ihre moralischen Werte bewegen sie zum Umdenken und lassen sie mutig handeln. Und es werden ihre Taten sein, die sie überdauern. Ihr Ruf nach Freiheit und Gerechtigkeit wird sich ausdehnen und auf andere übergreifen, bis in unsere heutige Zeit.