Man kann auch zu viel in irgendwas reininterpretieren. Ein Satz, nicht zu verwechseln mit Feststellung oder gar Erkenntnis, der in vielen Online- (und wohl auch vielen Offline-)Filmdiskussionen leider nicht fehlen darf. Ein kommunikationsfeindlicher Satz, mit dem sich Kunstverachtung und Intellektuellenfeindlichkeit nicht unverstellter ausdrücken lässt. Der unglaublich brutal ist, eigentlich auch menschenverachtend, weil er einen bequemlichen und irrationalen Widerstand als etwas Selbstverständliches darzustellen versucht. Dass es nämlich ein Zuviel der Sinndeutung (und –Erschließung) geben würde, willkürlich entschieden, einfach mal so festgelegt, Ende Gelände.
Nicht nur in Texte, sondern in alle menschlichen Schöpfungen ist Sinn eingegangen, den herauszulesen eine hermeneutische Aufgabe ist, heißt es bei Wikipedia. Doch dieser Aufgabe stellen sich entsprechende Filmdiskussionen nicht immer. Was sich dort nicht (gleich) erschließt, existiert nicht. Oder muss lautstark zunichte gemacht werden. Wie gesagt: ein Gewaltakt, der das Denken und Fühlen unterbinden will, der sich eigentlich selbst verbieten müsste, und der dennoch absolut salonfähig zu sein scheint.
Man kann auch zu viel in irgendwas reininterpretieren. Umberto Eco hat darüber ein sehr elaboriertes Buch geschrieben, das im Fahrwasser des Strukturalismus die Grenzen der Interpretation aufzuzeigen meint. Er wandte sich damit, zumindest in Teilen, jener klassischen erkenntnistheoretischen Annahme zu, von der er sich eigentlich stets zu distanzieren pflegte: dass Behauptungen nach Begründungen verlangten – und wenn interpretatorische Feststellungen sich aufgrund der Vieldeutigkeit eines künstlerischen Werkes in der Regel schon nicht als richtig bewerten ließen, so könnten sie zumindest der Falschheit überführt werden.
Eine Hin- bzw. Rückwendung zu Wahrheitsbegriffen und Objektivitätsansprüchen also, zu einem Regelwerk für diskursives Denken, wie es sich auch hier auf moviepilot oder anderen Diskussionsplattformen Ausdruck verschafft. Wenn da zum Beispiel die Rede ist von lästiger Überinterpretation, wenn User auf Grundlage diffuser Geschmacksdiktate eine Rezeptionsästhetik von eindeutiger Richtigkeit fordern – wenn sie die Auslegung von Filmen und ihrer Inhalte, von Texturen und Symbolen und Chiffren als ein (illegitimes) Reinlesen verhöhnen. Aus Gründen, über die ich höchstens spekulieren könnte. Und die mich meine Höflichkeit kosten würden.