Das Marvel Cinematic Universe wächst. Die Filme gewinnen nicht nur immer neue Fans und brechen Jahr um Jahr Rekorde, nun erheben sie sogar Anspruch auf prestigeträchtige Trophäen. „Black Panther“ befindet sich bereits bei den Golden Globes in aussichtreicher Position, während ihm ebenso bei den Oscars reale Chancen zugesprochen werden. Derweil sprengt er gemeinsam mit „Avengers: Infinity War“ alle Erwartungen am Box Office und letzterer gilt mit seiner bahnbrechenden Motion Capture Technologie jetzt schon als neuer Maßstab in der Kategorie "visuelle Effekte". Wo Erfolg, Ansehen und Zuspruch wächst, entpuppt sich gleichermaßen der elitäre Kreis vermeintlich intellektueller Cineasten als Gegenpol, der sich nun immer mehr als letzte, vernünftige, aufschreiende Stimme gegen den drohenden Kollaps sieht. Was sich vor Jahren noch als anerkannte, auf einem argumentativen Fuße liegende Heilsbringerschaft gegen den verdummten Pöbel sah (und immer noch sieht), ist mittlerweile zu einem sich hinter einer hohlen Fassade befindenden Hass-Mob geworden, dass die Star Wars Fanbase neidisch sein könnte.
Während das Franchise „Star Wars“ selbstständig ineinander zerbricht, sich die zersplitterte Fanbase gegenseitig das Schlimmste wünscht und das einst so mächtige menschenvereinende Imperium zu einem leeren, uninteressanten Fleck des Scheiterns verkommen ist, steigt die Comic-/MCU-Fanbase zur größten zusammenhaltenden Nerdbasis auf, die das Internet je gesehen hat. Über nun 10 Jahre schuf Kevin Feige das erfolgreichste, in seiner Erzählweise einzigartige Franchise, was die Kinowelt je sehen sollte. Der Untergang des Kinos? In seiner Engstirnigkeit blendet der erwähnte Gegenpol fleißig aus, dass dem Kino mehrfach der Untergang prophezeit wurde. Erst der Fernseher, dann die Privatsender, schließlich weitere moderne Unterhaltungsmedien. Heutzutage wäre ein logischer Ansatzpunkt die Streaming-Dienste als größten Feind des Kinos zu sehen. Aber nein, es sind stattdessen Marvel-Filme, von denen 2-3 jährlich das Licht der Leinwand erblicken. Der Blockbuster an sich und zwar nicht jeder, sondern nur diese 2-3 sollen nun das Kino eigenständig vernichtet haben. Selbst wenn ich die anderen Comic-Verfilmungen hinzunehmen (6-7 Filme pro Jahr), selbst wenn ich die anderen Disney-Remakes und Franchises, Fortsetzungen und Trash-Blockbuster hinzuzähle, ist diese Annahme in seinem Kern so kleingeistig und bemitleidenswert, dass sie analytisch fehlgeleiteter nicht sein könnte. Dass ohne Disney und Marvel andere Blockbuster die Lücken füllen würden, ist evident. Dass das Kino schon immer einen Kampf ausgeführt hat, ebenso. Aber ohne jetzt noch ausführlicher zu werden, steige ich in die Einzelanalyse ein. Welche Filme bot das MCU 2018?
Black Panther
Ein unvorhergesehener Angriff; ein unverfrorener Akt der Unverschämtheit; ein blitzartiger Stoß ins Herz des Cineasten. „Black Panther“ ist der Rekord- und Überraschungsfilm des Jahres. Nicht nur der Erfolg, sondern auch die einhellig positive Rezeption grenzt an eine Frechheit. Nun ging Marvel endgültig zu weit, darin war sich der Elite-Mob einig. Gegen die sich wiederholende, langweilige 3-Akt-Struktur und das furchtbare CGI aufzuregen, reichte nun nicht mehr aus; es mussten ideologisch tiefgründige Antworten her. Der Feind war schnell ausgemacht: eine abgeschottete, technologisch hochentwickelte, faire, friedliche, sich im Einklang befindende, schwarze (!) Nation. In Zeiten von Trump, Brexit und anderen Abspaltungsbewegungen vermutete man hier einen politischen Affront zu erkennen. Wie kann dieser Film als Aussage gegen die Politik Trumps verstanden werden, schottet sich Wakanda doch selbst seit Jahrhunderten ab und blüht derweil noch auf? Ideologisch bedenklich.
Der weiße Europäer verkennt damit, was „Black Panther“ im Kern sein möchte: Ein Film für die afroamerikanische Bevölkerung der Vereinten Staaten. Der Kritiker lässt mit solchen Aussagen nicht nur selbst eine bedenkliche rechte Seite erkennen, sondern versucht sich einmal mehr über das schwarze Volk zu erheben. Wieso gesteht man dem Afroamerikaner eine hochentwickelte, selbst erbaute Nation nicht zu? Aber vor allem, wieso gesteht man dem Volk einen Prozess nicht zu? „Black Panther“ wäre deutlich verlogener, wenn er Wakanda nicht nur als technologisch fortschrittlich, sondern auch als politisch und moralisch perfekt inszenieren würde. Hat die westliche Welt nicht selbst über 100 Jahre den Prozess von nationalistischer Abschottung zu marktwirtschaftlicher Freiheit durchgemacht? Handelt China moralisch verwerflich, wenn es seinen wirtschaftlichen Aufstieg auf schlecht ausgerüstete, mit fossilen Brennstoff angetriebene Kraftwerke stützt, wie es Europa seit 200 Jahren getan hat? Regisseur Rian Coogler gesteht dem schwarzen Volk hiermit etwas Wichtiges zu: Menschlichkeit. Kein Volk ist perfekt oder überlegen. Wir sind alle ähnlich gestrickt, werden von den gleichen Ängsten verfolgt und können aus unseren Fehlern lernen und die Welt zu einem besseren Ort machen. Einerseits wirft man Marvel kindliche Formelhaftigkeit vor, andererseits muss ein Film plötzlich realpolitischen Standards gerecht werden; eine Comicverfilmung? Der Kritiker erwartet moralische Perfektion und verschließt dabei die Augen vor der wahren Welt. In seiner kühlen, ideologischen Analytik wird er dabei erwischt, wie seine eigene, eskapistische Kinoerfahrung mit realistischen Problemstellungen aufgebrochen wird.
Avengers: Infinity War
Die kritischen Meinungen gegenüber „Black Panther“ sind in einigen Punkten durchaus plausibel und selbst ich gestehe ein, dass der Film, mal ganz abgesehen von seiner Aussage, ein überbewerteter Marvel-Film ist. Bei „Infinity War“ wurde es dieses Jahr allerdings dermaßen grotesk und realitätsfern, dass man vermuten könnte, es sei mittlerweile schlicht egal, was Marvel für Filme veröffentlicht. Der Hass kommt sowieso und er wird umso größer, wenn der Film entsprechend erfolgreich ist. Ich habe es vor drei Jahren noch verstanden, als man bspw. „Age of Ultron“ ins Auge gefasst hat, welcher im Vergleich zu seinem Vorgänger tatsächlich schwächer war und die Tendenzen zur Formelhaftigkeit und Bombast-Action unübersehbar waren. „Avengers: Infinity War“ beinhaltet auch Tendenzen, davon aber nicht ansatzweise genug, um hier wirklich gerechtfertigte Marvel-Kritik anzubringen.
„Infinity War“ ist anders. In welcher Leichtfüßigkeit hier die schiere Anzahl an Figuren nahezu perfekt ausbalanciert und interagierend zusammengebracht werden, sucht seinesgleichen. Es handelt sich hier aber vor allem um einen strukturell, in Drehbuch und Ausführung sehr stark konzipierten Film. Neben der hervorragenden Geschichte und von den Russo Brüdern wunderschön inszenierten Ausführung, fokussiert man sich hier mit einem solchen Feingefühl auf einen Bösewicht, dass dieser Film schlicht anders ist. Thanos ist einer der besten Bösewichte, der in einer Comicverfilmung je aufgetreten ist; die Geschichte ist vom Fokus so anders und einzigartig erzählt, wie kaum ein anderer Film des Genres; und die Konsequenzen sind so spürbar und ausgeprägt, wie es ebenfalls kein anderer Film des MCUs vermochte. Hier von Gleichförmigkeit, Formelhaftigkeit, Einfallslosigkeit oder hohler Bombast-Action zu sprechen, der will Marvel einfach hassen. Ich sagen nicht, dass Infinity War perfekt ist oder irgendetwas revolutioniert hätte, aber das dieser Film anders und (zumindest im Ansatz) mutig ist, sollte selbst ein Blinder erkennen. Es ist nicht zu verstehen, was Hobby-Gegner des MCUs noch erwarten. Hier ist der Gegenpol eindeutig zu einer Verteuflung umgeschlagen, der selbst keine Argumente mehr aufzuweisen hat und diesen Film aufgrund seines Erfolges nur umso mehr niedermachen möchte. Und nochmal: „Infinity War“ ist kein Meisterwerk und kann gerne für erzählerische Probleme belangt werden. Aber wenn ihr doch offensichtlich etwas gegen Marvel habt, dann seid doch nicht so offensichtlich und lasst es zufällig am erfolgreichsten und meist diskutiertem Film raus. Ich weiß, man bekommt dann keine Aufmerksamkeit und kann nicht polarisieren, aber versucht doch wenigstens halbwegs klug gegen Schwächen des MCUs zu argumentieren, womit ich beim letzten Film wäre:
Ant-Man and the Wasp
Es gab tatsächlich noch einen Film des MCUs dieses Jahr? Ja, der elitäre Mob schaut schon ganz verdutzt, aber das kleine nur 620 Millionen Dollar einspielende Machwerk von Peyton Reed war 2018 auch in den Kinos und gehört zum MCU. Aber wer regt sich schon gerne über einen Film auf über den ansonsten kaum jemand redet? „Ant-Man and the Wasp“ ist ein guter Marvel-Film und vor allem eines, schlechter als die anderen beiden aus diesem Jahr. Moment, wie konnte das passieren? Wie konnte dieser Film übergangen werden? Vermutlich konnten hier einfach keine ideologisch bedenklichen Ansatzpunkte gefunden werden. Und so lange der Film nicht die Milliarde knackt, ist sowieso alles gut. Aber tatsächlich, Ant-Man 2 besitzt all die Schwächen, all die Formelhaftigkeit und alles nervige am MCU, was man sich nur vorstellen kann.
Sowohl Teil 1, als auch Teil 2 sind vollgepackt mit Albernheiten, eindimensionalen Bösewichten und nervigen Plotklischees, dass einem schlecht werden könnte. Ant-Man ist nicht witzig, er ist einfach nur albern. Die Action und Geschichte ist nicht innovativ, sondern durchgehend uninspiriert und langweilig. Paul Rudd spielt Schlagzeug und rennt in Unterhose über die Straße, haha, witzig. Hank Pym schrumpft sein Haus und macht es zum tragbaren Koffer, hihi, originell. Nein, im Ernst, die Ant-Man Filme geben schlicht und ergreifend nicht viel her und sind nicht mehr als kurzweilige und unterhaltsame Filme. Und ja, das sind die meisten MCU-Filme, aber Ant-Man schraubt das Ganze noch mal auf ein neues Niveau der Einfallslosigkeit, auf ein Filmerlebnis, welches nichts aussagt oder hergibt. Also bitte, alle Marvel-Gegner, fangt doch mal hier an. Oder meinetwegen auch bei „Doctor Strange“, „Thor 2“ oder „Spider-Man: Homecoming“. Seit mal ehrlich zu euch selbst und setzt da an, wo es auch etwas zu finden gibt. Kritisiert meinetwegen „Black Panther“ und „Infinity War“, aber dann seit auch konsequent und fügt jeden anderen vermeintlichen Blockbuster-Schrott, wie „Venom“, „Jurassic World 2“ und „Solo: A Star Wars Story“ hinzu. „Venom“ ist sogar unverschämt erfolgreich. Passt also gut ins Schema. Und für alle Ant-Man Freunde: Ich habe gerade leicht überspitzt formuliert und habe kein Problem mit jedem, der die Filme mag. Auch ich mag beide Teile. Ich halte sie nur für die schwächeren Filme des MCUs.