Im Kommentar der Woche stellen wir euch jeden Samstag einen Kommentar vor, der sich bis dato irgendwo in den Weiten moviepilots versteckt hat. Er muss nicht brandneu sein, lang oder zu einem bestimmten Thema, denn potentiell jeder Kommentar kann von euch als Kommentar der Woche vorgeschlagen werden - am besten via Nachricht an sciencefiction oder Kängufant.
Der Kommentar der Woche
Diese Woche seziert Big_Kahuna einen der beunruhigendsten Serienkiller der Film- (und Literatur-)Geschichte und entdeckt unter der blutigen Oberfläche von American Psycho eine wahrscheinlich noch viel beängstigendere Erkenntnis.
Oberflächlichkeit ist bestialisch.
Und wenn er nicht gerade dabei ist, Phil Collins' Werke inhaltlich
bis ins Mark zu interpretieren und seine gefühlvollen Werke in Emotionen
und Erlebtes aufzuspalten, nur um Oberflächlichkeit als etwas
darzustellen, das ihm nicht inne wohnt, dann ist er in der Tat der
saftloseste Typ, der durch die Straßen New Yorks wandelt.
Maßgeschneiderte Designeranzüge, fein gemaserte Visitenkarten mit
gold-glänzenden Lettern, eine Dauerwelle, wie sie im Friseurbuch steht:
Das ist die Welt von Patrick Bateman (Christian Bale in Bestform),
dessen Leben einen Hohlraum darstellt, der sich mit nichts füllen lässt außer rauem Gerede über Nichts.
Frauen sind in seiner Welt nur fleischgewordene Befriedigung, und
selbst im Extasepunkt des sexuellen Aktes besinnt sich Bateman mit
grinsend-böser Fratze darauf, wie gerade seine Muskeln im Spiegel
aussehen.
Am Morgen danach werden dann 1000 Sit-Ups gemacht und im Fernseher
daneben wird mit der Kettensäge massakriert in Blutgericht in Texas.
Diejenigen, die sich nach dem Nichts sehnen, welches sich hinter den
ganzen gestählten Muskeln, den stilvollen Einrichtungen und all dem
sinnlosen Schnickschnack befindet, den er besitzt, werden emotional
niedergeschmettert oder direkt mit der Axt zerspaltet.
Regisseurin Mary Harron malt ein übertriebenes Abbild einer Welt,
die John Doe in Sieben schon verteufelt und abgestraft hat, als wäre
sie selbst einer dieser emotionalen Menschen, die schon von der harten
Hand des Pragmatismus geohrfeigt wurden. Dabei kehrt sie die
abscheulichen Gedanken eines von außen glänzenden, makellosen
Schönlings, der innerlich so verrucht wie nur irgend möglich ist, immer
mehr nach außen, und offenbart uns damit die dreckigen, versteckten
Seiten unserer Welt und unseres Kapitalsystems.
Das einzige, was den in diesem System eingesperrten und darauf selbst
reduzierten Patrick Bateman etwas anhaben kann, ist, dass er darin mit
noch größeren Apartments, noch schöneren Visitenkarten und einem noch
besseren Standing konfrontiert wird, das irgendwem anders gehören
könnte, was in ihm einen grenzenlosen Hass auslöst, bis er schließlich,
[Spoiler] ob in seinen Gedanken oder in der Realität, [Spoiler Ende]
dafür sorgt, dass die in seinen Augen niederen Menschen sterben müssen,
denn er will der Beste sein. Er will unfehlbar sein.
Gesellschaftskritik auf oberstem Niveau.
Und das Ganze findet seinen finalen Höhepunkt, wenn das System und
sein ganzes Konstrukt in sich zusammenfällt und Patrick Bateman als
Produkt dessen in seinem Selbstzweifel mitreißt, denn der Mensch ist
alles andere als unfehlbar.
Wenn die tolle, glänzende Fassade in Form seiner morgendlichen
Schönheitsmasken abbröckelt und eine widerliche, unwürdige Welt dahinter
zum Vorschein kommt, an der wir uns ALLE beteiligen, dann wissen wir,
dass American Psycho mehr ist als nur einfache Unterhaltung. American
Psycho funktioniert als Spiegel unserer Gesellschaft, den man sich
entweder vors Gesicht halten kann, oder vor dem man die Augen
verschließt.
Letztlich ist es egal, denn diese Welt existiert, ob in abgeschwächter Form oder nicht.