Der Psycho im Spiegel

14.11.2015 - 09:00 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
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Der Kommentar der Woche schaut hinter die Fassade von American Psycho - und was wir dort sehen, ist viel verstörender als all das Blut, das uns auf der Leinwand präsentiert wird ...

Im Kommentar der Woche stellen wir euch jeden Samstag einen Kommentar vor, der sich bis dato irgendwo in den Weiten moviepilots versteckt hat. Er muss nicht brandneu sein, lang oder zu einem bestimmten Thema, denn potentiell jeder Kommentar kann von euch als Kommentar der Woche vorgeschlagen werden - am besten via Nachricht an sciencefiction oder Kängufant.

Der Kommentar der Woche
Diese Woche seziert Big_Kahuna einen der beunruhigendsten Serienkiller der Film- (und Literatur-)Geschichte und entdeckt unter der blutigen Oberfläche von American Psycho eine wahrscheinlich noch viel beängstigendere Erkenntnis.

Oberflächlichkeit ist bestialisch.
Und wenn er nicht gerade dabei ist, Phil Collins' Werke inhaltlich bis ins Mark zu interpretieren und seine gefühlvollen Werke in Emotionen und Erlebtes aufzuspalten, nur um Oberflächlichkeit als etwas darzustellen, das ihm nicht inne wohnt, dann ist er in der Tat der saftloseste Typ, der durch die Straßen New Yorks wandelt.
Maßgeschneiderte Designeranzüge, fein gemaserte Visitenkarten mit gold-glänzenden Lettern, eine Dauerwelle, wie sie im Friseurbuch steht: Das ist die Welt von Patrick Bateman (Christian Bale in Bestform), dessen Leben einen Hohlraum darstellt, der sich mit nichts füllen lässt außer rauem Gerede über Nichts.
Frauen sind in seiner Welt nur fleischgewordene Befriedigung, und selbst im Extasepunkt des sexuellen Aktes besinnt sich Bateman mit grinsend-böser Fratze darauf, wie gerade seine Muskeln im Spiegel aussehen.
Am Morgen danach werden dann 1000 Sit-Ups gemacht und im Fernseher daneben wird mit der Kettensäge massakriert in Blutgericht in Texas.
Diejenigen, die sich nach dem Nichts sehnen, welches sich hinter den ganzen gestählten Muskeln, den stilvollen Einrichtungen und all dem sinnlosen Schnickschnack befindet, den er besitzt, werden emotional niedergeschmettert oder direkt mit der Axt zerspaltet.
Regisseurin Mary Harron malt ein übertriebenes Abbild einer Welt, die John Doe in Sieben schon verteufelt und abgestraft hat, als wäre sie selbst einer dieser emotionalen Menschen, die schon von der harten Hand des Pragmatismus geohrfeigt wurden. Dabei kehrt sie die abscheulichen Gedanken eines von außen glänzenden, makellosen Schönlings, der innerlich so verrucht wie nur irgend möglich ist, immer mehr nach außen, und offenbart uns damit die dreckigen, versteckten Seiten unserer Welt und unseres Kapitalsystems.
Das einzige, was den in diesem System eingesperrten und darauf selbst reduzierten Patrick Bateman etwas anhaben kann, ist, dass er darin mit noch größeren Apartments, noch schöneren Visitenkarten und einem noch besseren Standing konfrontiert wird, das irgendwem anders gehören könnte, was in ihm einen grenzenlosen Hass auslöst, bis er schließlich, [Spoiler] ob in seinen Gedanken oder in der Realität, [Spoiler Ende] dafür sorgt, dass die in seinen Augen niederen Menschen sterben müssen, denn er will der Beste sein. Er will unfehlbar sein.
Gesellschaftskritik auf oberstem Niveau.
Und das Ganze findet seinen finalen Höhepunkt, wenn das System und sein ganzes Konstrukt in sich zusammenfällt und Patrick Bateman als Produkt dessen in seinem Selbstzweifel mitreißt, denn der Mensch ist alles andere als unfehlbar.
Wenn die tolle, glänzende Fassade in Form seiner morgendlichen Schönheitsmasken abbröckelt und eine widerliche, unwürdige Welt dahinter zum Vorschein kommt, an der wir uns ALLE beteiligen, dann wissen wir, dass American Psycho mehr ist als nur einfache Unterhaltung. American Psycho funktioniert als Spiegel unserer Gesellschaft, den man sich entweder vors Gesicht halten kann, oder vor dem man die Augen verschließt.
Letztlich ist es egal, denn diese Welt existiert, ob in abgeschwächter Form oder nicht.

Den Originalkommentar findet ihr hier.

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