Als ich 14 Jahre alt war, konnte mich nichts und niemand von meinem Anime-Nachmittag abhalten. Zu den großen Serien der Zeit gehörte auch Detective Conan, neben Digimon Adventure, Dragon Ball Z, One Piece oder Pokémon. Anders als letztgenannte Serien war Detektiv Conanwar eine für Kinder doch sehr untypische Serie, die das manchmal etwas stupide Einerlei der Anime-Handlungen mit berechnendem Mord und Totschlag würzte. Für mich war die Mischung aus Anime-Skurrilität und Sherlock Holmes kühler Logik das perfekte Suchtmittel, auch, wenn die meisten der Geschichten kaum glaubwürdig waren. Noch heute kommen beim Anhören des textlich wunderbar sinnfreien Intros Nostalgieschübe en masse über mich. Mein Herz für Serie geht heute deswegen an Shiniji Kudo alias Detektiv Conan.
Sherlock Holmes meets Anime
Die Mangas zu Detektiv Conan habe ich nie gelesen, aber ich wusste, dass deren Schöpfer Gôshô Aoyama ein großer Fan von Kriminalromanen ist. Das ist der Anime-Serie auch anzumerken, nennt Shiniji Kudo sein Alter Ego doch nach seinen Vorbildern, dem Sherlock Holmes-Erfinder Sir Arthur Conan Doyle und dem japanischen Kriminalautor Ranpo Edogawa. Vermutlich hätten sie den Teenager Shiniji Kudo einfach als aktualisierten Holmes einführen können, der zusammen mit seiner Freundin Ran und dessen Vater Kogoro Fälle aufklärt. Aber bei Detektiv Conan handelt es sich um einen Anime und dessen den Wahnsinn diktierende Gesetze müssen eingehalten werden. Also wird Shiniji kurzerhand von einer Organisation vergiftet, verwandelt sich aber, anstatt zu sterben, in einen kleinen Jungen, der immer noch so scharfsinnig ist, wie sein 16-jähriges Alter Ego. Von seinem guten Freund Professor Agasa mit einer Stimmverzerrer-Fliege und einer Multifunktionsuhr, die Betäubungspfeile verschießen kann, ausgestattet, lebt er fortan bei Ran und Kogoro. Natürlich darf niemand wissen, wer er wirklich ist. Genau das ist das Erfolgsrezept von Detektiv Conan.
Mit dem Status Quo zum Quotenrenner
Detektiv Conan läuft in Japan seit 1996 und ein Ende ist noch nicht abzusehen. Es ist die elftlängste Anime-Serie überhaupt, liegt damit noch vor One Piece und Dragonball Z und brachte eine Live-Action-Adaption, ganze 15 Anime-Filme und ein Crossover mit Lupin III hervor. Wie hat Detektiv Conan das geschafft? Mit einer sehr einfachen Prämisse. In jeder Folge kommt am Aufenthaltsort von Conan, Ran und Kogoro ein Verbrechen, meist in Form einer entsetzlich dreinblickenden Leiche, ans Tageslicht. Der kleine Conan tut ganz unbeholfen und nervig, klärt den Fall aber im Handumdrehen auf. Die Schwierigkeit besteht eher darin, die Erwachsenen auf die richtige Spur zu bringen, ohne sich zu verraten.
Meist bekommt Kogoro also einen Betäubungspfeil aus dem Narkose-Chronometer ab. Conan steht irgendwo versteckt und lässt Kogoro mittels seines Stimmverzerrers den Fall aufklären. Dass der Mann seine Lippen nicht bewegt stört niemanden und so geht er schnell als Der schlafende Kogoro in die lokale Folklore ein. Das ist herrlich lächerlich, funktioniert aber wunderbar. Auch andere müssen mal mehr, mal weniger freiwillig für dieses Spielchen herhalten, das in fast jeder Folge auf die selbe Art und Weise vollzogen wird. Ich muss in dem Zusammenhang auch zugeben, dass ich die Serie nicht durchgehend verfolgt habe. Das Mitraten bei den wirklich gut konstruierten Mordfällen ist für mich der größte Reiz an Detektiv Conan. Im Grunde kann ich bei den meisten Folgen ohne großes Vorwissen einsteigen und sehen, ob ich schneller auf die Lösung komme. Eigentlich will ich nicht, dass Conan sein Heilmittel findet und sich die Serie verändert.
Die niemals endende Detektivsaga
Veränderungen gibt es aber durchaus, auch wenn das Schema der Serie fast vollkommen gleich bleibt. Das große Ziel von Detektiv Conan ist natürlich, ein Heilmittel zu finden und der Organisation, die für seinen Zustand verantwortlich ist, auf die Spur zu kommen. Teilweise gelingt das, aber selbstverständlich verwandelt sich Conan immer nur kurz in Shiniji. Gerade lang genug, um Ran versichern zu können, dass er sich noch immer gesund im Ausland aufhält. Ein Wunder, dass diese Beziehung so gut hält. Mit der Zeit werden immer mehr Nebenfiguren wie die ebenfalls geschrumpfte, zu Conan übergelaufene Organisationswissenschaftlerin Ai Haibara eingeführt. Der Einfluss der Holmes-Geschichten wird in den kräftigen Nemesis-Figuren und Konkurrenten deutlich. Kaito Kid ist ein genialer Dieb im Kindsalter, der Conan über mehrere Staffeln Probleme bereitet, während der ebenfalls geniale Teenager-Detektiv Heiji Hattori Conans Identität schon beim zweiten Mal aufdeckt und sein Verbündeter bleibt. Über die endlose Zahl an Staffeln breitet sich also eine gigantische, bruchstückhaft aufgedeckte Verschwörungsstory aus. So wird das bekannte Folgenschema immer mit neuen Elementen gewürzt.
Für mich ist Detektiv Conan eine dieser Serien, zu denen ich immer wieder zurückkehren kann, ohne den Hauch einer Ahnung von der Geschichte zu haben. Die ausnahmslos bitterbösen Fälle ergeben mit dem verrückten Setting eine Mixtur, die Kindern bei einer FSK-Wertung ab 6 Jahren mehr zutraut, als wir es gewohnt sind.
Wie findet ihr Detektiv Conan?