Jahr: 2015
Genre: HipHop
Singles: Preach, Energy
Die Veröffentlichung von Drakes "If You're Reading This It's Too Late" stand in den Vereinigten Staaten unter einem beachtlichen Hype, der neben der Musik auch von medialen Berichterstattungen geprägt war. Nachdem Lil Wayne seinem langjährigen Label Cash Money und damit seinem Ziehvater Birdman den Rücken gekehrt hat, hat auch Drake, neben Wayne und Nicki Minaj einer der drei großen Aushängeschilder des CM-Sublabels Young Money, beschlossen, sich von Birdmans Fesseln zu lösen. Laut Vertrag war der Rapper jedoch noch zu einem weiteren Album verpflichtet. Heraus kam diese Sammlung von 17 (in der CD-Version 19) Songs. Die nächste Debatte war die Frage, ob das Werk als sein viertes Studioalbum oder lediglich als Mixtape anzusehen ist. Hier widersprachen sich Label und Hauptinterpret, da letzterer nicht dazu tendierte, die Veröffentlichung als offiziellen Teil seiner Diskografie anzusehen. Dennoch wurde es von den meisten Kritikern als Album anerkannt und landete auf diversen Listen der besten Alben 2015.
Kein Wunder, denn für ein Mixtape klingt "If You're Reading This" fast schon zu exquisit und gewissenhaft gemacht. Wo Mixtapes sonst zumeist Snippets/Previews auf kommendes Material aufweisen, oder qualitativ etwas bescheidenere Arragements beinhalten, kann dieses "Album" durch ein Konzept, perfekt geschriebene Lyrics und raue Gefühle punkten. Es fühlt sich nicht an, als würde man ein Mixtape hören, sondern einem gut durchdachten, zur weltweiten Veröffentlichung gedachten Albums. Tatsächlich gehören die 17 Songs sogar zur Elite der zeitgenössischen Rapmusik - und wenn man sich nach den zurecht euphorischen Kritiken orientiert, haben wir es hier mit einem Instand-Kultklassiker der HipHop-Szene zu tun. Nicht nur ist es ein ideales Paradebeispiel dafür, wohin sich das Genre im 2. Jahrzehnt des 21. Jahrhundert entwickelt hat, es ist auch die Spitze davon.
Doch "If You're Reading This" ist nicht nur HipHop. Es ist auch Blues, RnB, Soul und EDM. Alles in einem. Noch nie klang purer Rap so melodiös, noch nie wurde er so nahtlos mit Gesang vereint. Oftmals verschwimmen die Grenzen innerhalb von Wörtern. Verschwommen, nahezu hypnotisch gleitet seine Stimme locker leicht über die mit ebenso verschwommenen, hypnotischen Samples, unterlegt von klaren, ungefilterten Drum Machines. Es geht um Hass an sein Label (der Titel darf gerne als Stinkefinger aufgefasst werden - in dem Zeitpunkt, als das Cover gedruckt wurde, hatte ihm Birdman nichts mehr zu sagen), die Liebe zu seiner Heimatstadt Toronto (liebevoll in "the 6" umgetauft), die Liebe zu seiner Familie, Nostalgie, seine Beziehungen jeglicher Art, egal ob sie gut oder schlecht verlaufen sind, ob beides, egal wie kompliziert. "Ex-Girl, she the female version of me", "I got high hopes for you nigga we gon' see", "My acting days are over, fuck them niggas for life!" Drake denkt nicht mehr, er rappt, was er sich denkt. Und selbst, wenn Meek Mill darauf besteht, Drake würde nicht selbst schreiben - der Ghostwriter müsste schon in seinem Gehirn wohnen, um all diese Informationen zu Papier bringen zu können. Das Album wirkt rau, zeitgleich lasch und glatt, minimalistisch in seiner Musikalität und maßlos in seiner Aggression, monoton in seinem Gesang und symphonisch in seinem Rap. Wie ein Trip, der alles ringsherum ausblendet und bizarr verwascht, und nur die eigenen Gedanken klar herausfiltert. Und keine Sekunde zu lang. Das ist Drakes "My Beautiful Dark Twisted Fantasy".
Tracklist:
1. Legend
2. Energy
3. 10 Bands
4. Know Yourself
5. No Tellin'
6. Madonna
7. 6 God
8. Star67
9. Preach
10. Wednesday Night
11. Used to
12. 6 Man
13. Now & Forever
14. Company
15. You & the 6
16. Jungle
17. 6 PM in New York