Drifter: Die neuen Kinder vom Bahnhof Zoo

11.06.2009 - 08:55 Uhr
Die ungeschönte Realität
Salzgeber
Die ungeschönte Realität
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Auf der Berlinale 2008 prämiert, läuft der Debütfilm von Regisseur Sebastian Heidinger auch im Kino. Leise und sensibel erzählt die Dokumentation vom Alltag dreier obdachloser Berliner Jugendlicher, von Drogen und Prostitution.

In der Kategorie Perspektive Deutsches Kino lief Drifter bereits auf der Berlinale 2008. Dort gewann der sensible und zurückhaltende Film den unabhängigen Jurypreis “Dialogue en perspective”. Jetzt kommt der erzählerische Dokumentarfilm von Sebastian Heidinger auch ins Kino. Der Film erzählt von drei obdachlosen Berliner Jugendlichen, die ihren aussichtslosen Alltag zwischen Drogen und Prostiution bestreiten.

Aileen (16), Angel (23) und Daniel (25) haben sich in die Anonymität der Großtadt Berlin geflüchtet. Ihr Aktionsraum ist die Gegend um den Bahnhof Zoo. Sie müssen sich täglich das Geld für ihre Drogensucht beschaffen und kommen in Notunterkünften, bei Bekannten oder bei Stammfreiern unter. Sie haben Sehnsüchte und Wünsche und für ihr Leben einen vagen Plan, aber es bleibt eine Baustelle, so wie die Welt, in der sie sich laufend neu zurechtfinden müssen: eine Welt der Übergänge und Zwischenräume, der Straßen, Nischen und Geschäfte, wo Körper wenig zählen, Freundschaften dafür umso mehr. Sebastian Heidingers Debütfilm wirft einen klaren, ungeschönten, aber keineswegs sensationsgierigen Blick auf die heutigen Kinder vom Bahnhof Zoo.

Als erzählerische Dokumentation kommt der Film ohne Kommentar und Interviews aus, die Handlung und die Figuren erschließen sich ganz aus dem dramaturgischen Gefüge. Die Protagonisten des Films entdeckten der Regisseur und seine Crew in einer zeitintensiven Suche an einschlägigen Berliner Orten. Wochen-, ja monatelang beobachtete Sebastian Heidinger die Szene, bis er die Jugendlichen kennenlernte, von denen der Film erzählt. Die Nähe zu den Protagonisten und deren wirklichkeitsnahes Handeln ist einer ebenso zeitintensiven Vorbereitungs- und Kennenlernphase zwischen der Crew und den Jugendlichen geschuldet. Tagein, tagaus fuhr Sebastian Heidinger mit einem VW-Bus, in dessen Laderaum er einen Tisch und eine Couch installiert hatte, an den Bahnhof Zoo. Tagein, tagaus besuchten die Jugendlichen den Regisseur in seinem Bus – bis der Übergang in die filmische Arbeit fließend und vorsichtig vonstatten ging. Aus aufgezeichneten Erzählungen wurden Interviews, erst nur auf Band, schließlich mit Kamera. Und damit war der Weg geebnet für die erzählerische Dokumentation – die leise und intensiv daherkommt, und sich auf das Beobachten beschränkt, anstatt zu predigen oder zu mahnen. Sensibel und menschlich wird beobachtet, was der Zuschauer selbst zu bewerten hat.

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