Redacted

24.04.2009 - 15:00 Uhr
DVD-Entdeckung der Woche: Redacted
moviepilot-Motage
DVD-Entdeckung der Woche: Redacted
3
0
Brian de Palmas Anti-Kriegsfilm kam direkt auf DVD und nicht in die Kinos. Eine Kritik.

Das wirklich Grauenhafte, auf irgendeiner perversen Meta-Ebene abgrundtief Böse, das kommt zum Schluss. Erinnerungen werden wach, an Amerika, an Lars von Trier, an Dogville und an Manderlay. Die Bilder fliegen nicht einfach so vorbei, sie werden nicht einfach so gezeigt, sie brennen sich, wenn auch nur für Momente, in die irritierte Hirnrinde.

Es sind Fotos aus dem Irak-Krieg und eigentlich ist es okay, so etwas satt zu haben, sich einem Informationsüberschuss zu verwehren, sich das Recht herauszunehmen, nicht alles sehen zu wollen. Aber die Entscheidung, die sollte dem Individuum doch zugestanden werden: Zuerst, da waren die Medien verhalten. Dann, da haben sie Dinge bereut. Zuletzt, da haben sie versucht, Verpasstes nachzuholen. So ungefähr sah es in den USA aus, gegenseitig wurde sich die Schuld an der versauten Kriegsberichterstattung zugeschoben, gestandene Journalisten mussten gestehen, versagt zu haben. Redacted, das heißt redigiert, editiert, geschwärzt und kein Wort könnte richtiger sein und dem Ausdruck „wie die Faust aufs Auge“ in dieser Beziehung gerechter werden.

Redacted zeigt die Alpha Company bei der Arbeit im Irak. Beim Strammstehen und Aufpassen, beim Häuserdurchsuchen und Herumschreien, einen Kontrollpunkt bewachen und schießen, wenn einer nicht hält. Dabei, wie sie sich unterhalten, über den Krieg, über Frauen, über Bücher. Einer von ihnen, Angel Salazar filmt Situationen mit seiner Kamera, seine Augen liefern uns die meisten Bilder. Seine Kameraden, das sind Klischees: McCoy ist ein guter Mensch, Flake und Rush sind sadistische Arschlöcher, der weiße Müll, der „white trash“ aus den Staaten. Sie wollen töten, sie wollen Frauen, sie wollen vergewaltigen. Das ist dann auch der Dreh- und Angelpunkt, an dem der Film rotiert, der moralische Aspekt, der zu Diskussionen führen soll.

Brian De Palma experimentiert. Es wird nichts geschnitten, die Bilder liefern die Dinge, die sonst dem Schneideraum oder der Verantwortung des Einzelnen zum Opfer fallen. Mal sehen wir das Geschehen aus den Augen einer Sicherheitskamera, mal aus den einer Kriegsreportage, ein anderes Mal sehen wir ein Internetvideo, dann wieder Privataufnahmen eines Soldaten, wie er seine Kameraden filmt. Sie unterscheiden sich natürlich alle in ihrer Ästhetik und sollen mit der unterschiedlichen Art der Erzählung zeigen, wie wenig wir doch gesehen haben, wenn wir nur die Nachrichten schauten. Dabei richtet sich der Film primär an US-Amerikaner, deren Truppen in den Medien beinahe unantastbar sind, sie täten immer das, was die Exekutive von ihnen verlangt und seien auch nicht Schuld an der miesen Ausführung des Irak-Krieges, sondern schlicht behorsame Patrioten. Das mag auf der einen Seite richtig sein, verschweigt auf der anderen Seite aber auch, dass so fatale Fehler wie Abu Ghuraib den Ton deutlich verändert haben. Auch die US-Truppen haben Fehler gemacht, nicht nur die Regierung. Redacted zeigt einen zutiefst wütenden Filmemacher, der hier zu einem Rundumschlag ausholt und in all seinem (berechtigten) Zorn etwas ganz Wesentliches dabei herauslässt:

Im Massaker von Mahmudiyya (Artikel in der Wikipedia) vergewaltigten 2006 fünf US-Soldaten eine junge Irakerin. Dann töteten sie nicht nur das Mädchen, sondern auch die Eltern und die Schwester. Als Reaktion darauf wurden drei Amerikaner aus derselben Truppe getötet. Dies wurde mit einem Video dokumentiert. Die wahren Täter wurden in den USA bestraft: 90 Jahre, 100 Jahre, 110 Jahre.

In Redacted scheinen die Soldaten jedoch mit ihren Taten durchzukommen. Vielleicht, um die Kritik daran deutlicher zu machen, was der Krieg aus den Soldaten macht. Vielleicht auch, um die Abrechnung mit den Soldaten deutlicher zu machen, ohne ihre Taten mit einem Gerichtsurteil zu entschärfen. Vielleicht lässt de Palma absichtlich alles aus, was von dem Schrecken ablenken könnte. Was es auch ist, wo auch immer die Motivation des Regisseurs für diese Entscheidung ruht, einzelne Teile gar nicht erst zu erwähnen und den Blick auf die verwaschene Wahrnehmung der Truppen in den Medien zu schärfen: Der Filmtitel ist nicht nur inhaltlich, sondern auch formell Programm – redigiert, editiert, geschwärzt.

Auf DVD erhältlich. Redacted kam nicht in die deutschen Kinos und floppte finanziell in den USA. Die Silberscheibe enthält neben einem Featurette mit Flüchtlingen ein Interview mit de Palma, Behind the Scenes und Trailer. (Bei Amazon bestellen)

Das könnte dich auch interessieren

Angebote zum Thema

Kommentare

Aktuelle News