Die britische Filmemacherin Andrea Arnold hat noch nicht besonders viele Filme gedreht – aber dafür umso mehr Preise eingeheimst. Ihre Werke lassen sich an einer Hand abzählen: Drei Kurzfilme, zwei Langfilme. Aber die junge Britin darf sich schon Oscar-Gewinnerin nennen. Der Kurzfilm Wasp gewann im Jahre 2005 den begehrten Academy Award als bester Kurzfilm – und ist dabei “nur” einer von insgesamt 22 Preisen, den die Regisseurin für den Film gewonnen hat. Der Oscar ebnete der jungen Filmemacherin den Weg zu ihrem ersten Langfilm. Red Road heißt der Thriller, der unter anderem in Cannes den großen Preis der Jury abräumte – neben 20 weiteren Preisen. Mit ihrem zweiten Film in Kinolänge versucht Andrea Arnold es nun ein weiteres Mal an der Côte d’Azur.
Fish Tank handelt von einem 15-jährigen Mädchen, die ihren eigenen, rebellischen Kopf und an der Schule nur Probleme hat. Die Monotonie ihres Alltags hat jedoch ein Ende, als ihre Mutter eines Sommertages einen neuen Freund mit nach Hause bringt. Er stellt sich als Connor vor und verspricht, den Beiden das Glück auf Erden zu bescheren.
Gestern lief der Film in Cannes – und die Presse berichtet natürlich schon eifrig darüber. Wir haben ein paar Stimmen für Euch zusammengesucht:
“Die Authentizität, mit der hier die Ausweglosigkeit einer Unterschichtfamilie dargestellt wird, ist so beeindruckend wie die junge Debütantin Katie Jarvis in der Hauptrolle – und weil Arnold die Finger lässt vom spröden Einheitsgrau vergleichbarer Werke, verzeiht man ihr auch den fast kitschigen Herzluftballon am Schluss”, resümiert Patrick Heidmann von der Hiltpoltsteiner Zeitung.
Den Höhepunkt des Morgens sah Sophie Albers vom Stern in der “brillante[n] Katie Jarvis, die als 15-jährige Mia in Fish Tank ihr Schauspieldebüt gibt: hart wie der Beton der Ghettosiedlung, in der Mia ihr Leben hasst, weich wie ihr Blick, wenn sie auf echte Zuneigung hofft.”
Als den bisher überzeugendsten Konkurrenten um die Goldene Palme bezeichnet Harald Pauli den Film im Focus: “Es ist ein Schicksal, das ständig auf einem Grat zwischen Hoffnung und Absturz balanciert, zwischen Überleben und Tragödie. Und trotzdem macht Arnold den Zuschauer nicht zum billigen Komplizen eines spekulativen Spiels, opfert ihre Geschichte und vor allem ihre Protagonistin keinem effektvollen Schlussknall. Zumindest im Kino ist es einfach sympathisch, wenn beim Blick ins menschliche Jammertal wenigstens ein Lichtstreif am Horizont leuchtet.”
“Wie man ein Thema, das längst abgehandelt erscheint, noch einmal neu und aufregend angreift, zeigt auch Andrea Arnold. … Sie [feuert] erst einmal eine volle Breitseite britischen Proletarierelends ab – rauchende und dauerfernsehende Kinder, fluchende und prügelnde Teenager, alleinstehende, verwahrloste, dafür umso wilder kopulierende Mütter. Aber durch all diese Klischees, die möglicherweise ja wahr sind, marschiert wunderbar roh und unwehleidig die 15-jährige Mia, gespielt oder vielmehr mit Haut und Haaren verkörpert von der Vorstadtbewohnerin Katie Jarvis. … Dieses Mädchen ist echt bis auf den letzten Pickel”, meint Tobias Kniebe von der Süddeutschen Zeitung.
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