Im Kommentar der Woche stellen wir euch jeden Samstag einen Kommentar zum Verlieben vor, ausgewählt aus den Myriaden von Kommentaren auf moviepilot. Egal ob körperlich oder platonisch, ein Liebesbrief an eine Serie, ein heimliches Schmachten unter einem Film, das virtuelle Schlussmachen mit einem Schauspieler, oder unerwartet gestandene Verehrung unter einer News: Wenn euch irgendwo auf moviepilot Amors Pfeil beim Lesen eines Kommentars trifft, schlagt ihn uns vor, am besten per Nachricht.
Der Kommentar der Woche
Fragen über Fragen, über Liebe, Leben, Menschsein und die Zukunft: Egal wieviele Fragen uns Spike Jonze mit Her entgegenschleudert, das Prädikat von Big_Kahuna steht fest: Perfekt!
Liebe, was ist das schon? Ist es einfach eine tolle Zutat des Lebens, so wie man einen schönen Brief schreibt, an eine Person die einem wichtig ist oder an jemanden, bei dem man sich freut, wenn man ihn sieht, ein Geburtstag oder ein Umtrunk mit Bekannten, bei dem man lacht und glücklich ist? Der Rest des Lebens besteht dann aus wichtigeren Dingen: der finanziellen Situation, Äußerlichkeiten, Material, Dinge die man sehen und erfassen kann, nicht das Wie, sondern das Was? Oder ist die Liebe das Leben selbst? Das, worauf eigentlich alles ausgerichtet sein sollte, die Erfüllung, der Sinn des Lebens, wenn man denn wirklich einen sucht oder wenn’s denn wirklich einen gibt. Ist es dann nicht Liebe? Kann Liebe über die Verendung der physischen Hülle hinaus bestehen? Passiert Liebe nicht auf einer Ebene, die kein Mensch von uns greifen kann, die keiner von uns voll und ganz verstehen kann? Die losgelöst von der physischen, materiellen Welt, fern von Ort und Zeit besteht? Fragen, die schon Leute beschäftigten, die jeder kennt, Shakespeare schrieb darüber, Haddaway sang darüber. Fragen die aufgeworfen werden, wenn man einen Film sieht, wie “Her” von Spike Jonze, der vielmehr wie ein tiefgründiges Erlebnis erscheint, als ein Film. In “Her” erlebt man nämlich, wie der sich in Scheidung befindliche Theodore Twombly (Joaquin Phoenix) in die künstliche Intelligenz seines Operating Systems (Scarlett Johansson) verliebt. Das ganze geschieht in einer undefinierten, nahen Zukunft, die bedrohlich leicht erreichbar und realistisch scheint, in einer Zeit, in der Leute eher mit ihrem Handy sprechen, als sich auf der Straße mit einer alten Frau zu unterhalten, der ein nachmittägliches Gespräch sicher lieber wäre, als auf einen Blechkasten zu starren. In dieser Welt lassen sich alle möglichen Dinge schneller und leichter abwickeln. Du möchtest eine neue Frau kennenlernen? Kein Problem. Mitten in der Nacht fühlen sich viele einsam, frag einfach dein Handy und du wirst schneller fündig, als du glaubst, egal ob Sex, Liebe oder dreckige Fantasie. Du möchtest einen Brief an deine Frau schreiben? Ruf einfach in einer Agentur an, die schreiben dir mit ein paar Bildern den schönsten Brief, den du dir vorstellen kannst. Was aber, wenn sich eine neue Software kaufen lässt, der ein sich veränderndes “Wesen” innewohnt, was Erfahrungen machen kann, welches in der Lage ist Gefühle zu entwickeln, Empathie zu zeigen, etwas was selber verletzlich ist. Ist es dann verwerflich, wenn diese Stimme dich glücklich macht, wenn sie dein Leben lebenswert macht? Ist das verboten? Wo beginnt Liebe, wo hört sie auf? Besser wenn du dich in dieses übersinnliche Wesen verliebst, als in einen Menschen, der ohnehin nicht zu 100% kompatibel zu dir ist, bei dem das Scheitern vorprogrammiert scheint? In seinem futuristischen Meisterwerk gelingt es Spike Jonze fast mit Leichtigkeit, diese Fragen ins Herz des Zuschauers zu implantieren. Er zeigt uns Echtheit, echte Gefühle, echte Liebe, ohne großen Kitsch, zumindest scheint es so. Mit einem Darsteller wie Joaquin Phoenix und dieser Stimme von Scarlett Johansson scheint es auch fast unmöglich, hier nicht echt zu wirken, aber Jonze lässt es nur leicht aussehen, er hat damit eine ziemliche klare Glanzleistung absolviert. Die tolle Kamera, die atemberaubenden Bilder und der herzergreifende Score runden alles in Vollendung ab. Hier haben wir das wahre Meisterwerk in diesem Jahr gefunden, ein Film der in sich schlüssig und komplett ist, der aber keine Wertung vornimmt, dem Zuschauer die Entscheidung überlässt, was richtig oder falsch ist oder ob es in der Liebe überhaupt klare Linien für richtig und falsch gibt. So simpel wie tiefgründig schmeißt uns „Her“ nicht nur die Alltagsprobleme der Liebe und Zwischenmenschlichkeit vor die Füße, er gibt uns auch noch einen kritischen Ausblick in die Zukunft und beschert uns eine ungezwungene Gänsehaut nach der anderen. Perfekt!
Den Kommentar findet ihr übrigens hier.