Ab heute ist So glücklich war ich noch nie von Alexander Adolph im Kino zu sehen. Der Regisseur gibt ein Statement ab zu seinem ersten Spielfilm.
In fast all meinen Geschichten habe ich mich mit Menschen beschäftigt, die auf vielfältige Weise sich und anderen etwas vormachen. Der Held von So glücklich war ich noch nie ist auf vielfältige Weise die Quintessenz all dessen. Als ich mich für das Phänomen des Hochstaplers zu interessieren begann, stieß ich in meinen Recherchen auf eine wiederkehrende Konstellation: Ein Betrüger/Hochstapler wird aus dem Gefängnis entlassen, kommt in ein Bordell, verliebt sich in eine Prostituierte, um dann gemeinsam mit ihr eine Reihe von Betrügereien zu verüben.
Das klang ein bisschen wie Ärger im Paradies von Ernst Lubitsch, doch was ich mir anfangs noch als Komödie vorgestellt hatte, war alles andere als das. Die Betrüger, mit denen ich sprach, waren zerrissene Persönlichkeiten und die Prostituierten gezeichnet von traurigen und brutalen Erlebnissen. So ist So glücklich war ich noch nie eine traurige Geschichte im Gewand der Komödie. Ich wollte dem Hochstapler die Heldenhaftigkeit und Eleganz nehmen und jene innere Verzweiflung präsentieren, die ihn in die Realitätsflucht treibt und zum Hochstapeln bringt.
Beim Hochstapeln ist es wie beim Pokern: man spielt nicht sein Blatt, sondern sein Gegenüber. Ein Hochstapler erkennt die Wünsche, die Schwächen und die Gier seiner Opfer und kann sie immer auf genau die “richtige” Art und Weise ansprechen. Der Film zeigt aber, dass dahinter ein Mensch steht, vielleicht selbst ein Opfer, und dass seine Taten ihren Ursprung nicht in gemeiner Verschlagenheit, sondern in trauriger Einsamkeit haben. Die Leere der eigenen Persönlichkeit. Die zwanghafte Sehnsucht, jemand anderes zu sein. Die Sucht nach Anerkennung. Der Wunsch, geliebt zu werden. All das steht hinter der Hochstapelei des von Devid Striesow gespielten Frank Knöpfels.
Dabei ist So glücklich war ich noch nie gleich in doppelter Hinsicht ein Schauspielerfilm. Ein Film mit bemerkenswerten Schauspielern bis in die kleinste Rolle und ein Film, der gewissermaßen von einem Schauspieler erzählt. Wenn er betrügt, spielt der Held dieser Geschichte die verschiedensten Rollen und vergisst sich mitunter selbst. So glücklich war ich noch nie soll auch ein Film sein, der fragend den Grenzen zwischen Komik, Groteske und Traurigkeit nachspürt. Meine Antworten haben sehr viel damit zu tun, dass sich meine Geschichte stets dann verlangsamt, wenn der Schmerz der Helden am größten ist. Mich fasziniert der Moment, in dem sich Komik und Entsetzen treffen. Und nicht zuletzt ist der Film eine Liebesgeschichte zweier verlorener Seelen, die sich einander aus den beiden Ecken “gespieltes Leben” und “gespielte Liebe” nähern und sich für einen kurzen Moment des wahren Glücks begegnen.
Das Wesen des Hochstaplers?
Als Filmemacher habe ich mich stets zurückgehalten, wenn es darum ging, die Ursache des “Hochstapelns” zu benennen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie keiner genetischen Disposition entspringt und auch nicht einer erhöhten Anzahl weißer Blutkörperchen, welche angeblich das Lügen fördern. Ich vermute, es ist eine Persönlichkeitsstörung, deren Hauptgrund in einer brüchigen Kindheit liegt. Einen klaren Auslöser – im Sinne einer Traumatisierung – hat mir niemand geschildert.
Vielmehr scheint mir, dass in allen – wirklichen allen – Hochstaplerbiographien in früher Jugend irgendwann die Gewissheit des eigenen Unwerts aufgetaucht ist. Das daraus resultierende Bedürfnis, nicht authentisch zu sein, sondern sich in einem angemaßten Leben mit angemaßten Eigenschaften wichtig machen zu müssen, ist dem Hochstapler – so scheint es mir – seit damals geblieben. Vielleicht liegt darin auch das Geheimnis einer besonderen Sensibilität. Vielleicht sind Hochstapler nie erwachsen geworden und tragen immer noch ein hohes Maß kindlicher Offenheit, Angst und Aggression in sich.
Viele gerichtsnotorische Betrüger, die ich getroffen habe, erzählten mir, sie würden die finanziellen Sehnsüchte ihrer Gegenüber “praktisch aus dem Bauch heraus” spüren und sie mit Lügen “einwickeln”. Mich erinnerten sie mitunter an Kinder, die versuchen, einen Erwachsenen um jeden Preis zu beeindrucken. Keiner von ihnen bediente sich eines besonders elaborierten Sprachcodes. Dass man ihnen glaubte, lag in der Intensität und Emotionalität ihrer Worte, verdankte sich dem zeitweiligen unbedingten Glauben der Lügner an die eigene Lüge. Auch die Tatsache, dass die meisten Hochstapler finanzielle Zuwendungen lieben und an der Höhe der erschwindelten Geldbeträge ihren Selbstwert messen, aber das Erschwindelte genauso gern wieder wegschenken, erinnert mich irgendwie an ein kindliches Gemütsleben.
Ironischerweise zeichnen fast alle Fähigkeiten der Hochstapler – Menschen zu begeistern, sich in fremde Rollen zu versetzen, ständig “über sich hinauszuwachsen” – auch Starverkäufer, Topmanager, Künstler, Schauspieler und Rockstars aus. Die fehlende Authentizität schneidet die Karriere des Hochstaplers aber immer wieder ab – dann, wenn er erwischt wird. So tragen die Taten mitunter bereits die Sehnsucht in sich, erwischt zu werden. Und das Erwischtwerden die neuen Taten.
Quelle: Mit Material von Kinowelt