Ich, das Appartement & Tennisschläger-Spaghetti

04.05.2012 - 16:50 UhrVor 12 Jahren aktualisiert
Zusammen ist man weniger allein: C.C. Baxter und Miss Kubelik.
United Artists
Zusammen ist man weniger allein: C.C. Baxter und Miss Kubelik.
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Mein Herz für Klassiker verschenke ich heute an Das Appartement aus dem Jahr 1960. Wer diese oscarprämierte Filmperle noch nicht kennt, sollte das ganz schnell ändern – ich verrate euch auch, wieso.

Was würdet ihr denken, wenn einer eurer Arbeitskollegen jeden Abend einem seiner Vorgesetzten seine Wohnung überlässt, damit dieser sich zum privaten Stelldichein mit einer Geliebten treffen kann? Und was würdet ihr denken, wenn der Arbeitskollege so viele Anfragen erhält, dass er selbst dann nicht zuhause bleiben kann, wenn er krank ist? Richtig, das muss ein ziemlich bedauernswerter Geselle sein, der anscheinend kein eigenes Privatleben besitzt und der das alles wohl nur auf sich nimmt, um auf der Karriereleiter nach oben zu klettern. Dieser arme Kerle aus Das Appartement heißt C.C. (Bud) Baxter (gespielt von Jack Lemmon) und arbeitet bei einer New Yorker Versicherungsgesellschaft. Er ist der nette Typ von nebenan, der sich aber rumschubsen lässt und der aus Verzweiflung bereits versuchte, sich zu erschießen. Sein Nachbar hält ihn derweil für den größten Schürzenjäger, weil in seiner Wohnung immer Frauenbesuch ansteht. Nur ist das eben nie sein eigener.

Zu allem Überfluss ist Baxter auch noch heimlich in die Fahrstuhlführerin Fran Kubelik (Shirley MacLaine) verliebt, die wiederum den gemeinsamen Chef Mr. Sheldrake (Fred MacMurray) liebt. Natürlich muss diese Liebe eine Affäre bleiben, denn Sheldrake ist verheiratet und hat nicht die Größe, seine Frau zu verlassen. Es kommt also, wie es kommen muss: Fran und Mr. Sheldrake treffen sich in Baxters Appartement, doch am Ende lässt Sheldrake sie wieder spüren, dass ihre Beziehung keine Zukunft hat. Sie versucht sich in der Wohnung mit Tabletten umzubringen, wird dann allerdings von Baxter entdeckt und anschließend von ihm aufgepäppelt.

Warum ich dem Appartement mein Herz schenkte
Dazu kann ich nur sagen: Wie das Leben so spielt, Fortuna-mäßig.

Warum auch andere das Appartement lieben werden
Billy Wilder bekam für Das Appartement nicht nur fünf Oscar-Nominierungen, sondern er heimste 1961 auch tatsächlich alle fünf Statuetten ein (unter anderem für den Besten Film und Billy Wilder als besten Regisseur, Autor und Produzent). Wie in seinem früheren Klassiker Manche mögen’s heiß punktet Billy Wilder mit seinen hervorragenden Schauspielern. Jack Lammon war einer der ganz Großen und besonders in seiner Rolle des C.C. Baxter muss der Zuschauer ihn einfach mögen. Spätestens wenn ihr seht, wie er seine Spaghetti gekonnt über einem Tennisschläger abtropft, ist es um euch geschehen. Garantiert.

Warum das Appartement einzigartig ist
Silvester wird in romantischen Komödien nur allzu gern genommen, um die Liebenden endlich (wieder) zu vereinen und zum Schluss der Story den Liebesreigen zu schließen. Denn seien wir mal ehrlich, wann sind wir sentimentaler als an Weihnachten und Silvester? Wenn es Mitternacht schlägt und ein neues Jahr beginnt haben wir das Bedürfnis, diesen ganz besonderen Moment mit den Menschen zu verbringen, die uns am wichtigsten sind. Und aus diesem Grund finden die Paare klassischer Hollywoodfilme meist zu genau diesem Zeitpunkt zueinander. Am bekanntesten ist wahrscheinlich die Szene aus Harry und Sally, in der Harry (Billy Crystal) die wohl ehrlichste und rührendste Liebeserklärung der Filmgeschichte macht. Das Appartement setzt dem Ganzen aber meiner Meinung nach noch das Sahnetüpfelchen auf. Fran Kubelik denkt am Ende zwar, dass sie den Silvesterabend mit ihrem Traummann verbringt – dann aber schießt ihr wie ein Blitz durch den Kopf, dass sie die ganze Zeit über blind gewesen ist. Sie sitzt bei dem falschen Mann am Tisch und springt plötzlich auf, um den Jahreswechsel mit ihrer wahren Liebe zu verbringen. Als sie dann in Baxters Wohnung ankommt folgt allerdings keine stürmische Liebesszene, nicht einmal einen Kuss geben sie sich. Billy Wilder bleibt also seiner Figurenzeichnung treu, indem er die beiden stattdessen auf der Couch sitzen und Karten spielen lässt. Wenn Baxter endlich seine Gefühle preisgibt, erwidert Fran bloß mit einem Lächeln: Shut up and deal.

Warum das Appartement die Jahrzehnte überdauerte
Manche von euch mögen Das Appartement vielleicht für angestaubt und nicht mehr zeitgemäß halten. Aber was den Film so besonders macht, ist die Tatsache, dass er sich nicht wiederholen lässt. Es gibt keinen, der Jack Lemmon oder Shirley Maclaine ersetzen kann. Frauenrollen wie die der Fran Kubelik gibt es heute kaum noch zu sehen: Sie ist keine pure Schönheit im traditionellen Sinne, sie ist eher burschikos, verletzlich und auch rotzfrech. Und was Baxter und Miss Kubelik von anderen Liebespaar-Stereotypen unterscheidet, ist die Tatsache, dass sie sich nicht aus purer Leidenschaft zueinander hingezogen fühlen. Sie brauchen sich gegenseitig, um sich aus ihrer Einsamkeit herauszuziehen. Das Appartement ist kein reiner Liebesfilm: Er liefert uns eine sympathisch überspitzte Satire auf die Geschäftswelt mit kuriosen Charakteren. Das alles macht Billy Wilders Film zu einem Klassiker erster Güte, der auch nach über 50 Jahren nichts von seiner Stärke eingebüßt hat.

Was sagt ihr zu Das Appartement?

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