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Ich denke, also blogge ich

24.09.2014 - 04:42 UhrVor 10 Jahren aktualisiert
Das Denkarium für Muggle.
Kunstmut
Das Denkarium für Muggle.
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Da schaue ich also mal wieder auf moviepilot vorbei und siehe da, ein neues Feature: Blog! Der Blog? Oder das Blog? Egal, es glitzert, ich will es haben.

In den sogenannten Erste Welt Ländern gibt es Probleme, die mitunter sinnfrei und belanglos wirken, wenn man sie im Gesamtkontext betrachtet. Es geht um die allseits beliebten und zitierten „first world problems“. Wie es beispielsweise um den Krieg oder den Hunger in der Welt steht, ist Nebensache. Die wahren Feinde sind die Langeweile und die Sucht nach Drogen, um eben dieser Langeweile zu entkommen.

Und die Frage, welche Bedeutung die neue Blogfunktion auf moviepilot einnimmt und wie sie moviepilot verändern wird, ist ein solches Luxusproblem. Dennoch nehme ich mir heute die Zeit, um mich mit einem solchen Luxusproblem zu beschäftigen. Schließlich bin ich ein Filmfreund und das Schreiben von Texten ist meine größte Leidenschaft.

Tod der Speakers Corner. Es lebe die Blogologie! Oder war es doch Scieneblogoly? Egal, Hauptsache ich blogge, du bloggst, er sie es bloggt … Blogologie, die Lehre des Bloggens. In Mundart nicht zu verwechseln mit Blockieren. Das ist etwas anderes und kann gerade bei zartbesaiteten Forenusern zu wutentbrannten Protestaktionen führen. Mit Gewalt und Terror und der guten, alten Mistgabel. Also seht euch vor, falls die Anzahl der „Gefällt mir“ signifikant sinkt. Dann hilft nur noch das Worst-Case-Szenario, um den Gau zu verhindern: Der Shutdown samt Beschäftigung ohne Internet. Und wenn es ganz schlimm kommt, warten frische Luft und Sonnenschein auf den Ausgestoßenen. Aber soweit wollen wir es ja nicht kommen lassen, oder?

Da schaue ich also mal wieder auf moviepilot vorbei und siehe da, ein neues Feature: Blog! Der Blog? Oder das Blog? Egal, es glitzert, ich will es haben. Der moviepilot blog ist nicht einfach ein blog. Es ist ein blogblog. Aber bevor ich anfange meine persönliche Bibliothek oder wohl eher Blogliothek des Grauens aufzubauen, will ich doch erst einmal darüber sinnieren und reflektieren, wozu ich das Ganze eigentlich machen sollte.

Unter diversen Ausrufen des überschwänglichen Lobes habe ich bereits einige kritische Anmerkungen gefunden.

Ein moviepilot User, der erst einmal anfängt, sich mit dem Blog zu beschäftigen, der investiert keine Zeit und keine Arbeit mehr in die Kommentare. Wo vorher die vielleicht 500 bis 1000 Wörter in einen langen Kommentar wanderten, spazieren sie jetzt in einen hübschen Blogeintrag. Sieht ja auch viel schicker aus. Und dann noch die Möglichkeit bunte Bilder und Videos und Teaser einzubinden maximiert den Komfort. Viele, viele bunte Smar... eh... Sichtweisen.

Natürlich nimmt die Benutzerfreundlichkeit zu. Die Texte sehen schöner aus, mehr User fangen an, sich mit dem neuen, bunten Kram auseinanderzusetzen und mehr User werden diese neuen Blogeinträge auch lesen. Diese sehen im Vergleich zu den altbacken anmutenden Kommentaren raffinierter und gewitzter aus. Warum auch ewig lange monotone Textwälle durchkämmen, wenn anderswo farbenfrohe Titelbilder und schöneres Textlayout winken?

Auf lange Sicht kann das nur bedeuten, dass sich die beliebten ausführlichen Kommentare und die dazugehörigen Kommentarketten auf die Blogs verschieben werden. Lange und ausführliche Kommentare wird es dann nicht mehr geben. In den Kommentaren wird man in Zukunft wohl häufiger mit einer handvoll Sätzen leben müssen. Guter Film, weil … oder böser Film, weil … subjektive Wahrnehmung und Pseudomeinungen wird es gratis dazu geben.

Ist das in irgendeiner Weise schlimm? Nein! Immerhin bleibt die Qualität erhalten. Der aufmerksame Leser muss sie nur anderswo suchen. Nur bleibt mir die bange Frage, ob Kommentare jetzt dazu verdammt werden, nur noch für Antworten herzuhalten. Der produktive Teil, wo der User selber aktiv wird und nicht bloß kommentiert, verlagert sich ja auf die Blogs.

Wird dann die Kommentarsektion überhaupt noch notwendig sein? Die Antwortmöglichkeit auf die einzelnen Blogs wäre logisch betrachtet völlig ausreichend. Das alte Kommentarsystem könnte sofort abgeschafft werden. Oder entsteht vielleicht eine neue Subkultur von Filmkritikerpoeten? Menschen, die es schaffen in drei bis fünf Sätzen mehr über einen Film zu sagen, als es andere Menschen in drei bis fünf Seiten schaffen. Der gemeine Leser darf, was das betrifft, gespannt sein.

Und wo ich schon einmal bei dem Aussagegehalt bin, stoße ich auf einen weiteren Kritikpunkt. Einige nachdenkliche Stimmen äußern, dass moviepilot demnächst inflationär mit Texten zu bombardiert wird. Das ist zunächst nicht weiter schlimm, aber wie immer gilt die Faustregel: Masse ist ungleich Klasse. Nur weil jeder User einen Blog führen kann, heißt das nicht, dass moviepilot demnächst zu einem Ort der Dichter und Denker wird. (Wohl eher: Dichten und Henker, weil kopflose Beleidigungen und so weiter …)

Wie viel Mist mag da jetzt nur auf uns zu kommen? Und ich bezweifle es ernsthaft, dass die Redaktion es schafft sämtliche Blogs zu überprüfen, um den ganz groben Unfug zu sieben. Auf der anderen Seite gibt es jedoch auch User, die mit ihren kleinen Kommentaren hier und da wahrscheinlich voll zufrieden waren. Nicht jeder braucht einen Blog oder will einen Blog. Neue Features sind immer toll – sofern man sie nicht zwingend nutzen muss.

Und dann wäre da noch ein Kritikpunkt, der mich selber beschäftigt. Wird bei der ganzen Bloggerei die Redaktion nicht arbeitslos? Zwar bin ich erst seit einem halben Jahr auf moviepilot angemeldet, aber ich habe schon mehrfach beobachten können, wie Userkommentare mit Lob überhäuft wurden, während sich Artikel der Redaktion Tadeln und Schmähungen ausgesetzt sahen.

Wie wird dann in Zukunft das finanzielle Konstrukt hinter moviepilot aussehen? Werden die User kostenlos Blogeinträge schreiben und wird sich die Redaktion immer mehr zurückziehen? Immerhin erweckt es den Anschein, als würde moviepilot von der Qualität der Userkommentare leben. Die Redaktion verteilt lediglich News und Werbung, die nicht nur uninteressant, sondern obendrauf oberflächlich und hohl wirken.

Jetzt kann man selbstverständlich dagegen halten, dass die Arbeit der Redaktion qualitativ hochwertig ist. Und dass die Blogs der User lediglich ein neuer Schritt sind, um das sowieso schon breite und interessante Angebot noch zu erweitern. Letztlich würden die User davon profitieren, da diese nun die Artikel der Redaktion und der Blogs zum Lesen hätten.

Außerdem kann man in Sachen Qualität auch behaupten, dass vieles von dem, was geschrieben wird, Schundwerk ist. Ganz egal, ob das Texte von der Redaktion oder von den Blogs sind. Vieles wird generisches, solides Schreiben sein. Über Filme, Filmnews, Stars, Werbung, Aufzählungen, Vergleiche, klopfende Fanherzen und dergleichen. Nur weniges wird wirklich die Kraft haben, heller zu strahlen und ein Mehr an emotionaler und geistiger Beschäftigung hervorzurufen.

Es gab auch die Frage nach den Auswirkungen der moviepilot Blogs auf sämtliche andere Blogs im Netz. Was das angeht, sehe ich persönlich gar kein Problem. Schließlich kann man alles mit allem verlinken. Im Falle von moviepilot ist das sogar ein Gewinn, denn nun kann man seine Artikel von der eigenen Homepage zu den Lesern bringen. Ganz bequem und ohne viel Aufwand. Diejenigen, die bis jetzt einen eigenen Blog geführt haben, dürften sogar im Vorteil sein. Sie müssen nicht erst von ganz vorne anfangen, sondern können direkt daran feilen, wie sie ihre Texte optisch am besten in Szene setzen.

Und hier bin ich bei dem Punkt angelangt, über den ich besonders intensiv nachdenke. Wie wird sich diese ganze Blog-Sache entwickeln? Erleben wir eine Art facebook für Filmjunkies mit tausenden Blogs? Sozusagen eine Villa Kunterbunt, ein Platz der neuen, intelligenten Filmkunst? Wird moviepilot zu einem Sammelsurium an interessanten Sichtweisen, durch die man stundenlang stöbern kann? Ich hoffe es doch sehr. Allein die ganzen Diskussionsrunden wären umso vieles belebender und erquickender, als der ganze stinkende Unrat, der sich auf youtube, facebook und Konsorten ausbreitet.

Insgeheim glaube ich allerdings, dass sich nur wenige Blogs auf lange Zeit halten werden. Nicht jeder ist zum Autor berufen oder hat Lust etwas zu schreiben. Und nicht jeder hat etwas Interessantes zu erzählen. Das kommt dann noch hinzu. Aber jener Teil der User macht dann das, was moviepilot ausmacht: Freudig unter Freunden diskutieren.

Bislang bin ich von der Idee angetan, dass jeder User einen eigenen Blog bekommt. Ich habe heute schon einige interessante Texte gelesen, die ich sonst nie entdeckt hätte. Die Sache ist äußerst spannend. Jedoch bin ich skeptisch, welche und vor allem wie viele Blogs noch in einem oder zwei Jahren übrig sind. Und ich meine gepflegte Blogs mit tiefsinnigen Inhalten.

Ich drücke die Daumen, dass sich die Blogs auf moviepilot wunderbar und prächtig entwickeln.

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