Ihr könnt jetzt gratis eine dystopische Serie streamen, die genau den Nerv der Zeit trifft – aber sie macht einen großen Fehler

21.02.2025 - 14:00 Uhr
Families Like Ours - Nicht ohne Euch
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Families Like Ours - Nicht ohne Euch
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Oscarpreisträger Thomas Vinterberg strickt mit Families Like Ours eine komplexe Katastrophenserie mit Coming of Age-Elementen, die leider an einer Stelle falsch abbiegt.

Mit der Near-Future-Serie Families Like Ours - Nur mit euch präsentiert Regisseur Thomas Vinterberg (Der Rausch) eine siebenteilige Miniserie aus dem Herzen Dänemarks. Er greift aktuelle gesellschaftspolitische Diskussionen auf und bettet sie in ein realistisches Katastrophenszenario ein. Aber wird die Serie ihrer spannenden Prämisse gerecht?

Dystopisches Dänemark in Families Like Ours: Vom Wohlstandsbürger zum Geflüchteten

Die siebenteilige Miniserie ist in Dänemark angesiedelt. Da der Meeresspiegel unaufhörlich steigt, muss das ganze Land evakuiert werden. Plötzlich sind die 19-jährige Laura (Amaryllis August) und ihre geschiedenen Eltern Geflüchtete. Sie erfahren, was es heißt, alles hinter sich zu lassen und ein neues Leben in einem anderen Land zu planen. Hier spricht Oscarpreisträger Vinterberg, der sich am Anfang seiner Filmkarriere durch das Dogma 95-Manifest stark dem Realismus verschrieben hatte, gleich zwei aktuelle Themen an: Klimawandelfolgen und Migrationspolitik.

Schaut hier den Original-Trailer zur Serie Families Like Ours:

Families Like Ours - S01 Teaser Trailer (English Subs) HD
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Dänemark verfolgt seit Jahren eine strikte Einwanderungspolitik, die darauf abzielt, die Zuströme der Asylbewerber und Migranten zu reduzieren. In Families Like Ours wird der Spieß umgedreht und die Dänen werden mit ihrer eigenen Politik konfrontiert. Nach und nach schließen sich für sie die Grenzen nach Großbritannien, Deutschland und in die nordischen Ländern – es sei kein Platz mehr für sie da. Auch die Schere zwischen Arm und Reich thematisiert Vinterberg: Wer es sich leisten kann (und früh genug dran ist), wählt das Zielland, andere sind auf staatliche Programme ohne freie Wahl angewiesen.

Besonders erschreckend: Die dargestellte Hochwasserkrise ist gar nicht so weit hergeholt, denn in Dänemark eskaliert der Meeresspiegel in Echtzeit. Aktuellen Berechnungen des Zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimaänderungen (IPCC) zufolge, steigt der Meeresspiegel bis zum Jahr 2100 – abhängig von den Kohlenstoff-Emissionen – über einen Meter. Es wird sogar eine künstliche Insel gebaut, um zusätzlichen Wohnraum und einen Sturmwall zu schaffen. Sobald der Meeresspiegel um mindestens sechs Meter steigt, versinkt Dänemark tatsächlich in den Fluten.

Families like Ours konzentriert sich auf die Familie

Die Serie verzichtet auf dunkle Zukunftsszenarien im Stile eines cineastischen Roland Emmerich-Naturspektakels. Vielmehr schleicht sich das Wasser bei Vinterberg langsam ein. Erst auf der Traumebene (einige Figuren haben Visionen), dann erst in der ganzen Hauptstadt. Man beschränkt sich bei der eigentlichen Katastrophe auf wenige Nachrichtenmeldungen, bei denen Drohnenaufnahmen von Kopenhagen gezeigt werden.

Deutlich erkennt man das Rathaus, Amalienburg und den Nytorv Square. Das Außenministerium in Kopenhagen funktioniert Vinterberg zum Migrationsministerium um. Der Glasbau erinnert an Adam Price’ dänische Politserie Borgen - Gefährliche Seilschaften. Allerdings taktieren in Families Like Ours nicht die Politiker:innen, sondern die Bürger:innen. Bestimmungen von Außen lenken das Geschehen, das im Bereich des Familiären fortgeführt wird. Dadurch sind viele Anknüpfungspunkte möglich.

Wie irrational von der Liebe gesteuerte Puppen

Folge für Folge spitzt sich die Krisensituation in Families Like Ours zu. Eigentum ist plötzlich wertlos, Banken sind überfordert, die Wut und Angst der Bevölkerung vor einer Grenzschließung wächst. Inmitten dieses Chaos verlieben sich Laura und Elias (Albert Rudbeck Lindhardt) Hals über Kopf. Mit den für Dänemark typischen Schirmmützen auf dem Kopf und dem Abschluss in der Tasche steuern sie einer unbestimmten Zukunft entgegen. Und mit den Bedrohungen werden die Bilder immer dunkler – hervorragend eingefangen von den Kameramännern Sturla Brandth Grøvlen (Der Rausch) und Manuel Alberto Claro (Melancholia).

Spätestens mit der Abreise aus Dänemark nimmt die Serie aber eine klare Wendung – leider auch qualitativ. Vor allem die frustrierenden Entscheidungen von Laura und Elias sind nicht plausibel, bisweilen sogar ziemlich dumm. Etwa, wenn sie sich panikartig einer Schlepperbande anzuschließen oder in einer anderen Szene ohne Pass reisen. Beide riskieren ihr Leben: Laura für ihre Mutter, Elias für Laura. Letztlich wirken sie wie von der Liebe getriebene, irrationale Puppen. Vor allem die hochintelligente Laura fällt dabei der Handlung zum Opfer. Schade.

Eigentlich hätte Regisseur Thomas Vinterberg mit der durchaus real anmutenden, dystopischen Near-Future-Serie einen großen Hit abliefern können. So ist man aber stellenweise durch die Aneinanderreihung von Fehlentscheidungen genervt. Dabei zeigen Vinterberg und sein Co-Autor Bo Hr. Hansen eigentlich gut auf, wie zerbrechlich Wohlstand ohne das nötige Fundament sein kann und wie wichtig es ist, auch in Notsituationen einen kühlen Kopf zu bewahren. Liebe allein reicht nicht.

Families Like Ours - Nur mit euch läuft am Freitag, den 21. Februar 2025 um 23:10 Uhr im Ersten an und ist ab diesem Tag auch gratis in der ARD-Mediathek streambar.

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