Normalerweise schreibe ich hier über Trends, die sich in den nächsten Jahren weiterentwickeln (oder eben nicht). Das heutige Thema kommt aber mit einem echten Hauch Science Fiction daher. Diesmal soll es tatsächlich darum gehen, wie das Kinoerlebnis in ein paar Jahrzehnten aussehen könnte. Kein Geringerer als Martin Scorsese hat nämlich kürzlich verlautbart, dass die Zukunft des Kinos Hologramme sein könnten. Wenigstens auf den ersten Blick wirkt diese Prognose vielversprechender als etwa das gern propagierte Geruchskino.
Neben Hugo im Kinosaal?
Gängigen Klischees zu Folge sind ältere Regie-Kader technischen Neuerungen alles andere als zugetan. Nicht so Martin Scorsese. Der Meisterregisseur hinter Wie ein wilder Stier und GoodFellas – Drei Jahrzehnte in der Mafia zeigt sich seit seiner Arbeit an Hugo Cabret ungemein begeistert von der 3D-Technik. Doch wenn es nach ihm ginge, wären dreidimensionale Filme schon von gestern. Bei einem Screening seines neuen Films meinte er kürzlich: “Wenn alles glatt geht und keine größere Katastrophe auf uns zukommt, bewegen wir uns in Richtung Hologramme.” Im Zusammenhang mit möglichen Hologramm-Schauspielern, die sich zwischen den Zuschauern bewegen, sagte Martin Scorsese: “Sie machen das im Theater. […] Ihr solltet einfach so denken und euch nicht von Moden und der Wirtschaft einschränken lassen.”
Mit dem letzten Satz hat Martin Scorsese absolut recht. Seine Innovationsfreude und Begeisterung für die Technik und deren Visionen ist bewundernswert. Doch die Implikationen seiner kurz angerissenen Vorstellungen müssen erst einmal erfasst werden. Immerhin könnte sich durch Hologramme das, was wir unter Filmen verstehen, fundamental wandeln.
Mittendrin, statt nur dabei
Filme im Kino zu schauen ist ein zumindest körperlich extrem passiver Akt. Das hat schon lauter gelangweilte Psycholanalytiker zu Höhlengleichnissen animiert. Doch es ist, wie es ist. Wir betreten den dunklen Kinosaal, versinken in den weichen Sesseln und lassen den Film die Arbeit machen. Klar, wir denken (vielleicht) mit, manchmal lachen wir, manchmal zucken wir zusammen. Doch da hört die Interaktion auch schon auf. Unwesentlich anders läuft das daheim im Wohnzimmer ab. Wir schauen selbst dann nur zu, wenn es sich um einen 3D-Film handelt.
Ein Film bestehend aus Hologrammen könnte dagegen das uneingelöste Versprechen von 3D wahrmachen. Demnach gäbe es die Möglichkeit, ganz ohne Gläser und Kopfschmerzen räumlich Teil des Films zu werden. Anstatt auf einer Leinwand dem durchkomponierten Blick der Kamera zu folgen, würden Hologramme die Chance bieten, uns selbst für einen Standpunkt zu entscheiden. Die einen sähen beispielsweise einen Boxkampf von Jake LaMotta aus der Ecke seines Gegners, die anderen vom Tisch der Ringrichter aus usw. Wenn wir uns etwa ein Kino vorstellen, dass einer kreisförmigen Arena gleicht, und in der Mitte findet der Film statt, bekäme jeder Besucher ein ganz individuell “inszeniertes” Werk zu sehen. Der nächste Schritt wären dann interaktive Hologramme, so dass die Zuschauer wirklich Teil des Films werden.
Egal, wie die potenziellen technischen Umsetzungen aussehen, die Tatsache, dass es sich hier um echtes 3D handeln würde, könnte die Art und Weise, wie Filme erzählt werden grundlegend ändern. Und genau das dürfte für Martin Scorsese der große Reiz an der momentan noch unausgereiften Technik sein.
Prinzessin Leia ist Zukunftsmusik
Letztes Jahr ging die nachricht um die Welt, amerikanische Forscher hätten ein holografisches Bild fast in Echtzeit projiziert. Bisher kennen wir Hologramme höchstens von der EC-Karte und Raumschiff Enterprise: Das nächste Jahrhundert. Doch die Errungenschaft der Forscher in Arizona ließ dreidimensionale Hologramme im Raum erstmals in den Bereich des Möglichen und Alltäglichen reichen.
Die Betonung bei besagter Nachricht liegt allerdings auf “fast in Echtzeit”. Bisher ist eine Projektion von 24-30 Bildern pro Sekunde nicht umsetzbar. Bis komplexe, noch dazu realistisch schnelle Bewegungen gezeigt werden können, werden noch ein paar Jahre vergehen. Selbiges gilt für mehrfarbige Hologramme. Eine kleine vergrieselte Prinzessin Leia wie in Krieg der Sterne bleibt genau das, was es ist: eine Zukunftsvision. Hinzu kommen wie bei allen neuen Technologien Fragen der Kosten, der Größe der Gerätschaften und vieles mehr.
Selbst wenn Hologramm-Projektionen von Filmen in weiter Ferne liegen, ist mir die Idee hinter der Technik weitaus lieber als die des jetzigen 3D. Immerhin müssten wir unseren Augen dann nichts aufzwingen, das sie physisch überfordert. Stattdessen hätten wir eine echte 3D-Filmwelt zu erkunden. Wenn dadurch die unbequemen schwarzen Brillen aus den Kinosälen verschwinden, immer her damit! Selbst wenn es noch 20 Jahre dauert.
Was haltet ihr von Martin Scorseses Idee, Filme in Form von 3D-Hologrammen zu projizieren?