Als Mitte August diesen Jahres die Nachricht vom Tod von Jerry Lewis kam - mit 91 Jahren! - wollte ich es nicht glauben. Dazu noch, dass diese Meldung just mit meinem Geburtstag zusammenfallen musste, war ich doch seit je her immer Fan von Jerrys Partner Dean Martin gewesen. Diese quirlige, chaotische, ungeschickte, unsichere, vorlaute Nervensäge von einem Lulatsch mit Bürstenschnitt hatte seinen Partner Dean, mit dem er seine Karriere 1949 in Atlantic City - dem Vorläufer von Las Vegas an der Ostküste, in der Nähe von New York - um gut 20 Jahre überlebt. Dabei war er genauso eine Lebemann und starker Raucher wie der gutaussehende Schnulzensänger und Frauenschwarm Dino gewesen. Aber im Gegensatz zu Dino war er ein Workohoic und litt jahrelang an Diabetes, Kreislauf- und Herzproblemen. Woran er im Endeffekt starb, nun ja, das wurde nicht mitgeteilt. So nehme ich mal an, dass bestimmt auch der Zigarettenkonsum seinen Beitrag daran hatte.
Dass ich als Dean Martin-Fan einmal den Nachruf über Jerry,
dessen egomanischen Partner schreiben würde, hätte ich nie gedacht. Während
seiner Partnerschaft mit Dean Martin (16 Filme, 10 Jahre) bezogen ihre Fans nie
Partei: Für die Fans waren die beiden "Magie pur", eins. Erst nach
ihrem Bruch "musste" man Partei für einen oder den anderen beziehen;
eine Kombination war vepönt bzw. "Verrat". Logisch also, für
wen ich Partei ergriff.
Jerrys Rolle war am Anfang die eines unsicheren, grossen Jungen, der sich auf die (Theater) Bühne verirrt hatte und dort slapstickartig und spontan das Publikum mit "frivolen" Sprüchen unterhielt, während sein "reifer", weltmännischer und gut aussehender Partner das Publikum mit populären Songs unterhielt. Zusammen waren sie ein Dreamteam: hier der männliche, überlegene, besonnene, ernsthafte Sänger, dort der chaotische, krächzende, unberechenbare Milchbubi mit Bürstenschnitt, der weder seinen Körper noch seine Stimme im Griff hatte. Die Magie ihres Auftritts waren einerseits deren Gegensätze und dann der Mix aus Kalauer, Gesang, Parodie, Ironie, feinsinniger Komik. Wenn Jerry Dean in seinen sentimentalen Songs abrupt (und sehr oft unter Protest) unterbrach und vorgab, genauso gut singen zu können - wobei er natürlich gespielt keine Note halten konnte - und gegen Deans Singerei wetterte, dann riss das das Publikum von den Sitzen.
Dass die beiden zusammen kamen, das war purer Zufall bzw. aus der Not geboren, weil niemand nur einen "Comedian" oder nur einen "Sänger" suchte - von beiden Genres gab es in den 1940er-Jahren in den USA wie Sand am Meer. Und statt als Solist am Hungertuch zu nagen, war's clever, die beiden Jungstars zusammenspannen zu lassen, wie's ein Clubbesitzer in Atlantic City tat. Und auf die Schnelle kreierte Jerry - wohlbemerkt er war damals 19! - ein kurzes Drehbuch; es wurde ein Erfolg, ihr Durchbruch und eine Legende war geboren. Amüsant finde ich dabei, wie die beiden Werbung für sich machten: Am Strand von AC mimte Jerry den Ertrinkenden (im Meer), den Dean rettete und am Stand wiederbelebte - umringt von Feriengästen und potentiellen Zuschauern.
Jerry - meine Mutter nannte ihn zeitlebens nur "der verrückte Jude" - entstammte einer jüdischstämmigen, wenig erfolgreichen New Yorker Künstlerfamilie und musste von klein auf als Einzelkind hinter der Bühne der Variétés ausharren, bis seine Eltern ihr Programm durch hatten. So bekam er also schon sehr früh sehr viel mit, was dazu gehörte, um ein Publikum zu unterhalten. Von der Schule flog er, weil er als 14jähriger sich gegen seinen antisemitischen Lehrer, der ihn als "dummen Juden" bezeichnete, auflehnte (er schlug ihm einen Zahn aus) und damit seinen Rauswurf provozierte. Seine Frau Patti, mit der er 6 Söhne hatte - wie Bill Mockridge aus der "Lindenstrasse" - lernte er relativ bald danach kennen und heiratete sie, so dass das Duo - er mit 19 und sein Bühnenpartner mit 28 - bereits Ehemänner und Väter waren! Aber damals sprachen sie das auf der Bühne nie an - die Zeit war einfach noch nicht reif dafür. Dean Martin machte sich - das war irgendwie üblich in der goldenen Ära des Showbiz der 1940er bis 1950er-Jahren - nur 6 Jahre älter statt 10. Nebenbei bemerkt, auch Frank Sinatra machte man (die PR-Maschine Hollywoods) stets 3 Jahre +/- jünger, also statt, dass man zugab, er sei 32, liess man ihn 29 sein - das ideale Alter für die Fangemeinde von damaligen Teenies. Heutigen Teenies ist es doch schnuppe, wie alt ihr Schwarm ist, Hauptsache, er sieht gut aus und macht eine gute Performance. Basta. Tempi passati.
Als Kind kam ich durch meinen Vater auf das Duo. In den Filmen der beiden ignorierte ich Jerry stets; er war für mich Luft, ich mochte ihn nicht, er machte mich hibbelig (auch heute noch mag ich Clowns nicht). Eine Ausnahme unter Kindern, hatte doch Jerry vor allem die Kinder auf seiner Seite und wollte auch für diese spielen. "Das Lachen eines Kindes" war Jerry sehr viel wert. Und vielleicht konnten sich die damaligen Kids - mich nicht eingerechnet - wirklich mich Jerry identifizieren, als jemand, der zwar etwas will, aber für den die Zeit noch nicht reif ist. Nebenbei bemerkt: Kinder lagen dem Duo immer am Herzen. Kein Wunder also, dass diese auf dem Höhepunkt ihrer Partnerschaft einen Telethon für schwerkranke Kinder jährlich durchführten (eine Art 24 h-Stunden-TV-Marathon wie es heute RTL durchführt), wobei Millionen gesammelt wurden, um diesen Kindern und ihren Familien etwas Freude und Erleichterung ins triste Alltagsleben zu bringen. Und Jerry blieb seinem Telethon - das amerikanische Pendant für die deutsche Krebshilfe bzw. Aktion Sorgenkind - bis zum Ende treu, während Dean nach ihrem Bruch seine eigenen Wohltätigkeitsorganisationen (SHARE z.B.) gründete und dadurch auch viel Geld für kranke und bedürftige Kinder sammelte.
Seine Solo-Filme ignorierte ich natürlich, wenngleich ich seine Vegas-Shows hin und wieder - und das muss ich zugeben - sehr gerne sah. Denn in den 1970ern lief am späten Sonnabend die Reihe "Larrys Showtime" auf dem ZDF. Dort liefen dann die besten Aus-/Mitschnitte des aktuellen US-Showbiz mit Frank Sinatra, Dean Martin, Sammy Davis jr., Elvis, Jerry Lewis, Perry Como, Bing Crosby etc. Ein Leckerbissen, den ich - dank meines Vaters - immer auf die Audio-Kassetten unseres Grundig-Kassettenradios aufnahm. Die Sketche waren zwar synchronisiert, aber ich denke mal, auf Englisch waren sie ähnlich oder weniger entschärft. Diese Shows bewiesen, dass diese Generation - aus der goldenen Ära des Showbiz - Multitalente waren, d.h. dass die die ganze Palette von Sketchen, Tanzen, Parodieren bis zu Liedern beherrschten. Aber klar, das war nicht immer spontan, sondern sog "Cue Words" (Stichwort-Karten im Publikum) halfen den Stars manchmal auf die Sprünge. Das schmälerte aber weder den Unterhaltungswert noch die Qualität. Damals merkte ich auch, was für ein guter Sänger Jerry wirklich war, und das hatte nichts mehr mit dem krächzenden, pubertierenden Jungen mehr gemein, was ich von den alten Shows gewohnt war - ich hatte damals mir LPs von den Radio-Shows des Duos gekauft und rauf und runtergespielt, ohne je die Worte richtig zu verstehen. Ich war so an die 12 oder 13 Jahre alt, sammelte fleissig weiteres Material, so dass ich heute einige Radio-Shows aus den 1940ern und 1950ern auf LP habe, dann ihre ersten TV-Shows - die viel mit den Radio-Shows gemein hatten - auf Videokassetten, diverse Comic-Hefte - das Duo wurde in einer Comic-Reihe gewürdigt, die heute schweineteuer ist - und natürlich Bücher und DVDs über sie.
Merkwürdig, dass ich ausgerechnet jetzt, d.h. kurz vor Jerrys Tod, angefangen habe, all diese Shows wieder aufzulegen. Und heute verstehe ich natürlich die Doppeldeutigkeiten, den Wortwitz und die Ironie zwischen den Zeilen. Ich muss ehrlich zugeben, Jerry war wirklich ein Genie, zeichnete er doch schon von Anfang an verantwortlich für die Dialoge. Was mich wundert ist natürlich, dass ich nach wie vor meine allererste LP dieser Radio-Shows (Dezember 1949) mit Stargast William Bendix, für die beste Show halte. Eine kurze Kostprobe davon: Jerry und Dean sind für eine Show engagiert und spät dran, ihre Pension zu verlassen. Kaum aus der Tür, treffen sie auf ihre junge Nachbarin Flo, Jerry weiblicher Alter Ego. Die ist auf Jobsuche und begleitet die beiden ins Studio. Dort wird sie zu Jerrys Assistentin - wenn man's so bezeichnen kann -, weil die beiden gemäss Jerrys Drehbuch Sketche spielen wollen. Und da Jerry keine Zeit hatte, bittet er Flo, ob sie 3 Kopien des Drehbuchs machen könne. 3 Kopien - vor dem Zeitalter des Kopiergeräts wohlgemerkt! -, "Aber sicher!" Flos Antwort. "Und wie?" Jerrys Antwort: "Auf einer Schreibmaschine. Das ist ein Ding, in das man ein Papier steckt, tippt und am Ende der Zeile erfolgt ein Glöckchen, das bingbing macht, und man schaltet zur nächsten Zeile." Flos naive Antwort: "Gut, aber für 3 Kopien brauche ich doch 3 Schreibmaschinen, und ich sehe nur eine", Jerry belehrt sie dann altklug (und bildlich): "Nein, du brauchst nur 1 Schreibmaschine. Du spannst einen Bogen Papier ein. Aber zuvor legst du unter das Papier ein Kohlepapier, dann ein zweites Papier, noch einen Durchschlag und ein 3. Blatt Papier. Diesen ganzen Stapel legst du in die Schreibmaschine und fängst an abzutippen...." Die Pointe am Ende (von Flo zu Jerry): "Leute wie du sind schuld an der Arbeitslosigkeit!" Das erzeugte zwar Lacher (im Publikum), ist und war aber doch die bittere Wahrheit -und ist es bis heute geblieben, 70 Jahre später: Arbeitslosigkeit und Technik - auch ein (Alp)Traumpaar! Persönlich fand ich das den besten Sketch, den die beiden produzierten, und ich habe viele davon - aber nicht Jerry Lewis' wegen.
Seine Filmrollen ähnelten sich wie ein Ei dem anderen: immer überdreht, hölzern, unbeholfen, unsicher, aber mit einer Pointe auf der Zunge. Die Entwicklung dieser Rolle nahm ihren Anfang auf der besagten Theaterbühne in Atlantic City, wurde in den Radio-Shows verfeinert, in den TV-Shows perfekt - meist gesponsert von namhaften Marken wie Colgate, Anacin (das US-Aspirin), Chesterfield und weiteren. Merkwürdig ist schon, dass ausgerechnet in den Radio-Shows Jerrys Rolle nur ein klein wenig anders ist als Deans: hier sind beide ebenbürtig, mit dem Unterschied, dass der ältere Dean, dem jüngeren Jerry, an Erfahrung überlegen ist. Als die erfolgreichen Radio-Shows ins TV adaptiert werden, ist Jerrys Rolle wieder jene, die er in Atlantic City auf der Bühne initiiert hatte: die eines pubertierenden Jungen, der naiv - nicht dumm!! - sich durchs Leben schlägt und sein Apartment mit Dean teilt, der als Mischung zwischen Vorbild-Bruder-Freund fungiert. Diese Showprogramme von Radio und TV dauerten knapp 30 Minuten und waren unterhaltsam, boten für die ganze Familie etwas. Sie waren quasi eine Mischung aus Werbung und Trailer, was später durch die Videoclips ersetzt wurde (Elvis' Vehikel dafür waren ja seine rein gesungenen Filme). Als dann Hollywood rief mit den Kinofilmen, wurde Jerrys Rolle etwas verlagert, d.h. die flegelhafte, jugendliche Rolle "erwachsener": In einem dieser Filme spielte er "seine" Ur-Rolle: die des pubertierenden Jungen, was man ihm auch abnahm ("You're never too young" war ein Remake von Billy Wilders 1941er "A Major and a Minor" mit versetzten Rollen)
In den legendären 16 Filmen, die er dann unter Hal Wallace's/Norman Taurog Regie/Produktion mit Dean Martin drehte, war er stets der Verlierertyp, mit dem man als Zuschauer Mitleid hatte, der sein Mädchen an Dean Martin verlor, aber - wie kann es anders sein nach vielen turbulenten Eskapaden - am Ende dennoch das Rennen gewann (auch in punkto Mädchen). Und gerade das war ausschlaggebend für den Bruch des Duos: Dean Martin hatte die Schnauze davon voll, stets Jerrys "Prügelknabe" oder "Blitzableiter" zu sein, der Buhmann. Als Hollywood dann rief, konnte das Multitalent Jerry Lewis alle Register seiner Show-Erfahrung ziehen: als Drehbuchautor, Regisseur, Produzent, Schauspieler und Produzent. Schon relativ früh war Jerry ein Perfektionist, ein Kontrollfreak - im Gegensatz zum legeren, coolen und bis zu einem gewissen Grad toleranten Dean Martin. Dean Martin hasste Wiederholungen, Proben; er wollte es locker, spontan aussehen lassen. Für Jerry dagegen musste alles perfekt sein. Kein Wunder also, dass die beiden in den beiden letzten gemeinsamen Filmen nicht mehr miteinander sprachen und wenn überhaupt, nur auf dem Set, und fortan getrennte Wege gingen. Wenn dann Dean nach Jerry gefragt wurde oder was er von diesem hielt, lautete seine lakonische Antwort: "Ich sehe nur Dollarzeichen." Dieser Bruch dauerte dann 20 Jahre, bis Frank Sinatra beide als Überraschung zu Deans 60.Geburtstag in Vegas auf der Bühne zusammenbrachte.
Zurück zu den alten Radio-/TV-Shows: Ich geniesse die wirklich. Sie sind so authentisch, so ein Status Quo der Zeit/Ära. Und vor allem süss finde ich Jerrys übersteigertes Selbstbewusstsein - damals spielten Dean und er immer nur sich -, das gegen aussenhin zuerst Eindruck macht, dann seine naiven (doppeldeutigen) Bemerkungen, die Dean entschärfen oder berichtigen muss, bevor er seine Gesangsqualitäten zum Besten gibt dem Stargast gegenüber, und mutiert schliesslich zu einem übertölpelten Jungen, der in einem Kalauer von Missverständnissen, alles tut, um seinen "grossen" Freund nicht zu enttäuschen. Dass auch damals schon Stargäste (z.B. George Raft, der wie Humphrey Bogart oft nur hartgesottene Gangster spielte) involviert waren, ist klar, und dass am Ende alles gut wird, auch. Wirklich gut gestrickt. Auf die Idee muss man erst kommen, dass ein Twen für ein gross geratenes Kind gehalten wird und dessen Freund für dessen Vater, von dem die Leiterin einer Schule die Geburtsurkunde haben willl…
Ob die Drehbücher wirklich alle aus Jerrys Hand waren, weiss ich nicht, aber ich weiss, was für ein kreativer Kopf er war. Sein bester (und bekanntester) Film ist für mich "der verrückte Professor", was ja mit Eddie Mujrphy neu aufgelegt wurde. Und Tim Curry und all die anderen modernen Comedians berufen sich alle auf Jerry Lewis, als ihr Vorbild. Schon komisch, dass Charlie Chaplin Jerrys grosses Vorbild war. Heute, wenn Charlie Chaplins Name fällt, dann denkt man nur an das kleine Männlein mit aufgemalten Schnäuzer, enger Jacke, Melone, übergrosser Hose und Schuhen, Stöckchen und seinem Watschelgang als Tramp.. Aber nun ja, Chaplin ist ein Kapitel für sich und ein ganz anderes Kaliber als Jerry.
Für viele ist Jerry
eben der "King of Comedy" als Reminiszenz an die grosse Zeit der
Hollywoodfabrik und gleichzeitig als Film (mit Robert de Niro) eine Hommage an
Jerry, der dort ja auch mitspielt, als gekidnappte Opfer (Robert de Niro wollte
dort ja auch als Komödiant so gross werden wie Jerry und entführt diesen
deswegen, quasi als Deal, dass dieser ihm zu einer TV-Karriere verhilft). Und
genauso bringt man Jerry stets mit Hasenzähnen, nach vorn gekämmtem Pony und
Brille in Verbindung - alles, um seiner Rolle des einfältigen Tölpels gerecht
zu werden. Je älter er wurde, und je mehr die Zipperlein kamen, desto
rundlicher wurde er, was ihm eigentlich ganz gut zu Gesicht stand.
Chemotherapien und Medikamente lassen grüssen.
Und zum Schluss: der "naive" Typ Jerry konnte aber auch anders, wie schon am Anfang erwähnt. Er war eine "One-Man-Show", wie eine indische Göttin, jonglierte mit drei Telefonen gleichzeitig, um mehrere Aufgaben zu erledigen. Wenn ich die alten Radio-Shows höre und jetzt auch verstehe, dann wird mir auch klar - das wurde erst aber klar, als ich die Biographien von Dean und Jerry auf Englisch las -, dass beide den New Yorker Slang (Mix aus English-Jiddisch) sprechen, das man ausserhalb fast nicht versteht wie "Shmok" und solches Zeug. Wir Deutschsprachigen können das in etwa verstehen oder bilden es uns zumindest ein, aber ansonsten erwecken allein die Aussprachen der Worte und die damit verbundenen - die sieht man ja nicht am Radio! - Mimiken und Gesten Gelächter, auch wenn man's vielleicht nicht versteht. Die beiden Biographien im Originalen waren vielleicht selbst von einem New Yorker verfasst. Aber damals kamen mir diese Worte wie ein Déjà-Vu vor: gut 50% des Vokabulars war deutsch-jiddisch geprägt - hatte also sehr wenig mit English gemein. Und was beim Duo Jerry/Dean auffiel war ihr familiärer Hintergrund: Hier der Italo-Amerikaner und Sohn eines Figaro Dino Crocetti aus dem deutschstämmigen Steubenville/Ohio und dort der jiddische New Yorker Joseph Levitch, die ihr familiäres Erbe stets auf die Bühne rüberbrachten. Ich glaube mich zu erinnern, dass Jerry als Solist nie wieder seine jiddischen Wurzeln so offen dargelegt hat wie im Team mit Dean. Barbara Streisand tut's ja bei jeder Gelegenheit, aber Jerry?
Was bleibt von seinem Lebenswerk? Vielleicht die Kunst, dass Comedy mehr ist, als böse satirisch und süffisant über aktuelle Themen herzuziehen. Ein Comedian muss alles können, nicht nur freche Sprüche klopfen. Als Jerry anfing, da wurde noch zwischen Comedy, Comedian, Ironie und Satire unterschieden. Heute läuft alles unter Comedy, wenn's das Label auch nicht immer verdient. Ich schätzte früher Politsatire, wenn ich sie auch noch nicht richtig verstand. Das gibt's heute nicht mehr, und wenn überhaupt, dann so überdreht, dass ich mich an den Grimassen ziehen ärgere und weiterzappe. Klar also, dass ich mit den heutigen Comedians überhaupt nichts anfangen kann, obwohl sich viele Jerry Lewis zum Vorbild nehmen, auch ein Jim Curry. Für mich bleibt Jerry nach wie vor Dean Martins Counterpart, und ich sehe ihn nur in 2 Rollen, die ich mit seiner Persönlichkeit identifiziere: den Jungen mit Bürstenschnitt - ich mag solche Typen! -, und der grossen Klappe, die unberechenbar ist und die das ganze Repertoire vom Hickser über den Gefühlsausbruch, von der Unsicherheit bis zum Überschäumen, von der Einsilbigkeit bis zur Spontaneität durchläuft, dabei aber stets den Wortwitz im Griffe hat (= roter Faden). Und mein zweites Bild ist der Grimassen schneidende Chinese mit falschen Zähnen. Wenn ich seinen Namen höre, dann verwechsle ihn im Gegensatz zu vielen anderen Leuten aber nicht mit dem Rock 'n Roller Jerry Lee Lewis - auch eine Persönlichkeit aus dem Showbiz der goldenen Ära der 1950er und 1960er Jahre. Und, was mich überrascht, ist natürlich, dass er am gleichen Tag wie mein Vater geboren ist, den 18.März 1926.