Gareth Edwards ist aus vielen Gründen perfekt, um einen Jurassic World-Film zu drehen. Er hat Erfahrung mit der Fortsetzung großer Monster-Franchises (Godzilla), verehrt Steven Spielberg, inszeniert aber auch Sci-Fi mit starker eigener Handschrift (The Creator). Jurassic World 4: Die Wiedergeburt zu drehen, war trotzdem eine extreme Erfahrung für ihn.
Jurassic World 4 war ein Traum und ein harter Test für Gareth Edwards
Seit Februar 2024 stand Gareth Edwards Collider zufolge offiziell als Regisseur von Jurassic World 4 fest. Wie er im Gespräch mit Moviepilot offenbart, war er bereits in seinen Jugendtagen großer Fan von Steven Spielberg und seinem Dino-Franchise. Mit dem Regieposten erfüllte sich also ein Traum. Aber er stellte den Filmemacher auch auf eine harte Probe: In kürzester Zeit musste der Blockbuster fertig sein, Verzögerungen durfte es nicht geben.
Im Interview mit Edwards wird eines deutlich: Er ist nicht nur ein ambitionierter Regisseur und ein fleißiger Arbeiter – sondern auch ein leidenschaftlicher Fan.
Moviepilot: Hast du einen Lieblingssaurier? Welcher ist dir spirituell am nächsten?
Gareth Edwards: Ich weiß nicht, welches mir spirituell am nächsten ist. Vielleicht der Compy [kurz für Procompsognathus, ein kleiner Saurier]. Aber wenn mir jemand die Pistole auf die Brust setzt und sagt, 'du darfst nur diesen einen im Film haben', dann müsste ich den T-Rex nehmen. Er ist so ikonisch.
Aber unser T-Rex ist nicht der aus dem Originalfilm, wir durften unser Exemplar anders gestalten. Wir hatten einen der besten Kreaturen-Designer überhaupt, der den T-Rex aus dem ersten Film für das beste Design der Welt hält. Ich erklärte ihm, dass wir unser eigenes Konzept entwickeln würden und er starrte mich an, als hätte ich ein Sakrileg begangen. Wir machten ein Spiel daraus: Ich schnappte mir immer wieder Bilder und bat ihn, sie irgendwie ins T-Rex-Design einzubauen. Die Bilder zeigten ganz frühe Illustrationen von Dinosauriern – die Vorlagen, die auch [Tricktechnik-Legende] Ray Harryhausen inspiriert haben. Ich wollte einen ursprünglicheren Look, den es noch vor Jurassic Park gab. Mehr Schuppen und Lippen und Augenbrauen und solche Sachen.
Schaut hier den neuesten Trailer zu Jurassic World 4:
Du warst 17, als der erste Jurassic Park erschien. Was ist deine erste Erinnerung an das Franchise?
Ja, ich las das Buch und freute mich unfassbar auf den Film, weil Steven Spielberg Regie führte. Ich las es langsam, da ich mir gleichzeitig den Film ausmalte. Und dann kriegte ich es nicht einmal zu Ende. Ich schaffte es bis zu den letzten zehn Seiten und dann kam der Film raus. Ich dachte mir: ‘Heute les’ ich es fertig, bevor wir ins Kino gehen.’ Aber dann holte mich schon die Mutter eines Freundes mit dem Auto ab und hupte in der Auffahrt. Das ganze Auto war voll und der einzig freie Platz war hinten, im Gepäckraum. Ich redete mir die Lage schön und sagte mir: ‘Es ist besser, dass ich das Ende nicht kenne, ich finde es dann im Film heraus.’ Heute weiß ich, dass das Ende im Film ganz anders als im Buch ist.
Du hast viel Erfahrung mit Sci-Fi-Blockbustern. Wie unterscheidet sich der Dreh von Jurassic World 4 von dem von The Creator oder Godzilla?
The Creator drehte ich im Guerilla-Stil. Der Unterschied ist folgender: Die Probleme sind genau entgegengesetzt. Bei Filmen wie The Creator und meinem Erstling [Monsters] herrschten Freiheit und Chaos, und das war gut. Aber man fragt sich ständig: ‘Wird das überhaupt irgendwer sehen wollen? Wie kriegen wir die Leute ins Kino?’ Bei einem Film wie Jurassic World 4 sagst du dir dagegen: ‘Die ganze Welt grübelt, was wir damit machen oder nicht machen.’ Mein Hauptziel war es, das Ganze etwas ungeschminkter und geerdeter zu gestalten.
Ich hatte fast das Gefühl, ein bisschen wie eine künstliche Intelligenz zu arbeiten: Man trainiert eine K.I. [wie beispielsweise ChatGPT] ja sozusagen, bis sie die Dinge selbst generieren kann. Und so fühlte sich auch die Funktionsweise meines Gehirns an: Du schaust als Kind jede Menge Filme. Und wenn du selbst einen drehst, wird er zum Hybriden all dieser Filme. Ich schaute unfassbar viele Spielberg-Filme. Und Star Wars. Als Erwachsener sah ich dann Apocalypse Now und die Werke von Terrence Malick und solche Sachen.
Natürlich sind das alles absolute Legenden. Aber ein Teil von mir ist ein Schmelztiegel dieser ganzen Filme. Und du möchtest stolz auf deinen eigenen Film sein, es soll kein glatt gebügelter Kitsch werden. Das Drehbuch [von David Koepp] hatte schon viel Humor und tolle Figuren. Ich hatte also das Gefühl, dass ich die Freiheit hatte, den Film etwas erwachsener und realistischer zu gestalten.
David Koepp und Steven Spielberg sollen eine sehr starke Vision für den Film gehabt haben. Wie viel der Story stand schon fest, als du an Bord kamst?
Das Drehbuch gab es schon. David und Steven hatten sich eine Story ausgedacht. Das war ungefähr ein und ein Vierteljahr vor dem Abgabetermin. Normalerweise hat man bei solchen Mega-Blockbustern zweieinhalb Jahre Zeit, um zu drehen. Ich erinnere mich, dass ich im allerersten Meeting die Hand hob und sagte: ‘Hier ist meine erste Frage: Können wir den Starttermin verschieben?’ Und alle sagten: 'Nein' [lacht]. Es war ein hartes Nein.
Im Rückblick hat uns der Zeitdruck geholfen. Niemand durfte sich hinterfragen, alle folgten ihrem ersten Impuls. Und niemand durfte dem Film in die Quere kommen. Falls irgendetwas den Dreh auch nur um ein paar Tage verzögert hätte, hätten wir den Starttermin nicht geschafft. Jeder musste sich also hinter das Drehbuch stellen und es einfach durchziehen. Es ist ein bisschen wie beim Guerilla-Stil [von The Creator]: Man verlässt sich nur auf den Instinkt. Man hat keine Zeit, groß nachzudenken.
Du hast in einem Interview gesagt, dass Steven Spielberg sich für Scarlett Johansson in der Hauptrolle stark machte, weil er ihre Wut vermeiden wollte. Schließlich hat sie eine Jurassic-Rolle lange verfolgt. Gab es noch andere Favoritinnen für ihren Part?
Wenn ich mich richtig erinnere, war es immer zu 100% Scarlett Johansson.
In deinem Film treten Dinosaurier wieder als Horror-Kreaturen auf. Findest du, er unterscheidet sich in dieser Hinsicht von seinen Vorgängern?
Die Entwicklung des Franchise fühlt sich wie eine Schachpartie an, in der meiner Meinung nach immer die richtigen Züge gespielt wurden. Ein Beispiel: Als ich das erste Mal von dem Jurassic Park-Buch hörte, dachte ich, es wäre wie Westworld, weil es auch von Michael Crichton stammte. Dass es um einen Vergnügungspark geht, der seine Touristen auffrisst. Stattdessen fühlte es sich wie ein Prequel an: Es spielte noch vor der Eröffnung des Parks. Zu der Zeit dachte ich mir wohl: ‘Oh, das ist langweilig.’ Aber dann las ich das Buch und es war richtig spannend und Spielberg drehte ein Meisterwerk und ich vergaß, dass ich das jemals gedacht hatte.
Es gibt also diese ganzen Schachzüge: Die Dinos betreten das Festland, kehren zur Insel zurück, dann kommt [Jurassic World-Regisseur] Colin Trevorrow dazu, der Originalpark wird wieder geöffnet und Dinos treffen auf die Touristen, schließlich verteilen sie sich in der Welt und werden Teil des Alltagslebens. Das macht alles Sinn. Aber danach fühlt man sich etwas gefangen: Was jetzt? Wohin kann man sich jetzt noch entwickeln? Ich las also das Drehbuch, und es sagte mir: ‘Sie sterben alle aus, niemanden interessiert’s, das war’s.’ Das fand ich brutal ehrlich. Denn das war genau mein Problem als Filmemacher: Es gab keinen Zug mehr zu spielen. Es war also ein Neustart.
Ich bin sehr gut mit Colin befreundet. Bevor mir der Film angeboten wurde, ging ich mit meiner Freundin am Silvesterabend 2023 in den Universal Studios-Park in Los Angeles. Wir fühlten uns alt und wollten etwas Cooles machen. Und ich fuhr mit der Jurassic-Achterbahn. Ich machte ein Bild von mir und schickte es Colin mit dem Kommentar: ‘So verbringe ich mein Silvester. Mehr Rock’n’Roll geht nicht.’ Nur ein paar Monate später bot man mir den Regieposten an.
Und es gab noch mehr Zufälle: Einen Tag, bevor die Jurassic-Produzenten nach einem Regisseur suchten, sah ich mir Jurassic Park an. Ich habe die Angewohnheit, mir dabei manchmal Notizen zu machen. Aber nicht über den Film selbst – ich erzähle eher die Geschichte nach, als wäre sie 1000 Jahre alt oder würde sich erst in 1000 Jahren abspielen. Ohne spezifische Details. Als wäre es eine astrologische Vorhersage. Und dann lese ich es oft nach einem Jahr wieder, weil es als eine Art Storytelling-Leitfaden sehr hilfreich ist. Das machte ich also etwa fünf Stunden lang mit Jurassic Park.
Als dann am nächsten Tag die Meldung rauskam, dass sie für einen Jurassic World-Film einen Regisseur suchen, schickte mir meine Freundin meinen Aufschrieb und ich schickte ihn an meinen Agenten weiter, mit dem Kommentar: “Ist das doof?” Ich habe immer noch keine Antwort. Ich schätze, ich werde es zum Kinostart herausfinden.
Was kannst du uns zu Jurassic World 5 sagen? Sprichst du schon mit jemandem?
Nein. Wirklich, ich lüge nicht. Ich habe mit niemandem darüber gesprochen, nicht einmal ein Wort. Ich denke, niemand will momentan eine Prognose abgeben, wie es mit [Jurassic World 4] laufen wird. Wir haben einen in sich abgeschlossenen Film gedreht. Es ist ein sehr komplexes Problem, sich plötzlich einen neuen Film ausdenken zu müssen. Und wenn man es erzwingt, merkt es das Publikum. Ich mag das nicht. Man will doch einfach ins Kino gehen und eine tolle Geschichte erzählt bekommen. Und wenn die Credits laufen, ist es vorbei und das war’s.
Es scheint, dass die Geschichte von Zora Bennett noch nicht vorbei ist.
Scarlett hat vermutlich ihre eigene Perspektive darauf. Ich bin sicher, dass sie alles schon in ihrem Kopf vorausgeplant hat.
---
Jurassic World 4: Die Wiedergeburt läuft seit dem 2. Juli 2025 in den deutschen Kinos.