Der Oscar ist der wichtigste Filmpreis der Welt. Seit nunmehr 82 Jahren wird er vergeben. Wer ihn besitzt, steigt in die Ruhmeshalle der American Academy auf, bereits eine Nominierung sichert große Aufmerksamkeit und erhöhte Einnahmen an der Kinokasse und im DVD-Laden um die Ecke. Also ist der Oscar auch ein begehrenswertes Objekt. Jedes Jahr können wir ab Dezember beoachten, wie sich die großen Studio mit ihrem Werbekampagnen für den Filmpreis überbieten. Höher, größer, bunter und exklusiver muss die Präsentation des Films sein.
Nun hat Nicolas Cartier, der Produzent von Tödliches Kommando – The Hurt Locker, ein Tabu übertreten, weil er – mehr oder weniger unverhohlen – in einer Email dazu aufgerufen hat, nicht Avatar – Aufbruch nach Pandora von James Cameron, sondern Tödliches Kommando – The Hurt Locker von Kathryn Bigelow zum Besten Film des Jahrs zu wählen. Das ist nichts Neues. Es gibt allerdings den Ehrenkodex, der es verbietet, sich bei der Werbung um den eigenen Film negativ über Konkurrenten zu äußern. Gegen diese Regel hat Nicolas Chartier in seiner E-Mail verstoßen. Prompt wurde er, wie wir bereits gestern berichteten, von der Gala-Veranstaltung ausgeladen.
Nun fragt sich natürlich, was die ganze Sache soll. Das ist doch nur Kinderkram, oder? Seit Jahren buhlen die Studios um jedes Academy Mitglied, mit Präsentkörben, Diner-Abenden, DVD-Sonderaktionen. Wer die beste Kampagne hat, der gewinnt auch in der Regel. Das haben mittlerweile auch ausländische Produzenten für sich entdeckt und so ist das Team von Das Leben der Anderen bereits Wochen vor der Academy-Entscheidung durchs Land getourt, hat überall Hände geschüttelt, Sekt und Häppchen ausgegeben, die Hauptdarsteller präsentiert und schlußendlich Pans Labyrinth (der bereits drei andere Oscars an dem Abend gewinnen konnte und auch wie der sichere Sieger für den Auslands-Oscar aussah) ausgestochen.
Kampagnen werden für die Oscar-Zeit geplant wie große Politik-Wahlkampf-Auftritte. Allein schon das Motto ist entscheidend: Wählt den Underdog! Wählt Öko! Wählt jüdischen Humor! Neben den zahlreichen Kampagnen, die den Academy Mitgliedern ins Haus flattern, scheuen sich die Nominierten selbst nicht, in jeder noch so kleinen Talkshow aufzutreten. Da werden Hunde gestreichelt, Fans umarmt, Tränen vergossen und jedes noch so kleine private Detail an Licht gezerrt, um präsent zu sein. Ob es was nützt? Für manchen Film und Nominierten reicht schon die Zeit vor dem Oscar, um ein Erfolg zu werden.
Und Nicolas Cartier, der Produzent von Tödliches Kommando – The Hurt Locker? Er hat das öffentlich getan, was alle anderen hinten herum sowieso machen. Ob der Film nun von den Mitgliedern der Academy abgestraft wird, kann keiner genau sagen. Die weltweite Aufmerksamkeit jedenfalls hat er bekommen. Wenn Tödliches Kommando – The Hurt Locker nicht gewinnen sollte, dann kann es wenigstens dem Produzenten in die Schuhe geschoben werden. Gleichzeitig würde dies natürlich ein schlechtes Licht auf den Gewinner werfen, denn der hätte ja nun nur gewonnen, weil sich der eine Film selbst ausgebootet hat. Verkehrte Welt, oder?