Versetzen wir uns in die Zeit, als es mit den Mobiltelefonen so langsam losging. Eigentlich brauchte man so ein Ding nicht, aber die meisten Anderen hatten mittlerweile auch eines, und so teuer waren die Teile auch nicht mehr. Wir waren nun also auch stolze Besitzer eines Handys. Etwas groß das Ding, passte kaum in die Hosentasche, und wurde nur mitgenommen, wenn man mal länger von zu Hause weg war.
Es folgte die Zeit, wo man lernte sich über das Handy zu treffen. Verabredungen wurden nur noch grob getroffen, in großen Menschenmengen waren keine Treffpunkte mehr nötig. Dies erforderte allerdings, dass man sein Telefon immer dabei hatte. Man begann es immer mitzunehmen, egal wohin man ging. Oft vergaß man sein Handy zu Hause und ärgerte sich, oder ging nochmal zurück.
Mittlwerweile ist es unwahrscheinlich, dass man sein Telefon zu Hause liegen lässt. Ähnlich wie beim Schlüssel oder bei der Brieftasche, ist die Mitnahme des Handys ein Automatismus geworden.
Durch den Triumph des Smartphones hat sich diese Affinität noch verstärkt. Es gibt kaum noch Bereiche im Leben, bei denen das Gerät keine Rolle spielt. Wir vergessen nicht nur mehr das Handy mitzunehmen. Nein, wir tragen es selbst in unserer eigenen Wohnung von Zimmer zu Zimmer mit. In der Küche kann man ja mal nach einem bestimmten Rezept nachsehen, vor dem Kleiderschrank checken wir schnell mal die Wetterapp, im Schlafzimmer benutzen wir es als Wecker und selbst auf dem Klo vertreiben wir uns die Zeit mit Lesen, Spielen oder Texten.
Wir haben ein Gerät erschaffen mit dem wir alles auf Knopfdruck machen können. Etwas wovon wir schon als Kinder geträumt haben. So eine Art Zauberstab mit dem wir kurz rumfuchteln und das richtige Zauberwort nennen, und schon bin ich Besitzer eines neuen Buches, das mir eine Amazone innerhalb von Sekunden bringt, und welches ich selbstverständlich über meinen Zauberstab projizieren kann, so dass ich noch nicht mal wirklich das Buch selbst benötige.
Als Rowling Harry Potter schrieb, gab es zwar noch keine Smartphones aber das Handy beeinflusste bereits viele unserer Lebensbereiche. Einiges was Zauberstäbe können, können Mobiltelefone auch, und somit würden diese in den Bänden der ganzen Welt ihren Charme nehmen.
Im Prinzip haben wir Zauberstäbe erschaffen. Nun kann man natürlich argumentieren, dass vieles einfacher geworden ist, wenn man alles über ein einziges Gerät machen kann. Die Tatsache aber, dass wir keinen Schritt mehr ohne Handy laufen, zeigt wie abhängig wir uns gemacht haben. Nimmt man einem Zauberer den Zauberstab, sei es durch Verlust oder Beschädigung, ist dieser hilflos. Er hat verlernt sein Leben ohne Stab zu führen. Simpelste Tätigkeiten wie Verabredungen, den Kontakt zu Anderen herstellen, oder morgens rechtzeitig aus den Federn kommen werden plötzlich als große, nahezu unlösbare Herausforderungen angesehen. Egal welche Probleme man gerade sonst hat, der Kauf eines neuen Zauberstabes hat absolute Priorität. Man geht also zu Olivanders, dessen Macht ihm selbst durchaus bewusst ist, und macht sich mit einem Vertrag noch abhängiger, da ein neuer Stab gerade unbezahlbar ist. Wobei man Olivanders selbst gar nicht mehr antrifft. An seiner Stelle sind in der neuen Filiale „Oli Two“ Kobolde getreten, die absolut keine Ahnung von Magie haben, und lediglich wissen wie man einem am besten Geld aus der Tasche zieht.
Wer einmal im Urlaub seinen Zauberstab zerbrochen hat, wird Vorkehrungen treffen. Nicht nur, dass er sich einen Notzauberstab kaufen wird. Er wird sich auch wieder Zaubergeräte wie Wecker, Radios, Notizbücher oder Fotoapparate kaufen, und schnell merken, dass es gar nicht so schlimm ist, wenn man Aufgaben klug verteilt, und nicht einem Einzelnen die komplette Verantwortung übergibt. Dann verfällt man wenigstens nicht mehr in Panik, wenn derjenige mal nicht da ist.