Korankinder - Eine Dokumentation

03.06.2009 - 12:35 Uhr
Korankinder
Mayalok
Korankinder
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Die Korankinder lernen den Koran auswendig, Sure für Sure. Regisseur Shaheen Dill-Riaz zeigt, unter welchen Umständen sie lernen müssen und ergründet mit seiner Dokumentation auch Hintergründe über die Schulen. Ab dem 4. Mai läuft sie im Kino.

Wie ein Eisenstück, das im Wasser sinkt, wenn es hineingeschmissen wird. So sollen sie nicht enden. Eher, so erzählt es der Lehrer, sollen sie glühen. Und dann, wenn sie bereit sind, zurecht geformt werden. Vielleicht wie ein Boot; dann würden sie auf dem Wasser schwimmen.

Das passiert in einem der neun Räume; ein Lehrer von sieben, jeder für etwa 70 Schüler verantwortlich, unterrichtet, spricht vom guten Benehmen, begrüßt seine neuen Schüler, lächelnd. Die Koranschule, eine so genannte Madrasa, ist zum Brechen voll; ein Blick in die Räume offenbart Kinder, dicht an dicht, wie sie ihre Oberkörper rhythmisch vor- und zurückbewegen und Suren des Koran rezitieren und auswendig lernen. Die Bewegungen, so heißt es, sollen helfen, im Takt der kosmischen Zeit zu bleiben, der Verbindung zwischen Diesseits und Jenseits. Nur wenige wagen den Blick in die vorbeifahrende Kamera, der Lehrer sitzt im Schneidersitz und lauscht den Schülern, in seiner Hand ein langer Zweig; er wird ihn heute noch benutzen. „Bin ich Euer Feind?“, hatte einer der Lehrer zuvor gefragt. „Nein!“, haben die Kinder im Chor geantwortet.

Regisseur Shaheen Dill-Riaz erzählt in seiner Dokumentation Korankinder verschiedene Geschichten. Die der Kinder zum Beispiel, die täglich in den Madrasas neue Suren aus dem Koran lernen, fast ohne Freizeit und Raum für eine tatsächliche Kindheit. Die der anderen Kinder, die aus den Madrasas ausgestiegen sind und nun entweder arbeitslos ein trostloses Leben führen oder dank der Unterstützung liberaler Eltern die Möglichkeit auf eine zweite Chance in einer staatlichen Schule gefunden haben. Die der Koranlehrer, den Hafiz, zum Beispiel, die sich und ihrer Familie mit ihrer Tätigkeit ein besseres Leben im Jenseits erhoffen, unberührt von der weltlichen Bildung, mit einem Auge immer Richtung Tod starrend. Die des Prof. Salimullah Khans, der öffentlich die Madrasas kritisiert und ihren Wandel von einer Bildungseinrichtung für Muslime – einem Gegenentwurf zum britischen Bildungssystem, eingeführt zu Kolonialzeiten – zur reinen Religionsschule. Und – vielleicht am gewichtigsten – die seines Vaters und die seiner Mutter; beiden wären nie auf die Idee gekommen, ihren Sohn auf eine Madrasa zu schicken. „Ich hätte diese Madrasa höchstpersönlich demoliert“, sagt sie, der Vater lächelt, amüsiert von der forschen Art seiner Frau. Und als der Sohn am Ende den Vater fragt, was Religion denn für ihn bedeute, will er das nicht verraten. „Erst, wenn du vierzig bist“, sagt er. „Aber ich bin doch 38“, antwortet der Sohn. „Dann warte eben noch zwei Jahre.“

Korankinder brilliert mit Nahaufnahmen und der sympathischen Erzählstimme. Oft stört es in Filmen, wenn Kinderköpfe den gesamten Bildschirm ausfüllen; zu sehr dominiert das Gefühl, der Regisseur wolle Mitleid erregen oder ein „och, wie süß“ oder „oh, wie traurig“ provozieren. Doch die Kinder in diesem Film werden dafür nicht instrumentalisiert. „Ich denke, dass man in den Gesichternsehr viel lesen kann“, sagt Dill-Riaz. Und er hat Recht: Oft hält er mit seiner Kamera inne, lässt Momente wirken. Erfrischend ist auch die Vielfalt des Filmes; verschiedene Seiten werden beleuchtet, die Madrasas nicht vollständig dämonisiert, sondern erklärt. Der Film spielt vollständig in Bangladesch, wie alle Filme von Shaheen Dill-Riaz. Wer ihn sich anschaut, lernt nicht nur Fakten über eine fremde Welt, sondern auch, diese fremde Welt einigermaßen zu verstehen. Und genau dafür sind Dokumentationen doch da.

Korankinder ist am dem 4. Mai 2009 im Kino zu sehen. Einen Trailer gibt es auch:

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